Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beginnen möchte ich mit einer kurzen Erwiderung zum europäischen Gipfel gestern. Soweit ich es festgestellt habe, gab es gar keine Ergebnisse, außer der Ankündigung, dass der Termin, zum 1. Januar 2013 eine europäische Bankenaufsicht einzuführen, auch auf Druck der Bundesregierung verschoben worden ist.

Warum ist das so? Darauf hat der französische Präsident gestern hingewiesen. Er sagte, in Deutschland stehe ein Wahltermin an. Warum ist dieser Wahltermin für Deutschland so wichtig? Es handelt sich um die Bundestagswahl, es stehen also wichtige Entscheidungen an.

Was hat die Kanzlerin beim letzten Gipfel zugesagt? Sie hat zugesagt, dass es eine Direktkapitalisierung von europäischen Banken aus europäischen Steuermitteln geben soll. Die größten europäischen Banken werden sich dann, wenn sie Probleme haben, beim deutschen Steuerzahler bedienen können. Ich finde, das hätten Sie auch einmal sagen müssen. Diese Direktkapitalisierung lehnen wir strikt ab.

(Beifall bei der SPD)

Es war ein Fehler, Ende Juni diesen Beschluss zu fassen. Er bedeutet eine Aufhebung des Zusammenhangs von Risiko und Haftung und führt zu einem direkten Zugriff auf deutsches Steuerzahlergeld durch europäische Banken. Das wollen wir nicht. Wir wollen nicht, dass der Stabilitätsmechanismus, der eigentlich für Staaten gedacht ist, auf diese Weise zu einem Selbstbedienungsladen für Banken wird. Deswegen werden wir darauf bestehen, dass diese Entscheidung korrigiert wird.

Ich komme jetzt zum Nachtragshaushalt. Ja, wir stimmen den einzelnen Maßnahmen zu, die hier geändert werden sollen. Nein, wir stimmen der hohen Kreditaufnahme nicht zu. Sehr verehrter Herr Kollege Kampeter, Sie haben nicht gesagt, dass die Zahl von 32 Milliarden Euro, die Sie jetzt als Kreditaufnahme veranschlagen, fast doppelt so hoch ist wie die Zahl, die 2011 veranschlagt wurde.

Herr Kampeter, Sie haben auch nicht gesagt, dass Herr Schäuble in seiner Amtszeit 112 Milliarden Euro Schulden gemacht hat und die Aufnahme weiterer Schulden plant, wozu die Regierung Ja gesagt hat. Sie haben auch nicht gesagt, dass es bei den Zinsen Entlastungen in Höhe von über 20 Milliarden Euro gab. Dies ist kein Ausweis solider Finanzpolitik, das ist das Gegenteil.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die SPD hat in den Haushaltsberatungen 2012 Anträge eingebracht: zum Steuersubventionsabbau, zu Steuererhöhungen im Spitzenbereich, zu Ausgabenkürzungen, um die Kreditaufnahme um 7 Milliarden Euro zu senken. Sie haben alles abgelehnt.

Im Rahmen der Beratungen zum Nachtragshaushalt werden wir nach Möglichkeiten suchen – und sie auch finden -, um die Kreditaufnahme auf ein erträglicheres Niveau zu senken. Wir wollen Ihnen zumindest verwehren, auf Kosten künftiger Generationen mit dem Geld so zu schludern, wie Sie es jetzt tun. Deswegen werden wir dem Nachtragshaushalt, so wie er jetzt vorliegt – mit einer hohen Kreditaufnahme -, nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Zum Zweiten eine kurze Anmerkung zum Flughafen Berlin-Brandenburg. Die Entwicklung dort ist sicherlich kein Ruhmesblatt. Aber ich finde, zur Verantwortung des Bundes, den Sie vertreten, gehört es ja wohl dazu, darauf hinzuweisen, dass der Bund mit je einem Staatssekretär aus dem Finanzministerium und dem Verkehrsministerium ebenso im Aufsichtsrat vertreten war und ebenso nicht gehandelt hat oder die Fehler mit hingenommen hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Machen Sie sich da nicht vom Acker. Sie gehören genauso mit dazu.

Drittens: Fiskalvertrag. Ja, hier geht es um eine wichtige Entscheidung für die Europäische Union, aber auch für uns hier in Deutschland. Der Fiskalvertrag – Sie haben darauf hingewiesen – setzt weitestgehend auf der deutschen Schuldenbremse auf; die Möglichkeit der strukturellen Verschuldung ist sogar noch höher als nach deutschem Recht. Das Einzige, was wir wirklich ändern müssen, ist der Korrekturmechanismus, der greift, wenn es innerhalb eines Jahres zu Veränderungen kommt oder die vorgegebenen Zahlen nicht eingehalten werden.

Ich finde, man muss sich das ganz genau anschauen. In den vergangen Jahren haben wir erlebt, dass der Bundestag bei den Entscheidungen, die er tagtäglich, manchmal auch über Nacht, zu treffen hat, etwa zur Bankenrettung und insbesondere zur Euro-Stabilisierung, zunehmend Getriebener ist. Oftmals war es so, dass wir sehr weitgehend von der Expertise der Bundesregierung, aber auch externem Sachverstand abhängig waren. Ich finde, dass es richtig ist, in Notsituationen zu entscheiden. Ich finde aber auch, dass man die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen muss. Eine dieser Konsequenzen kann nur sein, den Bundestag als Ort der Debatte und der Entscheidungen, für die wir alle im Endeffekt geradestehen, institutionell so zu stärken, dass er diese Aufgabe wahrnehmen kann.

Wenn ich mir einerseits das Gesetz anschaue und andererseits die Vorgabe der Europäischen Union zur Kenntnis nehme, ein unabhängiges Gremium einzurichten, das die Finanzpolitik begutachtet, evaluiert und letztendlich Bewertungen abgibt, dann komme ich zu dem Schluss: So wie Sie es bisher vorgeschlagen haben – ich vermute, es handelt sich um eine Einigung mit den Bundesländern -, ist es doch sehr stark auf die Exekutive orientiert und fixiert. Die Benennung der Mitglieder des unabhängigen Gremiums erfolgt durch die Bundesregierung und den Bundesrat. Letztendlich sind nur drei von neun Mitgliedern wirklich unabhängig, und sie berichten dem Bundestag im Zweifel gar nicht; wir haben auch gar keinen Einfluss darauf. Da aber die Finanzpolitik – Steuern, Verschuldung – Kernbereich der parlamentarischen Demokratie und unserer Entscheidungsbefugnisse ist, muss dieses Gremium mit seiner Kontrollmöglichkeit beim Bundestag eingerichtet werden, damit der Bundestag letztendlich darüber debattieren kann.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Otto Fricke (FDP))

Ich sage das wirklich vollkommen wertungsfrei. Denn es gibt unabhängig davon, wer gerade zur Regierung oder zur Opposition gehört – ich habe lange genug im Bundestag eine Regierung mitgetragen -, immer Debatten zwischen Opposition und Regierung. Hier geht es aber um eine Grundsatzentscheidung – wahrscheinlich für die nächsten 20 oder 30 Jahre – über die Frage, in welchem Verhältnis der Bundestag, das Parlament, zur Regierung steht und inwieweit er langfristig strukturell in der Lage ist, mit Expertise in die Debatten einzugreifen, die auf europäischer Ebene, in der Wissenschaft und insbesondere zwischen Bund und Ländern stattfinden. Ich finde, jetzt ist die Gelegenheit, eine solche Grundsatzentscheidung zu treffen. Deswegen hoffe ich, dass es uns allen gelingt, dort eine Veränderung vorzunehmen, um den Bundestag zu stärken, und zum Beispiel dem Vorschlag der SPD zu folgen, einen nationalen Rat für Finanzpolitik einzurichten, der es ermöglicht, dass wir auch in der Öffentlichkeit kritisch, aber konstruktiv über eine Finanzpolitik für Deutschland diskutieren, mit der es in Zukunft gelingt, wirklich glaubwürdig und solide hauszuhalten.

In diesem Sinne: Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal: Die von der Bundesregierung heute beschlossene Protokollerklärung tragen wir mit und nehmen sie zur Kenntnis. Sie entspricht den Vorgaben, die das Verfassungsgericht gemacht hat. Die SPD-Fraktion hat während der Ratifizierungsverfahren zum ESM-Vertrag insbesondere darauf Wert gelegt, dass die Gremien des ESM gegenüber dem Bundestag auskunftspflichtig sind. Unseren Anträgen ist die Koalition gefolgt. Es ist gut, dass wir dies jetzt hier noch einmal klarstellen.

Der entscheidende Punkt ist allerdings: Sie, sehr geehrter Herr Staatssekretär Kollege Kampeter, haben eben gesagt, die Haftungssumme Deutschlands sei damit klar begrenzt; der ESM sei nur ein Teil der Strategie zur Lösung der europäischen Krise. Ich sehe sie als Finanzkrise an;

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben sie als Staatsschuldenkrise bezeichnet. Damit widersprechen Sie Ihrem Finanzminister; aber das Recht auf freie Meinung soll auch in der Bundesregierung gelten, selbst wenn Sie in diesem Fall falschliegen.

Interessant ist bei diesem entscheidenden Punkt nun, worüber Sie nicht gesprochen haben. Es geht um einen Sachverhalt, der auch noch im Hauptsacheverfahren eine Rolle spielen wird, nämlich die unbegrenzten Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank. Wenn Sie hier den Eindruck erwecken, als wäre die Haftung Deutschlands auf die Summe begrenzt, die im ESM-Vertrag festgelegt ist, dann, sehr geehrter Kollege Kampeter, führen Sie die Öffentlichkeit an der Nase herum. Die Haftungssumme ist deutlich höher. Ich finde, dass der Deutsche Bundestag darüber reden muss, weil es wichtig ist, politische Akzeptanz zu erreichen. Das Versteckspiel auf der einen Seite hier im Bundestag möglichst geringe Haftungssummen zu beschließen, um die Öffentlichkeit nicht zu verunsichern und Ihre Koalition zusammenzuhalten, und auf der anderen Seite über die Bilanz der EZB die Verluste von Banken zu sozialisieren, ist nicht akzeptabel. Deswegen sage ich Ihnen ganz klar: Diese Entscheidungen gehören in den Deutschen Bundestag.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Das steht im Gesetz!)

