Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Meister, wenn Sie denn einmal auf die Vorschläge zurückgegriffen hätten, die wir in den vergangenen Jahren gemacht haben, dann sähe es um Deutschland und die Finanzen des Bundes bedeutend besser aus.

(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle (CDU/CSU): Schlechter!)

Sie haben gerade auf die Erhöhung der Neuverschuldung im Land NRW hingewiesen. Darf ich Sie einmal an Ihrem eigenen Handeln messen? Für das Jahr 2012, also das Jahr, in dem wir uns befinden, haben Sie mit dem Nachtragshaushalt verabschiedet: 32 Milliarden Euro neue Schulden – das hat Minister Schäuble eben noch einmal gesagt – haben Sie hier beschlossen.

(Otto Fricke (FDP): Sind Sie gegen den Nachtragshaushalt?)

Kennen Sie noch die Zahl des Jahres 2011?

(Otto Fricke (FDP): Ja!)

17 Milliarden Euro neue Schulden. Im Jahr 2012: 32 Milliarden Euro neue Schulden. Das ist eine Erhöhung, oder?

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Ist, nicht Soll!)

Die Steuereinnahmen sind explodiert, die Zinsausgaben sind gesunken, und die Sozialausgaben haben Sie gekürzt. Ich frage mich, wo Sie konsolidieren wollen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke (FDP): Welche Sozialausgaben?)

Wenn man sich die Situation sehr ernsthaft anschaut, stellt man fest: Wir haben in den letzten beiden Jahren extrem profitiert: von der Euro-Krise, bei den Zinsen. Aber bei den Zinsen tickt eine Zeitbombe. Wir haben außerdem von den Nachholeffekten aus der Konjunkturdelle – Herr Minister Schäuble ist vorhin darauf eingegangen – enorm profitiert. Ihre Aufgabe wäre es gewesen, in der Zeit, in der die Konjunktur geboomt hat, die Verschuldung stärker zu senken, damit wir, wenn es einmal schlechter läuft, Rücklagen haben, um aktiv handeln zu können. Diese Zeit haben Sie vergeudet. Nichts davon ist passiert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ? Otto Fricke (FDP): Jetzt kommen Vorschläge!)

Betrachten wir nur einmal die Zinsausgaben: Es gibt natürlich eine Friktion innerhalb der Euro-Zone. So wie die Spanier zu viel Zinsen zahlen, so zahlen wir zu wenig. Allein die Entlastung durch geringere Zinsausgaben gegenüber der Finanzplanung, die Sie 2011 für dieses Jahr aufgestellt haben, beträgt 10,7 Milliarden Euro. Angesichts dessen erschließt sich, warum Ihre Ausgaben insgesamt in etwa gleich bleiben, auch wenn sie in bestimmten Ressorts steigen. Der entscheidende Punkt aber ist, dass Sie das Zinsänderungsrisiko – also das Risiko, dass die Zinsen wieder einmal steigen, und das werden sie über kurz oder lang -,

(Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Richtig!)

in Kauf nehmen und versäumen, uns von den Finanzmärkten unabhängiger zu machen.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Bis 2016 sind 10 Milliarden Euro Zinsen fällig!)

Im Gegenteil, Sie, Herr Minister, haben durch eine Entscheidung, die Sie im Sommer getroffen haben, den direkten Zugang des Bürgers über die Bundesschatzbriefe – dadurch konnte der Bürger ohne Banken, ohne Finanzsektor beim Staat Geld anlegen, ihm Kredite geben – ab Ende diesen Jahres zerstört. Das ist ein weiterer Teil der Klientelpolitik, die Sie für den Finanzsektor und gegen die Interessen der Bürger in Deutschland betreiben.

(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle (CDU/CSU): Quatsch! Die Zinsausgaben steigen bis 2016 von 31 auf 41 Milliarden!)

– Herr Kollege Barthle, die Zinsausgaben steigen vor allen Dingen, weil Sie immer neue Schulden machen, die natürlich auch finanziert werden müssen. Das sollten Sie in Ihre Berechnung einbeziehen. Der Vorschlag der SPD, das, was wir als Alternative zu dem, was Sie heute hier präsentiert haben, einbringen werden, ist ein konsequenter Subventionsabbau. Sie haben mit dem sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz, lieber Kollege Meister, doch neue Subventionen eingeführt. Denken Sie an das Hotelsteuerprivileg von 1 Milliarde Euro.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) – Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Ich bitte um Vorschläge!)

