Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beginnen möchte ich mit einer kurzen Erwiderung zum europäischen Gipfel gestern. Soweit ich es festgestellt habe, gab es gar keine Ergebnisse, außer der Ankündigung, dass der Termin, zum 1. Januar 2013 eine europäische Bankenaufsicht einzuführen, auch auf Druck der Bundesregierung verschoben worden ist.

Warum ist das so? Darauf hat der französische Präsident gestern hingewiesen. Er sagte, in Deutschland stehe ein Wahltermin an. Warum ist dieser Wahltermin für Deutschland so wichtig? Es handelt sich um die Bundestagswahl, es stehen also wichtige Entscheidungen an.

Was hat die Kanzlerin beim letzten Gipfel zugesagt? Sie hat zugesagt, dass es eine Direktkapitalisierung von europäischen Banken aus europäischen Steuermitteln geben soll. Die größten europäischen Banken werden sich dann, wenn sie Probleme haben, beim deutschen Steuerzahler bedienen können. Ich finde, das hätten Sie auch einmal sagen müssen. Diese Direktkapitalisierung lehnen wir strikt ab.

(Beifall bei der SPD)

Es war ein Fehler, Ende Juni diesen Beschluss zu fassen. Er bedeutet eine Aufhebung des Zusammenhangs von Risiko und Haftung und führt zu einem direkten Zugriff auf deutsches Steuerzahlergeld durch europäische Banken. Das wollen wir nicht. Wir wollen nicht, dass der Stabilitätsmechanismus, der eigentlich für Staaten gedacht ist, auf diese Weise zu einem Selbstbedienungsladen für Banken wird. Deswegen werden wir darauf bestehen, dass diese Entscheidung korrigiert wird.

Ich komme jetzt zum Nachtragshaushalt. Ja, wir stimmen den einzelnen Maßnahmen zu, die hier geändert werden sollen. Nein, wir stimmen der hohen Kreditaufnahme nicht zu. Sehr verehrter Herr Kollege Kampeter, Sie haben nicht gesagt, dass die Zahl von 32 Milliarden Euro, die Sie jetzt als Kreditaufnahme veranschlagen, fast doppelt so hoch ist wie die Zahl, die 2011 veranschlagt wurde.

Herr Kampeter, Sie haben auch nicht gesagt, dass Herr Schäuble in seiner Amtszeit 112 Milliarden Euro Schulden gemacht hat und die Aufnahme weiterer Schulden plant, wozu die Regierung Ja gesagt hat. Sie haben auch nicht gesagt, dass es bei den Zinsen Entlastungen in Höhe von über 20 Milliarden Euro gab. Dies ist kein Ausweis solider Finanzpolitik, das ist das Gegenteil.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die SPD hat in den Haushaltsberatungen 2012 Anträge eingebracht: zum Steuersubventionsabbau, zu Steuererhöhungen im Spitzenbereich, zu Ausgabenkürzungen, um die Kreditaufnahme um 7 Milliarden Euro zu senken. Sie haben alles abgelehnt.

Im Rahmen der Beratungen zum Nachtragshaushalt werden wir nach Möglichkeiten suchen – und sie auch finden -, um die Kreditaufnahme auf ein erträglicheres Niveau zu senken. Wir wollen Ihnen zumindest verwehren, auf Kosten künftiger Generationen mit dem Geld so zu schludern, wie Sie es jetzt tun. Deswegen werden wir dem Nachtragshaushalt, so wie er jetzt vorliegt – mit einer hohen Kreditaufnahme -, nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Zum Zweiten eine kurze Anmerkung zum Flughafen Berlin-Brandenburg. Die Entwicklung dort ist sicherlich kein Ruhmesblatt. Aber ich finde, zur Verantwortung des Bundes, den Sie vertreten, gehört es ja wohl dazu, darauf hinzuweisen, dass der Bund mit je einem Staatssekretär aus dem Finanzministerium und dem Verkehrsministerium ebenso im Aufsichtsrat vertreten war und ebenso nicht gehandelt hat oder die Fehler mit hingenommen hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Machen Sie sich da nicht vom Acker. Sie gehören genauso mit dazu.