Wenn es um die Haftungsrisiken geht, die zwischen den Steuerzahlern verteilt werden, muss der Deutsche Bundestag darüber entscheiden. Das ist in einer Demokratie grundsätzlich die Voraussetzung.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Das steht so im Gesetz!)

– Herr Kollege Barthle, vielleicht glauben Sie zwar nicht mir, aber dem Bundesbankpräsidenten, der Ihrer Regierung durchaus nahestand. In einem Interview in der Neuen Zürcher Zeitung von heute, in dem es um dieses Staatsanleihenaufkaufprogramm geht, das Sie hier mit keinem Wort erwähnt haben, sagte er:

Es gibt aus meiner Sicht einige Gründe, die gegen das Programm sprechen. Dazu zählen einerseits sicher stabilitätspolitische Prinzipien und die Frage, ob die Notenbank hierzu demokratisch legitimiert ist.

Das sehe ich in der Tat genauso. Dann führt er fort – das ist der entscheidende Punkt; passen Sie auf! -:

Das Programm verteilt Haftungsrisiken zwischen den Steuerzahlern der Euro-Zone um. Das dürfen nur die Parlamente, und diese haben mit den Rettungsschirmen ja auch die passenden Instrumente zur Hand.

Punkt.

(Beifall bei der SPD)

Herr Weidmann spricht Wahrheit; er ist der Chef der Deutschen Bundesbank. Ich frage mich nur: Was sagt die Koalition dazu?

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Alles, was ich mitbekommen habe, Herr Staatssekretär, ist, dass der Chef Ihres Hauses, der Bundesfinanzminister Schäuble, Herrn Weidmann einen Maulkorb verpasst hat, dass er in einem Interview mit der Bild am Sonntag dem Bundesbankpräsidenten angeraten hat, doch lieber zu schweigen, als in Deutschland die Wahrheit zu sagen. Das ist mittlerweile die Politik der Bundesregierung.

(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, das war ein guter Rat von Herrn Schäuble!)

– Herr Trittin, wir haben da eine grundsätzlich andere Auffassung; das ist richtig.

(Otto Fricke (FDP): Was hat das denn noch mit dem Thema zu tun?)

– Das hat mit dem Thema Haftungssumme zu tun. Ich kann verstehen, lieber Kollege Fricke, dass Sie über das entscheidende Thema nicht sprechen wollen. Aber ich finde, dass der Deutsche Bundestag der richtige Ort ist, um über die Frage von Haftungsrisiken und über die Frage, wer hier was bezahlt, zu reden. Man muss darüber reden; das darf nicht totgeschwiegen werden.

(Beifall bei der SPD)

Sie drücken sich darum. Ich finde das nicht akzeptabel.

Die entscheidende Frage ist: Wer kommt im Endeffekt für die Kosten auf? – Ja, wir sind für die Stabilisierung der Euro-Zone. Ja, wir sind als Sozialdemokraten bereit, dabei Verantwortung zu übernehmen. Ja, wir sind dazu bereit, auch zu sagen, was es kostet. Es darf aber nicht über die Bilanz der europäischen Notenbank laufen, die dazu gezwungen wird, weil Sie nicht bereit sind, zu handeln. Das ist sozial ungerecht; denn das führt dazu, dass diejenigen, die viel Geld haben, es letztendlich behalten, und die kleinen Leute alles bezahlen. Das ist nicht akzeptabel.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE))

Ich hätte mir gewünscht, dass der Bundestag in solch einer entscheidenden Frage eine klare Position hat. Eine Debatte darüber findet quasi nicht statt. Deswegen nutze ich die heutige Gelegenheit, um es einmal deutlich zu sagen, entgegen den Äußerungen aus Ihrer Koalition zu diesem Punkt.

(Zurufe von der FDP)

– Wir werden ja bei den einzelnen Hilfsanträgen von Staaten darüber sprechen.

Wissen Sie, ich finde es bemerkenswert, wenn der Präsident der Deutschen Bundesbank als die einzige Chance, die er noch hat, um Ihnen an dieser Stelle ein Warnzeichen zu geben – entgegen den Äußerungen, die Sie hier immer wieder machen -, die Neue Zürcher Zeitung nutzt. Ich zitiere als letztes noch eine Stelle, in der er auf den Aspekt der Haftungsrisiken eingeht, die Sie angeblich negieren. Ich zitiere:

Zum Beispiel verteilt die SNB

– das ist die Schweizerische Notenbank –

mit ihrer Massnahme keine Risiken zwischen Steuerzahlern verschiedener Länder um, das Euro-System hingegen schon.

Ich würde gerne wissen, ob Sie das so sehen oder nicht, sehr geehrter Herr Staatssekretär. Das ist eine relevante Frage, wenn es um die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages geht. Darauf müssen Sie einmal eine Antwort geben. Sie können das doch nicht totschweigen, als gäbe es das nicht. Dabei macht doch die EZB, weil Sie sich nicht einigen können, das Geschäft, und der Bundestag hat nichts zu sagen. Das ist undemokratisch, nicht legitimiert und führt letztendlich dazu, dass Haftungsrisiken vergemeinschaftet werden und diejenigen, die die Krise verursacht haben, eben nicht an den Kosten beteiligt werden.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Die Schweizerische Zentralbank ist aber auch nicht für die 17 Länder zuständig!)

Wir haben unsere Zustimmung im Bundestag zur Finanzierung dieser Lasten davon abhängig gemacht, dass eine Finanztransaktionsteuer eingeführt wird. Wir erwarten, dass dazu noch im Oktober ein klarer Fahrplan auf den Tisch kommt.

(Beifall bei der SPD)

Es ist entscheidend, dass die Zusagen, die die Regierung gegeben hat, auch tatsächlich umgesetzt werden. Nicht die kleinen Leute sollten die Kosten der Krise bezahlen, sondern diejenigen, die sie verursacht haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kruse, ich kann nachvollziehen, dass Sie in der Schlussrunde der Debatte über den Haushaltsentwurf nicht über den Haushalt sprechen wollen; denn das ist alles andere als etwas, worauf die Koalition aus Union und FDP stolz sein kann.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben mit keinem einzigen Wort gesagt, wie hoch die Neuverschuldung ist, die Sie in diesem Jahr beschließen wollen: 18,8 Milliarden Euro.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Wir kommen aber von 86! – Otto Fricke (FDP): 17 Milliarden weniger als ihr!)

Sie wollen diesem Land 18,8 Milliarden Euro neue Schulden aufbürden, und das in einer Zeit, in der die Konjunktur brummt, in der Sie die niedrigste Arbeitslosenquote, die niedrigsten Zinsausgaben und die höchsten Steuereinnahmen haben? Kollege Fricke, das ist doch richtig, oder?

(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle (CDU/CSU): Die Kollegen Kahrs und Pronold haben gerade eben noch gefordert, dass wir mehr ausgeben!)

In dieser Debatte haben Sie immer wieder gesagt, dass Sie eine solide Politik machen, weil die Ausgaben nicht steigen.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Die gehen zurück!)

Sie vergleichen die Ausgabenhöhe immer mit den Vorjahren, insbesondere mit 2009/2010. Darf ich Ihnen mitteilen, dass wir in dieser Zeit Konjunkturprogramme hatten, die natürlich – das war gewollt – zu einem Aufblähen des Sektors geführt haben?

(Otto Fricke (FDP): Ach!)

Natürlich geht das jetzt zurück, und es ist gut, dass das passiert. Das ist aber noch kein Gewinn.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): 10 Milliarden weniger!)

Jetzt komme ich zu den Zahlen, um die Entlastung deutlich zu machen: Im Jahr 2011 hat diese Koalition das Haushaltsjahr mit einer Neuverschuldung von knapp 17 Milliarden Euro abgeschlossen. Für 2012 planen Sie 32 Milliarden Euro. Das ist eine deutliche Steigerung.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Ist und Soll!)

Im Jahr 2013 wollen Sie dann wieder auf 18 Milliarden Euro kommen. Dieser Zickzackkurs ist stilbildend für Ihre Politik. Sie haben kein Ziel. Sie wollen nur irgendwie über die Wahl kommen. Aber Sie bringen damit das Land nicht voran.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Stefanie Vogelsang (CDU/CSU))

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Lieber Kollege Schneider, darf Ihnen der Kollege Fricke eine Zwischenfrage stellen?

Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):

Gern.

Otto Fricke (FDP):

Herr Kollege Schneider, von der erneuten Verwechslung von Ist und Soll – hier verweise ich auf die Ausführungen des Kollegen Barthle – einmal abgesehen: Sie sagen, wie die Ausgaben es in 2012 sind. Sie wissen genau, dass wir zusätzliche Belastungen haben.

Carsten Schneider (SPD):

Welche?

Otto Fricke (FDP):

Welche? Stichwort Europa, ESM und so. Ich weiß nicht, ob Sie sich da auskennen.

(Widerspruch bei der SPD)

Es gab dazu diese Woche eine ziemlich wichtige Entscheidung. Dies nur als kleiner Hinweis.

Sie sagen, 2012 hätten wir zu viel ausgegeben. Könnten Sie mir sagen, welche Milliardenausgabe – ich weiß, dass man das bei Ihnen betonen muss – im Haushalt 2012 die SPD nicht getätigt hätte?

Carsten Schneider (SPD):

Sehr geehrter Kollege Fricke, es ist richtig: Der Bundestag hat beschlossen, dem ESM in diesem Jahr, im Jahr 2012, über 8 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Jetzt subtrahieren Sie einmal: 32 minus 8. Auf welche Summe kommen wir dann? Ist diese Summe höher als die Neuverschuldung des Jahres 2011? Ja, ist sie. Sie ist deutlich höher.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Otto Fricke (FDP): Die Frage!)

Sie haben es in der Hand, im Nachtragshaushalt dafür zu sorgen, dass sie gesenkt wird. Werden Sie dies tun, oder werden Sie die Neuverschuldung trotz der exzellenten Situation, in der wir uns befinden, weiter erhöhen?

(Otto Fricke (FDP): Könnten Sie die Frage beantworten?)

Sehr geehrter Kollege Fricke, Sie werden sie wahrscheinlich nicht senken; das weiß man, wenn man sich ansieht, wie Sie hier die vergangenen Jahre konstant gearbeitet haben.