Davon wollen Sie zwar jetzt nichts mehr hören, aber es ist geltendes Recht in Deutschland. Wir wären sofort dabei, wenn es darum ginge, das zu ändern und diese Subvention abzubauen.

Ich gebe Ihnen ein weiteres Beispiel. Auch Sie haben vorhin gesagt: Gut ist alles, was Arbeit schafft. – Arbeit ist generell gut. Sie gehört zum Leben dazu. Entscheidend ist aber, dass anständige Löhne gezahlt werden. Dadurch, dass Sie verhindern, dass wir hier in Deutschland zumindest einen Mindestlohn haben – wer arbeitet, erhält zumindest so viel, dass er davon leben kann -, entstehen dem Staat Ausgaben von über 8 Milliarden Euro. Das ist eine der größten Einzelsubventionen, die wir im Bundeshaushalt haben, die Sie nirgendwo ausgewiesen haben. Das wollen wir ändern.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE))

Sie haben keinerlei Vorsorge getroffen. Ich habe am Anfang Ihrer Konjunktureinschätzung zur Weltwirtschaft ein bisschen zugehört, Herr Minister Schäuble. Dass sich das eintrübt, kann man sehen. Die OECD reduziert ihre Prognose auf 0,8 Prozent. Wir werden das sehen. Wir haben das zumindest weltwirtschaftlich nicht in der Hand. Aber Sie hätten dafür Vorsorge treffen können, hätten früher und eindeutiger auch für eine gerechte Besteuerung in Deutschland sorgen können und müssen.

Wir haben neben dem Haushalt noch zwei weitere Faktoren, die in den nächsten Jahren zu einer Belastung werden. Der eine Faktor ist der Investitions- und Tilgungsfonds. Den haben wir damals in der Großen Koalition aufgelegt. Er kostete 20 Milliarden Euro, die über Schulden finanziert wurden. Davon haben Sie keinen Cent getilgt, obwohl die Konjunktur brummt. Erst 2016 wollen sie das erste Mal tilgen. Ich hoffe, dass wir dann immer noch Aufschwung haben. Aber wenn ich mir die Zyklen so angucke, habe ich ernsthafte Zweifel, dass es einen dauerhaften Aufschwung über sechs oder sieben Jahre gibt. Auch da machen Sie sich also schuldig, wenn es um eine nachhaltige Finanzpolitik geht.

Der zweite Faktor sind die Risiken, die wir durch die Euro-Krise haben. Wir haben sehr direkte Ausgaben durch die Abwicklungsanstalten der Banken – Hypo Real Estate, aber auch WestLB – und dort insbesondere den Schuldenschnitt für Griechenland; knapp 10 Milliarden Euro. Da wird noch einiges hinzukommen. Wie viel das insgesamt ist, wissen wir nicht. Sie haben verhindert, dass wir die notwendigen Einnahmen erzielen, um diese Risiken und die damit verbundenen Ausgaben nicht in die Zukunft verschieben, sondern heute dafür bezahlen. Die Risiken sind heute entstanden und haben den Menschen heute geholfen, vor allen Dingen denjenigen, die über hohe Vermögen verfügen; denn deren Einkommen wurden gesichert. Das ist die Gerechtigkeitsfrage, vor der wir stehen, und auf die werden wir als Sozialdemokraten mit einer klaren Vermögensbesteuerung auch eine Antwort geben.

(Beifall bei der SPD – Otto Fricke (FDP): Aber die geht doch zum Land! Was erzählst du da?)

Das will ich noch als Letztes sagen – Herr Minister, Sie sind lange auf die Schweiz eingegangen -: Keiner der Sozialdemokraten hier hat ein negatives Verhältnis zur Schweiz; im Gegenteil: ein wunderschönes Land mit fleißigen Leuten.

(Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Kavallerie!)

Nur, eines ist auch klar, nämlich dass es kein Geschäftsmodell geben kann, bei dem Politik, Bankenunterstützung und besonderer Geheimnisschutz gezielt dazu führen, dass die Steuerbasis in einem Land erodiert, dass einem Land gezielt Steuern der Vermögenden abgezogen werden und in einem anderen Land Erträge entstehen. Das ist unsozial. Das ist ungerecht. Deswegen wird es in der vorliegenden Form von uns keine Zustimmung geben.

(Beifall bei der SPD)

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