Drittens: Fiskalvertrag. Ja, hier geht es um eine wichtige Entscheidung für die Europäische Union, aber auch für uns hier in Deutschland. Der Fiskalvertrag – Sie haben darauf hingewiesen – setzt weitestgehend auf der deutschen Schuldenbremse auf; die Möglichkeit der strukturellen Verschuldung ist sogar noch höher als nach deutschem Recht. Das Einzige, was wir wirklich ändern müssen, ist der Korrekturmechanismus, der greift, wenn es innerhalb eines Jahres zu Veränderungen kommt oder die vorgegebenen Zahlen nicht eingehalten werden.

Ich finde, man muss sich das ganz genau anschauen. In den vergangen Jahren haben wir erlebt, dass der Bundestag bei den Entscheidungen, die er tagtäglich, manchmal auch über Nacht, zu treffen hat, etwa zur Bankenrettung und insbesondere zur Euro-Stabilisierung, zunehmend Getriebener ist. Oftmals war es so, dass wir sehr weitgehend von der Expertise der Bundesregierung, aber auch externem Sachverstand abhängig waren. Ich finde, dass es richtig ist, in Notsituationen zu entscheiden. Ich finde aber auch, dass man die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen muss. Eine dieser Konsequenzen kann nur sein, den Bundestag als Ort der Debatte und der Entscheidungen, für die wir alle im Endeffekt geradestehen, institutionell so zu stärken, dass er diese Aufgabe wahrnehmen kann.

Wenn ich mir einerseits das Gesetz anschaue und andererseits die Vorgabe der Europäischen Union zur Kenntnis nehme, ein unabhängiges Gremium einzurichten, das die Finanzpolitik begutachtet, evaluiert und letztendlich Bewertungen abgibt, dann komme ich zu dem Schluss: So wie Sie es bisher vorgeschlagen haben – ich vermute, es handelt sich um eine Einigung mit den Bundesländern -, ist es doch sehr stark auf die Exekutive orientiert und fixiert. Die Benennung der Mitglieder des unabhängigen Gremiums erfolgt durch die Bundesregierung und den Bundesrat. Letztendlich sind nur drei von neun Mitgliedern wirklich unabhängig, und sie berichten dem Bundestag im Zweifel gar nicht; wir haben auch gar keinen Einfluss darauf. Da aber die Finanzpolitik – Steuern, Verschuldung – Kernbereich der parlamentarischen Demokratie und unserer Entscheidungsbefugnisse ist, muss dieses Gremium mit seiner Kontrollmöglichkeit beim Bundestag eingerichtet werden, damit der Bundestag letztendlich darüber debattieren kann.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Otto Fricke (FDP))

Ich sage das wirklich vollkommen wertungsfrei. Denn es gibt unabhängig davon, wer gerade zur Regierung oder zur Opposition gehört – ich habe lange genug im Bundestag eine Regierung mitgetragen -, immer Debatten zwischen Opposition und Regierung. Hier geht es aber um eine Grundsatzentscheidung – wahrscheinlich für die nächsten 20 oder 30 Jahre – über die Frage, in welchem Verhältnis der Bundestag, das Parlament, zur Regierung steht und inwieweit er langfristig strukturell in der Lage ist, mit Expertise in die Debatten einzugreifen, die auf europäischer Ebene, in der Wissenschaft und insbesondere zwischen Bund und Ländern stattfinden. Ich finde, jetzt ist die Gelegenheit, eine solche Grundsatzentscheidung zu treffen. Deswegen hoffe ich, dass es uns allen gelingt, dort eine Veränderung vorzunehmen, um den Bundestag zu stärken, und zum Beispiel dem Vorschlag der SPD zu folgen, einen nationalen Rat für Finanzpolitik einzurichten, der es ermöglicht, dass wir auch in der Öffentlichkeit kritisch, aber konstruktiv über eine Finanzpolitik für Deutschland diskutieren, mit der es in Zukunft gelingt, wirklich glaubwürdig und solide hauszuhalten.

In diesem Sinne: Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

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