Ich will jetzt eigentlich nicht mit dem Argument kommen, dass die FDP eine Apothekerpartei

(Otto Fricke (FDP): Frage! – Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Klientelpartei!)

und Klientelpartei ist. Aber Sie haben gefragt, welche Ausgaben genau wir kürzen wollen. Wissen Sie, Herr Kollege Fricke, der entscheidende Punkt in einem Staatshaushalt ist nicht, wie hoch die Ausgaben sind, der entscheidende Punkt ist, wie hoch die Kredite sind, die Sie brauchen, um Ihren Staatshaushalt zu finanzieren.

(Beifall bei der SPD)

Wir als Sozialdemokraten setzen auf einen konsequenten Subventionsabbau.

(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Steuererhöhungspartei!)

Dazu haben wir Ihnen Vorschläge gemacht. Ich komme zum ersten Vorschlag, auch wenn Sie es nicht mehr hören können: Sie geben immer noch – das ist weiterhin geltendes Recht – 1 Milliarde Euro für die Hoteliers in diesem Lande aus. Es handelt sich um Steuermindereinnahmen; auf dieses Geld verzichten Sie. Mit diesem Geld könnte man die Lücke schließen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Wissen Sie, entscheidend sind nicht die Ausgaben, sondern entscheidend ist, ob Sie neue Schulden aufnehmen oder nicht. Sie tun es, und zwar mehr als notwendig ist. Ihnen fehlt die Kraft, dieses Land mit diesem Haushalt strukturell so zu verändern, dass wir von der hohen Verschuldung herunterkommen, dass wir wieder leistungsfähig und unabhängig von den Wirren der Finanzmärkte werden.

(Beifall bei der SPD – Dr. Claudia Winterstein (FDP): Wo sind denn Ihre Einsparungen?)

Ich rechne Ihnen das gerne vor. Betrachten wir das Jahr 2012 und das Jahr 2013; wir sprechen gerade über den Haushaltsentwurf für 2013. Angesichts der großen Unsicherheit, die wir sowohl aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung – selbst der Finanzminister ist darauf eingegangen – als auch aufgrund der Finanzkrise und den damit verbundenen Verwerfungen an den Märkten für Staatsanleihen haben, wäre es gut, Vorsorge zu treffen. Tun Sie das? Sie tun es nicht. In keinem einzigen Punkt. Im Gegenteil: Sie fahren volles Risiko.

Nehmen wir als Beispiel die Zinsausgaben. Sie sagen, Ihre Ausgaben würden sinken. Sie sinken aber nicht einmal, sie sind stabil.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Sie sinken! 10 Milliarden weniger!)

Die Gesamtausgaben des Bundes bleiben von 2012 auf 2013 stabil. Aber Sie vergessen dabei – ich erkläre Ihnen das gern -, dass Sie Entlastungen haben. Sie haben 10,7 Milliarden Euro weniger Zinsausgaben. Dafür können Sie gar nichts. Das sind klassische Windfall Profits, die Sie mitnehmen. 2,8 Milliarden Euro geben Sie weniger für die Bundesagentur für Arbeit aus. 2 Milliarden Euro hohlen Sie sich im Gesundheitsfonds und 1 Milliarde Euro bei der Rente. Das sind Entlastungen auf der Ausgabenseite. Diese führen aber nicht dazu, dass Sie die Ausgaben senken. Im Gegenteil: Die Ausgaben bleiben konstant.

Sie haben – verglichen mit 2011 – Steuermehreinnahmen in Höhe von 7,5 Milliarden Euro. Das macht unter dem Strich 24 Milliarden Euro. Die Nettokreditaufnahme wird gesenkt, aber nicht in diesem Umfang. Vielmehr verfrühstücken Sie diese Möglichkeiten der konjunkturellen Konsolidierung. Um die FAZ zu zitieren: Schäuble spart sich das Sparen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle (CDU/CSU): Von wegen!)

Wir Sozialdemokraten

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Sparen nicht!)

stehen für einen aktiven Staat.

(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Genau! Jetzt kommt es! Mehr Geld ausgeben!)

Wir wollen ihn nicht über Schulden finanzieren – das wollen Sie -, sondern wir wollen so schnell wie möglich runter von der Neuverschuldung.

(Zuruf von der FDP: Hört! Hört!)

Dazu werden wir Ihnen, so wie in den vergangenen Jahren, Vorschläge vorlegen, zum Beispiel zum Abbau von Subventionen; da haben Sie vollkommen versagt. Sie haben die Subventionen erhöht, anstatt sie abzubauen. Das ist ungerecht.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Und wir werden für eine gerechtere Besteuerung in diesem Land sorgen.

Das fängt bei der Frage an: Was hat uns die Krise eigentlich gekostet? Bisher hat der Bundeshaushalt davon profitiert. Ich habe die Zinsausgaben genannt. Sie aber tun so, als gäbe es keine Kosten. Sie sind versteckt: 20 Milliarden Euro sind im Konjunktur- und Tilgungsfonds. Die Konjunktur läuft doch gut, oder? Wie viel haben Sie getilgt? Null.

Es geht weiter zu der Frage der jetzt als Schattenbank eingeführten EZB.

(Otto Fricke (FDP): Als was?)

– Es geht um die als Schattenbank für den Bundeshaushalt eingeführte EZB. Ich komme gleich noch einmal darauf zurück.

(Otto Fricke (FDP): Die EZB ist eine Schattenbank?)

Dafür gibt es null Vorsorge. Im Gegenteil: Die Risiken werden aus dem Bundeshaushalt auf andere Institutionen verschoben, und das mit voller Duldung und Akzeptanz der Bundesregierung.

(Bettina Hagedorn (SPD): So ist es!)

Ich finde auch das ein starkes Stück: Herr Vizekanzler und Herr Wirtschaftsminister, Sie haben hier gestern in der Wirtschaftsdebatte gesagt, die Bundesregierung bzw. die FDP – ich war mir nicht ganz sicher, wen Sie meinten – stünde für Währungsstabilität, und bezogen sich auf die Bundesbank. Diese findet natürlich in der EZB ihre Wiedergeburt. Ich weiß nicht, ob Sie Zeitungen lesen und mitbekommen haben, welche Entscheidungen getroffen worden sind. Aber eines ist klar: Seit dem letzten Donnerstag entwickelt sich die EZB mehr in Richtung Fed als in Richtung Bundesbank. Wer das abstreitet, meine Damen und Herren, der will den Leuten die Augen verkleistern.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Sie haben nicht mehr die Kraft, hier im Bundestag, in der Öffentlichkeit für die notwendigen Maßnahmen zu sorgen, die erforderlich sind, um Länder vor Spekulationen zu schützen, weil Sie in Ihrer Koalition zerstritten sind. Aber der Bundesfinanzminister hat sich im Juni per Pressemitteilung zustimmend zu der Entscheidung von Herrn Draghi geäußert, was das Ankaufprogramm von Staatsanleihen betrifft. Sie haben die Europäische Zentralbank also durch Ihr Nichthandeln in diese Situation gebracht und auch dazu beigetragen, dass der Bundesbankpräsident voll in Opposition ging und kurz vor dem Rücktritt stand.

Jetzt befinden wir uns deshalb auf dem Weg in die Staatsfinanzierung durch die EZB, und zwar mit hohen Risiken, ohne dass der Bundestag – das ist für mich der entscheidende Kritikpunkt – einen maßgeblichen Einfluss oder eine maßgebliche Kontrolle dieser Institution hat.

(Dr. Axel Troost (DIE LINKE): So ist das mit der Unabhängigkeit!)

Das, meine Damen und Herren, wird das Vermächtnis dieser Bundesregierung sein.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin mir sicher, die Intervention wird ein, zwei Jahre lang ökonomisch helfen. Ob dies auch dauerhaft hilft, wird davon abhängen, ob es gelingt, eine gerechte Ordnung an den Finanzmärkten zu erreichen. Es besteht aber die Gefahr, dass der Weg, den die Bundesregierung jetzt eingeschlagen hat – der Bundestag wird quasi aus der Entscheidung herausgenommen, und die EZB nimmt die Rolle des Staatsfinanzierers ein -, lange nachwirken wird. Das wird diese Währungsunion tüchtig verändern. Ich weiß nicht, ob Sie sich dieser Bedeutung bewusst sind.

Ich höre dann immer wieder, dass dies mit vielen Auflagen verbunden sei und dass es kein Geld ohne entsprechende Konditionen gebe. – Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob Sie sich die Pressemitteilung und das Statement von Herrn Draghi wirklich angeschaut haben. Er verweist auf den ESM – das ist dieser Rettungsfonds – und dort ganz speziell auf die Dispokreditlinie. Sie nennt sich ECCL. Wissen Sie, wie die Bedingungen hinsichtlich der Inanspruchnahme lautet, dass also die EZB dann quasi unbegrenzt, und zwar ohne Haftung, ohne Obergrenze interveniert? Dass man sich an das jeweilige Nationale Reformprogramm hält, das sich die Staaten selbst geben. Dem muss nicht zugestimmt werden. Das melden die Staaten dann einfach nach Brüssel.

(Heiterkeit des Abg. Johannes Kahrs (SPD))

Ich habe mir einmal den Spaß gemacht, mir das deutsche Nationale Reformprogramm anzugucken. Darin stehen Dinge, die Sie auch hier im Haushalt wiederfinden, wie zum Beispiel das Betreuungsgeld.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Das kündigen Sie als Nationales Reformprogramm an, um Deutschland nach vorn zu bringen.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Das kostet nicht nur mehr als 1,2 Milliarden Euro blanko, ohne dass Sie eine Gegenfinanzierung bringen. Nein, es ist auch noch ökonomisch vollkommen unsinnig und auch familienpolitisch kontraproduktiv.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wenn zu solchen Bedingungen jetzt Staaten durch die EZB finanziert werden, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht! Das ist nicht ein Weg in eine Fiskalunion, bei der wir die nationale Souveränität einschränken müssen. Im Gegenteil: Das wird die Rutschpartie in eine Haftungsunion, in eine Schuldenunion, wie Sie es immer wieder nennen, ohne dass wir irgendeinen Einfluss auf die nationalen Haushalte der Mitgliedsstaaten haben. Ich finde, das ist nicht akzeptabel. Ich glaube, dass Ihnen das in den nächsten Monaten noch auf die Füße fallen wird; denn die Verunsicherung ist groß.

Ich finde, wir sollten das Interview mit Herrn Draghi, das heute in der Süddeutschen Zeitung zu lesen ist, zum Anlass nehmen, ihn in den Bundestag einzuladen.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Er hat ja schon gesagt, er kommt!)

– Ja.

(Otto Fricke (FDP): Wohin denn da?)

Ich finde, dass wir im Haushaltsausschuss mit ihm über diese Maßnahmen sprechen müssen.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Insbesondere würde mich interessieren, wie sich die Bundesregierung in diesem ganzen Spiel verhalten hat und ob es nicht doch so ist, wie ich vermute: dass Herr Draghi in diese Richtung getrieben wurde und letztendlich von der Bundeskanzlerin ganz klar Unterstützung signalisiert bekommen hat. Ich erinnere nur an die Haushaltsausschusssitzung vom vorigen Donnerstagmorgen. Da hat der Prozessbevollmächtigte klar gesagt, er könne sich nicht vorstellen, dass diese Operation gegen den Willen eines großen Mitgliedstaates durchgeführt wurde.

(Beifall bei der SPD)

Wenn das Bundesverfassungsgericht in dieser Sache entschieden hat, werden wir wissen, wie es ausgeht.

Meine Damen und Herren, der vorgelegte Haushalt – um das Handelsblatt zu zitieren – ist „Das Ende der Konsolidierung“, und das im Wahljahr 2013.

(Otto Fricke (FDP): Oh! Dann haben wir ja vorher doch konsolidiert!)

Das ist keine große Überraschung, sondern das ist typisch. Sie haben die letzten drei Jahre verschlafen. Sie haben sich auf den Lorbeeren der Beschäftigten, der Gewerkschaften und der Unternehmen ausgeruht, ohne dieses Land durch eigenes Zutun und strukturelle Veränderungen weiter nach vorn zu bringen. Sie zeigen mit dem Finger auf andere Länder in Europa, sind selbst aber nicht in der Lage, hier die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und Deutschland eine dauerhafte Führungsposition zu verschaffen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU)

Im Gegenteil, die von Stagnation geprägte Politik dieser Regierung wird uns auf Dauer teuer zu stehen kommen. Je früher damit Schluss ist, desto besser.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Meister, wenn Sie denn einmal auf die Vorschläge zurückgegriffen hätten, die wir in den vergangenen Jahren gemacht haben, dann sähe es um Deutschland und die Finanzen des Bundes bedeutend besser aus.

(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle (CDU/CSU): Schlechter!)

Sie haben gerade auf die Erhöhung der Neuverschuldung im Land NRW hingewiesen. Darf ich Sie einmal an Ihrem eigenen Handeln messen? Für das Jahr 2012, also das Jahr, in dem wir uns befinden, haben Sie mit dem Nachtragshaushalt verabschiedet: 32 Milliarden Euro neue Schulden – das hat Minister Schäuble eben noch einmal gesagt – haben Sie hier beschlossen.

(Otto Fricke (FDP): Sind Sie gegen den Nachtragshaushalt?)

Kennen Sie noch die Zahl des Jahres 2011?

(Otto Fricke (FDP): Ja!)

17 Milliarden Euro neue Schulden. Im Jahr 2012: 32 Milliarden Euro neue Schulden. Das ist eine Erhöhung, oder?

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Ist, nicht Soll!)

Die Steuereinnahmen sind explodiert, die Zinsausgaben sind gesunken, und die Sozialausgaben haben Sie gekürzt. Ich frage mich, wo Sie konsolidieren wollen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke (FDP): Welche Sozialausgaben?)

Wenn man sich die Situation sehr ernsthaft anschaut, stellt man fest: Wir haben in den letzten beiden Jahren extrem profitiert: von der Euro-Krise, bei den Zinsen. Aber bei den Zinsen tickt eine Zeitbombe. Wir haben außerdem von den Nachholeffekten aus der Konjunkturdelle – Herr Minister Schäuble ist vorhin darauf eingegangen – enorm profitiert. Ihre Aufgabe wäre es gewesen, in der Zeit, in der die Konjunktur geboomt hat, die Verschuldung stärker zu senken, damit wir, wenn es einmal schlechter läuft, Rücklagen haben, um aktiv handeln zu können. Diese Zeit haben Sie vergeudet. Nichts davon ist passiert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ? Otto Fricke (FDP): Jetzt kommen Vorschläge!)

Betrachten wir nur einmal die Zinsausgaben: Es gibt natürlich eine Friktion innerhalb der Euro-Zone. So wie die Spanier zu viel Zinsen zahlen, so zahlen wir zu wenig. Allein die Entlastung durch geringere Zinsausgaben gegenüber der Finanzplanung, die Sie 2011 für dieses Jahr aufgestellt haben, beträgt 10,7 Milliarden Euro. Angesichts dessen erschließt sich, warum Ihre Ausgaben insgesamt in etwa gleich bleiben, auch wenn sie in bestimmten Ressorts steigen. Der entscheidende Punkt aber ist, dass Sie das Zinsänderungsrisiko – also das Risiko, dass die Zinsen wieder einmal steigen, und das werden sie über kurz oder lang -,

(Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Richtig!)

in Kauf nehmen und versäumen, uns von den Finanzmärkten unabhängiger zu machen.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Bis 2016 sind 10 Milliarden Euro Zinsen fällig!)

Im Gegenteil, Sie, Herr Minister, haben durch eine Entscheidung, die Sie im Sommer getroffen haben, den direkten Zugang des Bürgers über die Bundesschatzbriefe – dadurch konnte der Bürger ohne Banken, ohne Finanzsektor beim Staat Geld anlegen, ihm Kredite geben – ab Ende diesen Jahres zerstört. Das ist ein weiterer Teil der Klientelpolitik, die Sie für den Finanzsektor und gegen die Interessen der Bürger in Deutschland betreiben.

(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle (CDU/CSU): Quatsch! Die Zinsausgaben steigen bis 2016 von 31 auf 41 Milliarden!)

– Herr Kollege Barthle, die Zinsausgaben steigen vor allen Dingen, weil Sie immer neue Schulden machen, die natürlich auch finanziert werden müssen. Das sollten Sie in Ihre Berechnung einbeziehen. Der Vorschlag der SPD, das, was wir als Alternative zu dem, was Sie heute hier präsentiert haben, einbringen werden, ist ein konsequenter Subventionsabbau. Sie haben mit dem sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz, lieber Kollege Meister, doch neue Subventionen eingeführt. Denken Sie an das Hotelsteuerprivileg von 1 Milliarde Euro.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) – Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Ich bitte um Vorschläge!)

Davon wollen Sie zwar jetzt nichts mehr hören, aber es ist geltendes Recht in Deutschland. Wir wären sofort dabei, wenn es darum ginge, das zu ändern und diese Subvention abzubauen.

Ich gebe Ihnen ein weiteres Beispiel. Auch Sie haben vorhin gesagt: Gut ist alles, was Arbeit schafft. – Arbeit ist generell gut. Sie gehört zum Leben dazu. Entscheidend ist aber, dass anständige Löhne gezahlt werden. Dadurch, dass Sie verhindern, dass wir hier in Deutschland zumindest einen Mindestlohn haben – wer arbeitet, erhält zumindest so viel, dass er davon leben kann -, entstehen dem Staat Ausgaben von über 8 Milliarden Euro. Das ist eine der größten Einzelsubventionen, die wir im Bundeshaushalt haben, die Sie nirgendwo ausgewiesen haben. Das wollen wir ändern.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE))

Sie haben keinerlei Vorsorge getroffen. Ich habe am Anfang Ihrer Konjunktureinschätzung zur Weltwirtschaft ein bisschen zugehört, Herr Minister Schäuble. Dass sich das eintrübt, kann man sehen. Die OECD reduziert ihre Prognose auf 0,8 Prozent. Wir werden das sehen. Wir haben das zumindest weltwirtschaftlich nicht in der Hand. Aber Sie hätten dafür Vorsorge treffen können, hätten früher und eindeutiger auch für eine gerechte Besteuerung in Deutschland sorgen können und müssen.

Wir haben neben dem Haushalt noch zwei weitere Faktoren, die in den nächsten Jahren zu einer Belastung werden. Der eine Faktor ist der Investitions- und Tilgungsfonds. Den haben wir damals in der Großen Koalition aufgelegt. Er kostete 20 Milliarden Euro, die über Schulden finanziert wurden. Davon haben Sie keinen Cent getilgt, obwohl die Konjunktur brummt. Erst 2016 wollen sie das erste Mal tilgen. Ich hoffe, dass wir dann immer noch Aufschwung haben. Aber wenn ich mir die Zyklen so angucke, habe ich ernsthafte Zweifel, dass es einen dauerhaften Aufschwung über sechs oder sieben Jahre gibt. Auch da machen Sie sich also schuldig, wenn es um eine nachhaltige Finanzpolitik geht.

Der zweite Faktor sind die Risiken, die wir durch die Euro-Krise haben. Wir haben sehr direkte Ausgaben durch die Abwicklungsanstalten der Banken – Hypo Real Estate, aber auch WestLB – und dort insbesondere den Schuldenschnitt für Griechenland; knapp 10 Milliarden Euro. Da wird noch einiges hinzukommen. Wie viel das insgesamt ist, wissen wir nicht. Sie haben verhindert, dass wir die notwendigen Einnahmen erzielen, um diese Risiken und die damit verbundenen Ausgaben nicht in die Zukunft verschieben, sondern heute dafür bezahlen. Die Risiken sind heute entstanden und haben den Menschen heute geholfen, vor allen Dingen denjenigen, die über hohe Vermögen verfügen; denn deren Einkommen wurden gesichert. Das ist die Gerechtigkeitsfrage, vor der wir stehen, und auf die werden wir als Sozialdemokraten mit einer klaren Vermögensbesteuerung auch eine Antwort geben.

(Beifall bei der SPD – Otto Fricke (FDP): Aber die geht doch zum Land! Was erzählst du da?)

Das will ich noch als Letztes sagen – Herr Minister, Sie sind lange auf die Schweiz eingegangen -: Keiner der Sozialdemokraten hier hat ein negatives Verhältnis zur Schweiz; im Gegenteil: ein wunderschönes Land mit fleißigen Leuten.

(Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Kavallerie!)

Nur, eines ist auch klar, nämlich dass es kein Geschäftsmodell geben kann, bei dem Politik, Bankenunterstützung und besonderer Geheimnisschutz gezielt dazu führen, dass die Steuerbasis in einem Land erodiert, dass einem Land gezielt Steuern der Vermögenden abgezogen werden und in einem anderen Land Erträge entstehen. Das ist unsozial. Das ist ungerecht. Deswegen wird es in der vorliegenden Form von uns keine Zustimmung geben.

(Beifall bei der SPD)

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister, ich weiß nicht, an welchen Verhandlungen Sie teilgenommen haben. An den Verhandlungen gestern anscheinend nicht; denn sonst hätten Sie mitbekommen, dass etwas ganz anderes beschlossen wurde als das, was Ihnen heute vorliegt und worüber Sie gesprochen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Aber der Schneider war da, ja?)

Sie sagen der Bevölkerung hier, wo wir eine der wichtigsten Entscheidungen zu treffen haben, dass damit Stabilität erreicht werde, dass davon kein Risiko für Deutschland ausgehe. Ich finde, es gehört zur Ehrlichkeit, zu sagen, dass das Ganze durch die vorliegenden Gesetzentwürfe nur unzureichend geregelt wird. Sie und auch Herr Kauder vorhin haben gesagt, es gebe in dem Fiskalvertrag eine klare Richtlinie hinsichtlich der Einhaltung von harten Vorgaben, sodass sich die Länder nicht mehr verschulden könnten. Das stimmt so nicht. Der Fiskalvertrag regelt nur, dass die jeweiligen Länder eine Schuldenbremse einführen müssen, aber nicht, dass sie sie einhalten müssen. Das ist darin nicht geregelt. Das ist eine Aufgabe, die Sie noch erfüllen müssen, meine Damen und Herren. Da bleiben Sie deutlich zurück.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe gelesen, dass Sie großen Wert auf Auflagen und Konditionen legen. Ich meine, Auflagen für Länder, die Geld bekommen, sind richtig; allerdings hatten diese Auflagen bisher immer eine falsche Schlagseite. Sie haben nie Steuerdumping in den Mittelpunkt gestellt. Sie haben nie die Kapitalmärkte und deren exzessives Wachsen in den Mittelpunkt gestellt. Sie haben nie eine stärkere Vermögens- und Kapitalbesteuerung in den Mittelpunkt gestellt. Das gehört aber hinein, auch aus Gerechtigkeitsgründen.

(Beifall bei der SPD)

Wir stimmen heute zu. Wir stimmen heute zu, damit dieser dauerhafte Stabilitätsmechanismus in die Lage versetzt wird, zu arbeiten. Das ist aber kein Freibrief für jede einzelne Entscheidung, und das ist erst recht kein Freibrief für die Ausweitung der Haftung für Banken. Das schließen wir mit diesem Gesetzentwurf aus. Wenn Sie das ändern wollen, brauchen Sie eine neue Mehrheit in diesem Bundestag. Das aber hat Frau Merkel gestern zugesagt. Sie hat das zugesagt, obwohl der Bundestag heute das Gegenteil beschließt. Ich freue mich, dass die Koalition uns an dieser Stelle stützt.

(Beifall bei der SPD)

Zu den Auflagen für die Länder. Gestern hatte Italien im sportlichen Bereich Erfolg, wofür Italien, zugegeben, Respekt gebührt. Aber auch politisch hatte Italien Erfolg, weil das Gegenteil von dem passiert ist, was die Bundeskanzlerin – ich betone: die Bundeskanzlerin – hier am Mittwoch immer wieder betont hat: dass es Geld nur gegen Auflagen gibt. Die Auflagen, die es geben soll, umfassen das Europäische Semester. Ich habe mir mal kurz angeschaut, was das für Deutschland bedeutet; denn das gilt in etwa spiegelbildlich für Italien. Die Kommission empfiehlt Deutschland, Maßnahmen zu ergreifen, um das Bildungsniveau benachteiligter Bevölkerungsgruppen anzuheben, fiskalische Fehlanreize für Zweitverdiener abzuschaffen und die Zahl der Kindertagesstätten und Schulen zu erhöhen. All das sind richtige Punkte, die die Kommission Deutschland, Ihrer Bundesregierung, vorschreibt. Sie setzen sie aber nicht um. Sie halten sich nicht daran. Was glauben Sie, warum sich ein anderes Land daran halten sollte?

Um es auf den Punkt zu bringen: Sie zeichnen eine Schimäre, wenn Sie der Bevölkerung sagen, es gebe große Auflagen. Es gibt sie de facto nicht mehr. Real wird durch das Neunergremium, das Geheimgremium, am Sekundärmarkt in einer dreistelligen Milliardengrößenordnung gehandelt werden, ohne dass es noch einen tatsächlichen Einfluss Deutschlands gibt. Das ist die Wahrheit. Ich finde, das müssten Sie der Bevölkerung vor dieser Abstimmung sagen.

Uns als Sozialdemokraten kam es in den Verhandlungen vor allen Dingen auf Folgendes an: Nicht nur die Ärmsten der Gesellschaft sollen die Last tragen, sondern auch die Kapitalspekulanten sollen mit zur Rechenschaft gezogen werden und ihren Teil an der Konsolidierung der Staatshaushalte in Europa leisten. Das ist uns mit der Zusage zur Einführung der Finanztransaktionsteuer gelungen; das ist ein großer Erfolg.

(Beifall bei der SPD)

Dies schließt die Lücke, die seit zwei, drei Jahren bestand. Sie hatten die Besteuerung der Zockerei der Kapitalmärkte offen gelassen. Für uns als Sozialdemokraten ist das eine essenzielle Bedingung ? nicht nur im Hinblick auf die Staatseinnahmen, sondern auch im Hinblick auf das Gerechtigkeitsgefüge in diesem Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin Vogelsang, Ihrer letzten Äußerung zum kulturellen Erbe Berlins schließe ich mich an. Diesbezüglich haben wir auch zugestimmt. Abgesehen davon ist aber vieles von dem, was Sie gesagt haben, nicht durch das gedeckt, was Sie hier beschließen werden.

(Otto Fricke (FDP): Mach einmal einen Ausgabenkürzungsvorschlag!)

Ihre Aussagen zu einer angeblichen Neujustierung der Finanzpolitik bzw. zu einem Schuldenabbau – dieses Wort haben Sie hier tatsächlich benutzt; man kann das im Protokoll noch einmal nachlesen – sind durch die Realität überhaupt nicht gedeckt; denn mit dem Nachtragshaushalt, den Sie hier zur Abstimmung vorlegen, wird die Neuverschuldung gegenüber dem Jahr 2011 verdoppelt.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Das stimmt doch nicht! – Otto Fricke (FDP): Verdoppelt? Nicht ganz!)

Die Neuverschuldung steigt von 17 Milliarden Euro im Jahr 2011 auf 32 Milliarden Euro.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): So gut können Sozialdemokraten rechnen! 17 plus 17 gleich 32! Das erzähl mal den Kindern!)

Das ist Fakt.

Ich gestehe gerne zu: 8 Milliarden Euro davon sind Mehrausgaben aufgrund des Europäischen Stabilitätsmechanismus. Trotzdem – das wird auch Ihnen auffalle – sind das immer noch 6 Milliarden Euro mehr, und das, obwohl Sie für 2012 ein stärkeres Wirtschaftswachstum als 2011 prognostizieren.

Sie haben mehr Steuereinnahmen. Wir hatten wieder Rekordsteuereinnahmen. Die FDP hat in solchen Fällen früher immer gefordert, dass die Steuern gesenkt werden; das sagt sie jetzt nicht mehr so laut.

(Otto Fricke (FDP): Welche Ausgaben wollen Sie kürzen?)

Außerdem sind die Kosten für die sozialen Sicherungssysteme gesunken, weil sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt verbessert hat. Das sind die zwei Hauptblöcke.

Dann kommt noch ein dritter Block hinzu: Auch die Zinsausgaben sind gesunken. Deutschland ist der Profiteur der Euro-Krise.

(Zuruf von der SPD: So ist es! – Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Das ist doch Quatsch!)

So billig, wie wir uns derzeit verschulden können, kann sich kein anderes Land verschulden. Dadurch sparen Sie noch einmal 2 Milliarden Euro. Trotzdem steigt die Neuverschuldung gegenüber dem letzten Jahr um 6 Milliarden Euro. Das ist ein Offenbarungseid.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In der Finanzpolitik sind Sie kläglich gescheitert.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Barthle zulassen?

Carsten Schneider (SPD):

Ja, natürlich. Ich glaube, er möchte meinem letzten Satz zustimmen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Bitte schön.

Norbert Barthle (CDU/CSU):

Herr Kollege Schneider, wenn Sie von einem „Offenbarungseid“ sprechen und sagen, dass die Neuverschuldung steige, dann vergleichen Sie die Sollzahlen des Jahres 2012 mit den Istzahlen des Jahres 2011. Da Sie diesen Vergleich anstellen, möchte ich Sie fragen, ob Sie auch behaupten würden, dass die Verschuldung im Jahr 2011 im Vergleich zur Verschuldung im Jahr 2010 ebenfalls gestiegen ist. Denn wenn man Soll und Ist vergleicht, kann man zu dem Schluss kommen, dass das so ist.

Tatsächlich ist es aber so, dass wir für das Jahr 2010 eine Neuverschuldung von 80 Milliarden Euro als Soll geplant hatten. Im Ist lagen wir dann bei 44 Milliarden Euro. Im Jahr 2011 sind wir mit einem Soll von 48 Milliarden Euro gestartet. Gelandet sind wir bei einem Ist von 17 Milliarden Euro. Dieses Jahr starten wir mit einem Soll von 32 Milliarden Euro. Wo wir am Jahresende landen werden, wissen weder Sie noch ich. Deshalb halte ich diesen Vergleich für nicht redlich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Carsten Schneider (SPD):

Herr Kollege Barthle, eines ist klar: Sie machen jetzt einen Haushaltsvoranschlag, eine Ermächtigung für die Regierung.

(Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Bleib bei der Wahrheit, Carsten!)

Sie wissen aber, dass die Bundeshaushaltsordnung Ihnen vorschreibt – daran sollten Sie sich halten; ich glaube, das tun Sie auch -, dass Sie exakt die Mittel einstellen, die nach Ihrer Ansicht gebraucht werden.

(Otto Fricke (FDP): Maximal!)

Dabei geht es um Haushaltswahrheit und -klarheit. Der entscheidende Punkt ist, dass wir uns schon in der Mitte des Jahres befinden. Das heißt, wir wissen schon sehr exakt, wo der Hase langläuft und wo wir in etwa landen werden.

Die entscheidenden großen Posten habe ich Ihnen genannt: Steuereinnahmen und Sozialausgaben sind die beiden größten Posten. Die entsprechenden Zahlen stehen fest. In beiden Bereichen gibt es eine Entlastung. Sie haben nämlich mehr Steuereinnahmen und geringere Sozialausgaben.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): 8,7 Milliarden nach Europa!)

Trotzdem steigt die Neuverschuldung um 6 Milliarden Euro. Das geht einfach nicht. Das zeigt, dass Sie das Geld verschludern und sich nicht wirklich darum bemühen, sauber und solide zu arbeiten.

(Beifall bei der SPD – Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Kennen Sie den Unterschied zwischen Soll und Ist? – Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Bleib bei der Wahrheit!)

Wenn Sie es nicht einmal in einer Hochphase der Konjunktur schaffen, den Haushalt auszugleichen, was soll denn dann passieren, wenn wir wieder einen Einbruch erleben?

(Otto Fricke (FDP): Was sagt uns das für NRW?)

Niemand weiß, wie dieses Jahr laufen wird. Wir haben hohe Unsicherheiten bezüglich der ökonomischen Lage in der Euro-Zone, in den USA, in China etc. Keiner weiß, wie es sich entwickeln wird. Umso wichtiger wäre es, heute damit zu beginnen, die Schulden des letzten Konjunkturprogramms zu tilgen, um, wenn es wieder schlechter läuft, Luft zum Investieren zu haben. Diese Luft nehmen Sie uns, weil Sie ein Geschäftsmodell fahren, wie es die Hypo Real Estate in ihren schlechtesten Zeiten getan hat.

(Beifall bei der SPD – Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Herr Kollege Schneider, ist das nicht ein bisschen vergriffen?)

– Woran ist die Hypo Real Estate gescheitert? Sie hat sich kurzfristig refinanziert und hatte langfristig hohe Lasten. Was tun Sie? Anstatt die langfristige günstige Refinanzierung zu nutzen, sich zum Beispiel für 30 Jahre zu verschulden und dafür 3 Prozent zu zahlen,

(Otto Fricke (FDP): Aha!)

nutzen Sie jede Möglichkeit, sich kurzfristig, für nur ein oder zwei Jahre, bei ganz niedrigen Zinsen – diese liegen fast bei null – zu verschulden, um mithilfe dieser Zinsersparnis Ihre Klientel zu beglücken.

(Otto Fricke (FDP): Die Laufzeiten haben sich verlängert! Das weißt du auch!)

Das führt aber dazu, dass die Abhängigkeit des Bundeshaushalts und die Volatilität noch viel größer werden. Bei einem Wirtschaftseinbruch wären wir auch noch mit verschlechterten Zinsniveaus konfrontiert.

Daran sehen Sie, dass Sie vollkommen unsolide und unverantwortlich haushalten und dass Sie der nächsten Bundesregierung, dem nächsten Bundestag kein gemachtes Nest hinterlassen. Vielmehr türmen sich schon heute die Probleme vor den Türen.

Deswegen sage ich: Dieser Haushalt ist eine Bankrotterklärung des Bundesfinanzministers. In der Haushaltspolitik hat er seine Ziele bei weitem nicht erreicht. In der Anhörung, die wir dazu durchgeführt haben, haben Ihre Sachverständigen klar gesagt, dass Sie das Sparpaket, das Sie vorgelegt haben, gerade einmal zur Hälfte umgesetzt haben. Der Rest der Konsolidierung, der Rückgang der geplanten Neuverschuldung, geht einzig und allein auf konjunkturelle Sondereffekte zurück.

Die Konjunktur ist mal gut und mal schlecht.

(Zuruf des Abg. Andreas Mattfeldt (CDU/CSU))

Zurzeit ist die Konjunktur gut, aber sie kann auch wieder schlecht werden. Dann steigt das strukturelle Defizit. Dann stehen wir vor der Situation, dass die Schulden, die Sie heute machen, zu Steuererhöhungen oder Minderausgaben bzw. Kürzungen führen werden. Das ist unsolide.

(Beifall bei der SPD – Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Der Finanzminister heißt heute nicht mehr Eichel oder Steinbrück, Herr Schneider! Da war das so!)

Das ist überhaupt kein Vorbild für die anderen Länder in Europa, denen Sie gerne vorhalten, sie würden nicht richtig sparen. Im Gegenteil: Das tun sie zum großen Teil. Deutschland hingegen ist das Land, das am meisten prasst. Deswegen taugen Sie und die Finanzpolitik Deutschlands hier nicht als Vorbild.

(Otto Fricke (FDP): Wir prassen?)

– Ich kann Ihnen das klar sagen, Herr Kollege Fricke: Sie prassen. Sie machen miese Geschäfte.

(Otto Fricke (FDP): Oi!)

Nehmen Sie den letzten Koalitionsgipfel im Kanzleramt als Beispiel. Was ist da vereinbart worden?

(Otto Fricke (FDP): Nichts zum Nachtragshaushalt! Gar nichts zum Nachtragshaushalt! Null zum Nachtragshaushalt!)

Da ist – entgegen dem geballten Sachverstand und dem gesunden Menschenverstand – vereinbart worden, dass in Deutschland ein Betreuungsgeld eingeführt werden soll. Dies bedeutet 1,2 Milliarden Euro Mehrausgaben.

(Otto Fricke (FDP): Im Nachtragshaushalt?)

Gegenfinanzierung? Null. Was hat die FDP als Gegenleistung dafür bekommen? Dass eine private Pflegeversicherung über Steuervergünstigungen bezuschusst wird.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Regierungsentwurf lesen! Das stimmt nicht!)

Sie können sich ja nur noch einigen, wenn es darum geht, das Geld fremder Leute auszugeben oder Kredite aufzunehmen.

(Otto Fricke (FDP): Bleib beim Thema!)

Dazu sind Sie noch in der Lage. Dies ist aber keine angemessene Antwort auf die Situation, in der wir uns befinden. Es ist mehr oder weniger ein Dahinsiechen. Sie können quasi nur noch existieren, weil die Konjunktur in Deutschland brummt. Müssten Sie wirklich harte Entscheidungen treffen, wären Sie bereits am Ende. Sie können nur noch über das Verteilen reden.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben dem ein klares und ehrliches Programm entgegengesetzt. Wir wollen die Risiken, die sich aus den Krediten, die wir Griechenland aufgrund Ihrer Beschlusslage gegeben haben – diese betragen insgesamt 15 Milliarden Euro -, absichern. In unserem Programm sehen wir die Tilgung des Konjunkturfonds vor. Dabei geht es um mehr als 2,3 Milliarden Euro. In guten Zeiten muss man die Schulden der Vergangenheit zurückzahlen. Bei Ihnen findet sich dazu gar nichts. Das haben Sie einfach so hingenommen. Darauf zahlen wir Zinsen, und nichts wird getilgt.

Wir wollen all dies auf zwei Wegen finanzieren, und zwar über einen konsequenten Subventionsabbau und eine Verbreiterung der Steuereinnahmebasis. Wir wollen zum einen ökologisch bedenkliche Subventionen abbauen und zum anderen das von Ihnen, und zwar von der FDP, eingeführte Hotelsteuerprivileg im Mehrwertsteuerbereich abschaffen.

(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Mövenpick-Steuer!)

Sie haben sich zwar davon distanziert, aber immer noch gilt der verminderte Mehrwertsteuersatz für das Übernachtungsgewerbe.

Meine Damen und Herren, in der Finanzpolitik haben Sie nichts wirklich Substanzielles geleistet. Die Steuerpolitik des Bundesfinanzministers beschränkt sich auf Nichtstun. Die Hände werden in den Schoß gelegt. Wenn ich mir vor Augen führe, wie Sie früher getönt haben – ich erinnere nur an Ihr Sparbuch -,

(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Oh ja! Das gelbe Sparbuch!)

muss ich feststellen: Nichts davon haben Sie tatsächlich umgesetzt. Von daher ist dies ein verlorenes Jahr für Deutschland, ein Jahr, das uns später noch teuer zu stehen kommen wird.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) und Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich ernsthaft gefragt, was die von der Koalition angesetzte Aktuelle Stunde bringen soll. Das Thema lautet: Euro-Bonds-Pläne der SPD.

(Beifall bei der SPD Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Juncker zum Beispiel! Nicolette Kressl (SPD): Oder Herr Oettinger! – Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oder Herr Brüderle! Alles SPD!)

Eigentlich könnte man das ganz schnell abschließen und sagen: Meine Damen und Herren, es gibt keine Euro-Bonds-Pläne der SPD; Punkt.

(Beifall bei SPD)

Herr Kollege Barthle, Sie haben eine ganze Reihe anderer Punkte angesprochen. Insbesondere angesichts der Vorbereitung des Gipfels heute Abend lohnt es sich, auf diese einzugehen. Lieber Kollege Barthle, lassen Sie mich eine klare, rechtliche Bewertung abgeben. Es gibt viele europäische Stimmen, die angesichts der schwierigen Kapitalmarktsituation dafür plädieren, gemeinsam garantierte europäische Staatsanleihen zu begeben, darunter sind viele Kollegen aus Ihren Reihen. Es gibt einen gemeinsamen Entschließungsantrag von Christlichen Demokraten, Liberalen und anderen Fraktionen im Europäischen Parlament vom 17. Januar. Darin heißt es, dass das Europäische Parlament nachdrücklich fordert,

„dass in dem Abkommen“ es geht um den Fiskalpakt – „neben Vorschlägen zu einem Tilgungsfonds, … ein Fahrplan für Stabilitätsanleihen (‚Eurobonds‘) … vorgesehen sein muss“ Unterschrift: Elmar Brok, CDU/CSU-Fraktion.

(Zurufe von der SPD: Hört! Hört! Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Sozi! – Beifall des Abg. Klaus Brandner (SPD) – Klaus Brandner (SPD): Scheinheilig!)

Ich hatte heute ein bisschen Zeit und habe im Handelsblatt geblättert. Ein EU-Kommissar er heißt Oettinger und er ist übrigens von der CDU; zumindest ist er es noch; ich glaube, er ist noch nicht entlassen worden äußert sich auf Seite 18:
„Ich rate allen Beteiligten, sich nicht grundsätzlich gegen Euro-Bonds zu positionieren.“

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

EU-Staatsanleihen seien eine „Frage des Timings“.

(Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da ist ein Sozi drin!)

Eigentlich müsste man angesichts dieser Verlautbarungen das Thema dieser Aktuellen Stunde umbenennen in: Widersprüchliche Position der CDU

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da müssen die „Men in Black“ ran!)

auf europäischer und Bundesebene zu Plänen der Einführung von Euro-Bonds.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Joachim Poß (SPD): Von der FDP auch!)

Lesen Sie das deutsche Grundgesetz! Eines ist auch nach den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, die zu den verschiedenen Stabilisierungsmaßnahmen erlassen wurden, klar: Ohne eine neue Verfassung, über die die Deutschen höchstwahrscheinlich über eine Volksentscheidung befinden müssten, ohne ein neues Grundgesetz, wird es keine gemeinsame Haftung für Anleihen anderer Länder geben. Das ist die Rechtslage in Deutschland;

(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU))

wer das ändern will, muss das Grundgesetz ändern. Teilen Sie das Ihren Kollegen auf europäischer Ebene mit!

Lassen Sie uns über die weiteren relevanten Punkte sprechen. Herr Kollege Barthle, Sie haben eben gesagt, das wäre wie Gift für neue Schulden. Wenn Sie sagen, dass Euro-Bonds eine gemeinsame Haftung bedeuten, dann frage ich mich, was mit den Schulden ist, die mit Ihrer Zustimmung aufgenommen wurden das war Ihre Vorlage: Griechenland-I-Paket mit 15 Milliarden Euro, Griechenland-II-Paket mit 17 Milliarden Euro, und die Europäische Zentralbank hat für 55 Milliarden Euro Anleihen Griechenlands gekauft.

(Otto Fricke (FDP): Nach Anteilen!)

55 Milliarden Euro sind es insgesamt, 15 Milliarden Euro beträgt der deutsche Anteil, sehr geehrter Herr Kollege Fricke.

(Otto Fricke (FDP): Immer nach Anteilen!)

Das sind neue Schulden, für die Sie jetzt gemeinschaftlich haften. Das ist mit Ihren Stimmen beschlossen worden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Otto Fricke (FDP): Nein, eben nicht! Nach Anteilen! Nicht gemeinschaftlich, Carsten! – Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Haltet den Dieb, oder was?)

In Wirklichkeit tun Sie das Gegenteil von dem, was Sie hier behaupten.
Ich finde, dass Sie mit dieser Aktuellen Stunde dem Problem Europas nicht gerecht werden. Ich denke dabei insbesondere an die schwierige Situation, die nach der Parlamentswahl am 17. Juni 2012 in Griechenland auf uns zukommt, wie auch immer sie ausgehen mag. Wir befinden uns in Europa in einer extrem schwierigen Situation. Es wäre gut gewesen, wenn die Bundeskanzlerin und Herr Sarkozy im Oktober des vergangenen Jahres nicht verhindert hätten, dass in Griechenland eine Volksabstimmung, ein Referendum, über den Verbleib in der Euro-Zone stattfindet. Das haben Sie verhindert.

(Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Quatsch!)

Dass das Referendum nicht stattfand, war Folge Ihrer Intervention. Herr Papandreou wurde damals nach Cannes zitiert. Das war ein politischer Fehler. Heute wollen Sie das ändern, weil das demokratische Griechenland andere Entscheidungen getroffen hat. So wird das nicht gehen. Das ist Resultat Ihrer Politik.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass die Welt schon in drei Wochen sehr viel anders aussehen wird und wir dann vor schwierigeren Entscheidungen stehen werden. Dann wird es nicht um die grundsätzliche Frage „Euro-Bonds, ja oder nein?“ gehen. Dann wird es um die Frage gehen, ob die Euro-Zone tatsächlich noch Bestand hat und welche Maßnahmen notwendig werden. Diese wären, hätte man früher und mit politischer Weitsicht agiert, so nicht notwendig geworden. Dass Sie nicht agiert haben, war ein deutliches Versäumnis und wahrscheinlich der größte Fehler in der Regierungszeit von Angela Merkel.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte war als die Einbringung des Nachtragshaushaltes durch die Bundesregierung angekündigt. Ich hatte mehr den Eindruck, der Staatssekretär hat das Plenum mit dem Marktplatz von Minden verwechselt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind hier, sehr geehrter Herr Kampeter, im Deutschen Bundestag.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Ihnen bewusst war, was Sie im Kabinett beschlossen haben; denn das, was Sie gesagt haben, stimmt überhaupt nicht mit dem überein, was Sie uns hier vorlegen.

(Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs (SPD): So ist das bei dieser Regierung!)

Da Sie in 2011 – das ist das vorherige Jahr gewesen – in Deutschland für den Bund knapp 17 Milliarden Euro neue Schulden gemacht haben – neue Schulden! –

(Otto Fricke (FDP): Statt Eurer geplanten 50!)

und im Jahr 2012 mit dem Nachtragshaushalt, den Sie jetzt hier einbringen sollten, über 34 Milliarden Euro neue Schulden machen – Sie haben in Ihrer Rede gar nicht gesagt haben, wie hoch die Neuverschuldung ist, deshalb habe ich die Zahl genannt -,

(Johannes Kahrs (SPD): So, so!)

ist das, was eine Verheißung sein sollte, nämlich dass Sie in NRW Finanzminister werden sollen, für die Menschen eher eine Drohung. Ich glaube, das Ergebnis wird deutlich ausfallen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich kann gut verstehen, dass man, wenn man einer Regierung angehört, die nur noch verwaltet und sich streitet, aber nicht mehr wirklich handelt, darüber nicht reden will, sondern sich über die Kuppel des Reichstags erhebt und gesamteuropäische Ansätze vertritt, dass man mit dem Finger auf andere zeigt und sie zum Sparen auffordert, selbst aber in Deutschland das genaue Gegenteil tut. Von daher kann ich den Duktus Ihrer Rede gut verstehen.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Das stimmt ja überhaupt nicht, Herr Kollege!)

Das ist ein Armutszeugnis dieser gerade noch zusammengehaltenen Regierung; das muss man leider so sagen. Noch immer tragen Sie – das glaubt man fast nicht, auch wenn man sich die Parteivorsitzenden anschaut – die Verantwortung für dieses Land. Aber der Haushalt, den Sie hier vorlegen, ist verantwortungslos: über 34 Milliarden Euro neue Schulden in 2012! Das legen Sie dem Deutschen Bundestag vor und wollen es beschließen lassen. Das ist der Verzicht auf gestaltende Finanzpolitik. Das ist vor allen Dingen der Verzicht darauf, zukünftigen Generationen finanziellen Spielraum zu geben.

Eines ist doch klar: Wir haben derzeit eine sehr gute ökonomische Lage.

(Otto Fricke (FDP): Ach!)

Sie haben auf die Ursachen hingewiesen. Ich hoffe auch, dass diese gute Konjunktur anhält. Die Zeichen stehen nicht schlecht. Aber dass wir uns dauerhaft und für immer auf einem Wachstumspfad befinden und immer mehr Steuern einnehmen – in diesem Jahr haben wir Rekordsteuereinnahmen und eine Entlastung bei den Sozialausgaben -, gibt es nicht. Die Wirtschaftswissenschaftler haben viele Fehler gemacht. Aber dass es in der Wirtschaft ein Auf und Ab und ein Hoch und Runter gibt, ist ziemlich klar. Deswegen wäre jetzt in der Phase des höchsten Wachstums, das wir in Deutschland jemals hatten, mit den höchsten Steuereinnahmen, die es jemals gab, die Gelegenheit –

(Otto Fricke (FDP): An die Ausgaben ranzugehen!)

– nicht an die Ausgaben rangehen, Herr Kollege Fricke; das hätten Sie mit Hilfe Ihres Sparbuchs, das Sie hier vorlegen wollten, machen können, aber das haben Sie eingemottet -,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke (FDP): Sollen wir die Steuern erhöhen?)

die absurd hohe Verschuldung des Bundes in Deutschland herunterzufahren und so schnell wie möglich auf Null zu kommen.

Sie haben als FDP über Ostern ein interessantes Schauspiel geliefert. Vor Ostern wollten Sie mit der Pendlerpauschale die Subventionen erhöhen, aber ohne Gegenfinanzierung. Ich bin zwar bereit, über alles zu reden, aber dann bitte mit einer entsprechenden Gegenfinanzierung statt mithilfe neuer Löcher.

Nach Ostern wollten Sie bzw. Ihr Parteivorsitzender den gerade beschlossenen Finanzplan wieder korrigieren. Auf dem Parteitag sollte das dann beschlossen werden: 2014, in zwei Jahren, soll die Neuverschuldung auf null sinken. Das ist dann nicht beschlossen worden, weil auf dem FDP-Parteitag dafür keine Zeit mehr war. Jetzt machen Sie 34 Milliarden neue Schulden.

(Gisela Piltz (FDP): Herr Schneider, das hat der Bundesvorstand beschlossen! Das muss Ihnen doch auch reichen!)

Ich weiß nicht, wo Ihre Prioritäten liegen. Aber es war jedenfalls ein Misstrauensbeweis des Koalitionspartners gegenüber dem Bundesfinanzminister.

(Beifall bei der SPD)

Ich meine, damit haben Sie recht gehabt. Denn die Finanzpolitik, die Sie vorgelegt haben und die insbesondere mit dem Nachtragshaushalt ihre Fortsetzung findet, ist auf Schuldenbergen gebaut, nicht auf Solidität. Dafür unternehmen viele andere Länder in Europa derzeit große Anstrengungen. Sie tun das Gegenteil.

(Otto Fricke (FDP): Deshalb will ganz Europa unsere Zahlen haben!)

Der Punkt Subventionsabbau, den wir in unserem Steuer- und Finanzkonzept der SPD mit 50 Prozent der Gesamtkonsolidierung berücksichtigen, kommt nicht vor. Im Gegenteil: Ich will nicht noch einmal die Hoteliersvergünstigungen ansprechen, aber Sie haben die Subventionen ausgeweitet, statt zielgerichtet in die Zukunft zu investieren.

Diese Woche haben Sie, zumindest der Fraktionsvorsitzende der CDU, ein besonderes Schauspiel geliefert. Das Betreuungsgeld soll 2014  1,2 Milliarden Euro zusätzliche Kosten verursachen, bezahlt aus neuen Schulden. Eine Gegenfinanzierung haben Sie nicht.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Das steht als GMA im Haushalt, Herr Kollege! Nachlesen!)

Die Zustimmung dafür soll jetzt mit langfristigen Zusagen für höhere Rentenzahlungen erkauft werden.

Damit bringen Sie zwei ungedeckte Schecks vor die Öffentlichkeit, nur um den Koalitionsfrieden durchzusetzen. Das ist keine Zukunftsgewandtheit, sondern ein Blankoscheck dieser Koalition, für den die Steuerzahler zu zahlen haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Der Herr Staatssekretär hat positive Punkte wie die Steuereinnahmen erwähnt. Er hat auch die Bundesbank angesprochen. Nur für das Publikum: Der Bundesbankgewinn, der dem Bundeshaushalt zufließt, wird deutlich niedriger sein, und zwar um etwa 2 Milliarden Euro. Das liegt daran, dass die Bundesbank Rückstellungen für Risiken aus dem Euro-System bildet. Das heißt, wir sehen diesmal nicht nur mit der Überweisung der 8 Milliarden Euro an den Stabilitätsmechanismus, sondern auch bei dem um 2 Milliarden Euro geringeren Bundesbankgewinn, dass die Finanz- bzw. Euro-Krise im deutschen Bundeshaushalt ankommt. Bisher haben Sie immer gesagt, die Krisenreaktion koste kein Geld. Hier sehen wir: Es werden real über 2 Milliarden Euro fehlen.

Entscheidend ist, dass wir uns noch in der Großen Koalition, im Rahmen der Finanzkrise intensiv für Wachstumspakete und Wachstumsstimuli eingesetzt haben. Das haben Sie jetzt verdammt.

(Otto Fricke (FDP): Mehrausgaben!)

Wir haben das damals klug gemacht. Es hat dazu geführt, dass wir 2011 kaum zusätzliche Arbeitslose hatten. Es hat funktioniert.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben damals darauf Wert gelegt, dass alles in ein Sondervermögen kommt und dass diese konjunkturell bedingten Schulden wieder getilgt werden, wenn bessere Zeiten kommen. Wir haben jetzt bessere Zeiten, und der Bundesbankgewinn sollte eigentlich dort hineinfließen. Das ist aber nicht der Fall. Ich erwarte – das werden wir als SPD auch vorschlagen -, dass wir im Rahmen der Beratungen die Schulden, die aufgenommen wurden, um in der Wirtschaftskrise gegenzusteuern, zurückführen. Auch darauf gibt es von Ihnen keine Antwort.

(Otto Fricke (FDP): Und wie willst du zurückführen?)

Nein, es geht immer nur um höhere Schulden. Es gibt keine Zukunftsorientierung und keine Rückstellungen für zusätzliche Risiken, die es wegen des Engagements in Griechenland und anderen Ländern natürlich gibt.

(Otto Fricke (FDP): Mach doch mal einen Vorschlag zum Zurückführen! Keinen Vorschlag!)

Von daher ist das auf Sand gebaut, meine Damen und Herren. Der Kitt der Koalition ist das Geld und die hohe Verschuldung, die gemacht wird, um noch irgendwie zusammenzubleiben.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Die Zahlen und Fakten sprechen eine eindeutige Sprache, Herr Kollege!)

Es wäre nicht nur gut für dieses Land, sondern auch für die dauerhafte Tragfähigkeit unserer öffentlichen Finanzen, dass wir einen leistungsfähigen Staat erhalten können, von der Neuverschuldung herunterkommen und dadurch in der Zukunft geringere Zinsausgaben haben. Das wird nur gelingen, wenn dieses Land wieder handlungsfähig ist. Dazu müssen Sie abtreten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kauder, die SPD ist sich sehr wohl der Verantwortung bewusst, die wir für Europa, also auch für die Stabilität unserer Wirtschaft und Währung, haben.

(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Dann nehmen Sie sie auch wahr!)

Deswegen haben wir auch nie geleugnet, dass wir Schutzmauern brauchen, um den Absurditäten der Finanzmärkte etwas entgegenzusetzen. Wer das geleugnet hat, waren Sie!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kollege Trittin hat die Zitate gebracht: Der erste Fonds wäre nur für den Übergang, der würde nicht dauerhaft da sein. – Die 500 Milliarden Euro, die jetzt dauerhaft da sind, hat die Bundeskanzlerin nach dem Europäischen Rat noch als sakrosankt erklärt.

(Joachim Poß (SPD): Ja!)

Das ist drei Monate her. Jetzt sind wir bei einer Summe – zumindest im Übergang bis zum 30. Juni 2013 – von 940 Milliarden Euro, für die die Europäische Gemeinschaft und auch Deutschland haften – Deutschland mit 400 Milliarden Euro.

Herr Minister Schäuble, Sie haben Ihre Rede heute nicht an das deutsche Volk oder an den Bundestag gehalten, sondern an Ihre eigene Truppe.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sich die Umfragen in der Bevölkerung anschauen, dann stellen Sie fest, dass die Zustimmung zu den Maßnahmen – vorsichtig formuliert – sehr zurückhaltend ist. Ich glaube, dass Sie, die Bundesregierung, aber auch die Koalition, eine große Verantwortung dafür tragen. Sie sagen nicht klar, warum es notwendig ist, dass wir anderen Staaten helfen, wenn sie von den Finanzmärkten erpresst und ausgetrocknet werden. Das ist der Vorwurf, den wir Ihnen machen. Es ist zu kurzfristig; es ist wieder nicht überzeugend. Und insbesondere auf die Frage, wie wir da eigentlich wieder rauskommen – Thema Wachstum -, dass die Politik am Gängelband der Märkte durch die Manage getrieben wird und dass Staats- und Regierungschefs morgens erst auf den Ticker schauen, wie die Kurse von Anleihen stehen, bevor sie politische Entscheidungen treffen, geben Sie keine Antwort. Das ist uns zu wenig!

(Beifall bei der SPD)

Herr Kauder sagte gerade, wir kommen jetzt aus der Phase der Risiken und Krisenmechanismen in eine dauerhafte, stabile Situation. Ich hoffe das sehr – allein mir fehlt der Glaube. Ich glaube, wir haben es derzeit mit einer Scheinruhe zu tun, einer Scheinsicherheit, die vor allem daher rührt, dass die Europäische Zentralbank die politischen Fehler des Nichthandelns, die Sie gemacht haben, korrigiert, indem sie die Märkte mit Geld flutet: mit 1 Billion Euro.

(Michael Roth (Heringen) (SPD): Ohne Konditionierung!)

– Und das ohne politische Konditionierung.

(Petra Merkel (Berlin) (SPD): Richtig!)

Was ist jetzt passiert? Erstens gibt es eine lauernde Inflationsgefahr; zweitens verdienen sich die Banken, die Sie quasi als Mittler nutzen, dumm und dämlich. 1 Prozent zahlen sie bei der Europäischen Zentralbank, 4 Prozent bekommen sie von den Staaten. Wer da kein gutes Geschäft macht, ist selber schuld. Diese nutzen also ganz gezielt diesen Marktmechanismus, und Sie nehmen das in Kauf.

Was ich dann aber erwarte, Herr Minister Schäuble, ist, dass Sie dafür sorgen, dass die Banken einen Teil der Verantwortung tragen.

(Beifall der Abg. Mechthild Rawert (SPD))

Das bedeutet, dass sie die Gewinne, die sie jetzt machen, eben nicht an ihre Aktionäre ausschütten. Es muss ein Dividendenausschüttungsverbot geben, damit das Eigenkapital gestärkt wird

(Petra Merkel (Berlin) (SPD): Richtig!)

und die Manager am Ende des Jahres nicht dastehen und sagen: „Wir haben super Geschäfte gemacht, jetzt regnet es wieder Boni vom Himmel!“ – Das müssen Sie ändern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE))

Neben dem Europäischen Stabilitätsmechanismus soll es jetzt also auch den Fiskalpakt geben. Der wird uns als Bundestag sehr binden. Ich glaube auch, das ist zwingend notwendig, wenn man – und dafür stehe ich – die Europäische Union und die europäische Währung erhalten will. Da muss der Grundfehler, eine Währung, aber ganz unterschiedliche Haushalts- und Finanzpolitiken zu haben, beseitigt werden. Das bedeutet dann natürlich auch zwingend die teilweise Abgabe des Budgetrechts, das wir hier als Königsrecht verstehen. Das bedeutet auf lange Sicht – das hat Frank-Walter Steinmeier deutlich gemacht – eine neue Europäische Union.

(Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Ist das mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung?)

Das bedeutet aber auch eine neue Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Europäischen Union. Ich finde, wir müssen darüber sprechen, wie wir diese ausgestalten, damit sie nicht nur den Märkten dient, sondern vor allen Dingen auch den Menschen in Europa.

(Beifall bei der SPD)

Der Fiskalpakt, den Sie jetzt vorgelegt haben, geht bei weitem nicht weit genug. 90 Prozent dessen, was darin steht, ist schon europäisches Recht. Sie hätten im Oktober, als das „Sixpack“ der Europäischen Kommission im Europäischen Parlament verhandelt wurde – hier geht es darum, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu verändern -, die automatischen Sanktionen verankern können. Aber es waren Frau Merkel und Herr Sarkozy, die das bei ihrem Strandspaziergang in Deauville weggewischt haben. Wir diskutieren hier über ein Phantomthema. Man hätte es schon längst auch mit den Briten innerhalb des europäischen Rahmens regeln können. Dies wäre bedeutend besser gewesen als das, was Sie hier parallel vorlegen.

(Beifall bei der SPD)

Dazu, dass sich Deutschland – das betrifft Sie, Herr Minister Schäuble; Sie sind als Eurogruppenchef im Gespräch – als Stabilitätsanker darstellt, kann ich nur sagen: Sie sind mit Ihrer Politik, insbesondere mit Ihrer Haushaltspolitik, ein schlechtes Vorbild. Wer 2011 17 Milliarden Euro Schulden aufnimmt und mit dem Nachtragshaushalt 2012, den wir hier beraten werden, 34 Milliarden Euro Schulden aufnimmt  – das ist eine Verdoppelung der Schulden, obwohl aufgrund der guten Konjunktur die Steuereinnahmen steigen -, der sollte anderen keine Vorschriften machen und den Eindruck erwecken, als wäre das alles normal.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE))

Im Gegenteil: Sie taugen nicht als Vorbild. Deswegen meine ich, Sie müssen dies korrigieren, um auch in Europa glaubhaft zu sein, und insbesondere die Vorschläge von Frank-Walter Steinmeier berücksichtigen, Gespräche zu mehr Wachstum aufzunehmen, damit wir unser Geld wiederbekommen und es keine dauerhaften Transfers werden. Das ist ein zwingender Punkt neben der Besteuerung der Finanzmärkte.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

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