Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir 2009 hier im Bundestag die Schuldenbremse beschlossen haben, waren wir in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Wir hatten bei der Wirtschaftsleistung Deutschlands einen Rückgang um knapp 5 Prozent, das heißt den stärksten Konjunktureinbruch, den es jemals gab. Wir haben 2010 einen Haushalt aufgestellt, der auf diese schlechte wirtschaftliche Lage mit einem Konjunkturprogramm und einer Neuverschuldung von über 80 Milliarden Euro reagiert hat.

Heute geht es um den Haushalt 2015, und wir befinden uns in der Situation, dass wir das erste Mal seit vier Jahrzehnten einen Haushalt ohne Neuverschuldung aufgestellt haben. Das ist ein gewaltiger Akt. Ich hätte mir 2009, als wir das vorgenannte hier im Bundestag beschlossen haben, nicht vorstellen können, dass wir dieses Ziel in der Kürze der Zeit erreichen. Das verdient Anerkennung.

(Beifall bei der SPD)

Das ist vor allen Dingen darauf zurückzuführen, dass wir – im Gegensatz zu allen anderen europäischen Ländern – mittlerweile wieder ein Niveau der Wirtschaftsleistung erreicht haben, das deutlich über dem vor der Krise liegt. Damit gehen natürlich die gute Steuerbasis, höhere Abschlüsse bei den Löhnen und geringere Sozialausgaben einher. Ganz entscheidend ist – darauf ist hier schon hingewiesen worden –, dass aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation in vielen anderen europäischen Ländern, der Anpassungsprozesse, die dort stattfinden, das Zinsniveau extrem niedrig, ja, unnatürlich niedrig ist. Davon profitieren auch wir. Man kann nicht auf der einen Seite die EZB dafür kritisieren, dass sie die Zinsen auf ein Niveau senkt, das auf die – ich will nicht sagen – Deflationstendenzen, aber doch die Gefahr reagiert und somit versucht, die Wirtschaft in der EU insgesamt wieder in Gang zu setzen, während wir auf der anderen Seite dadurch Gewinne verzeichnen, dass wir geringere Zinsausgaben haben. Das geht nicht. Ich finde, man muss dort kohärent sein. Das heißt, wir brauchen auf europäischer Ebene nicht nur die EZB als einzig handelnden Akteur, sondern wir müssen auch als nationale Regierung, als nationale Parlamente unserer Verantwortung gerecht werden.

Dazu gehört dann auch ein Blick in die geänderten europäischen Rechtsvorschriften. Hier wird zu Recht auf die Einhaltung der Maastricht-Kriterien in ihrer Form durch die sogenannten Twopacks und Sixpacks hingewiesen. Wir haben die Konsequenzen daraus gezogen, dass es nicht nur um die starre Einhaltung dieser Kriterien, maximal 3 Prozent Neuverschuldung und maximaler Schuldenstand von 60 % des BIP – da sind wir deutlich darüber – geht, sondern wir haben auch makroökonomische Fragen mit in den Blick genommen, so etwa die Frage von Ungleichgewichten in den Leistungsbilanzen. Wenn wir wegen der Haushaltsdefizite mit dem Finger auf Frankreich zeigen, mahne ich auch an: Ja, Frankreich muss sich strukturell reformieren und zusehen, dass alle Steuereinnahmen, die möglich sind, auch generiert werden. Ich sage das auch mit voller Unterstützung dafür, dass das französische Parlament berechtigterweise unserer Forderung jetzt entgegengekommen ist, nämlich die Bankenabgabe nicht steuerlich abzugsfähig zu machen. Es ist ein großer Schritt, wenn zwei europäische Länder das nicht tun und die Kosten der Finanzkrise quasi nicht den Steuerzahlern angelastet werden.

Aber ein weiterer Blick auf Deutschland gehört dazu. Dieser weitere Blick zielt auf den Leistungsbilanzüberschuss. Wir haben uns im Rahmen der Veränderung des Stabilitätspaktes durch das Sixpack verpflichtet, dass der Leistungsbilanzüberschuss maximal 6 Prozent betragen soll. Selbst das geht auf Dauer nicht, sondern wir brauchen eigentlich einen Ausgleich. Nun sind wir in Deutschland im vergangenen Jahr bei 7,5 Prozent gewesen. In diesem Jahr wird der Überschuss wahrscheinlich noch höher sein. Das alles muss uns in Alarmstimmung versetzen; denn die Schuldscheine, die wir für das bekommen, was wir heute exportieren – ich sage einmal: den Porsche oder den BMW –, werden wir nur zurückgezahlt bekommen, wenn die anderen Länder tatsächlich wieder auf die Beine kommen. Das werden sie nur, wenn wir unsere Binnennachfrage und unsere Investitionen in Deutschland stärken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich als Sozialdemokrat sage – Minister Schäuble, da haben wir einen Dissens –, die Investitionen in Deutschland sind zu niedrig, sowohl im öffentlichen Bereich als auch im privatwirtschaftlichen Bereich. Ich habe mir das sehr genau angesehen. Ich beziehe mich auf den Präsidenten des ZEW – er ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates des Bundesfinanzministeriums –, Herrn Fuest. Er hat gesagt, wir müssten jetzt theoretisch sogar eine höhere Verschuldung in Kauf nehmen, um mehr zu investieren. Wir folgen an dieser Stelle seinem Rat nicht. Aber ich finde das bemerkenswert. Schauen wir uns die Zahlen des DIW an. Sie zeigen, dass die Infrastrukturlücke bei fast 80 Milliarden Euro liegt. Wir müssen also deutlich mehr in den Erhalt unserer Infrastruktur investieren. Es ist richtig, dass wir mehr in Forschung investiert haben. Ich bin auch froh, dass die Unternehmen dies tun. Das ist ein großer Unterschied zu Italien zum Beispiel, wo die Unternehmen fast nicht in den Forschungsbereich investieren.

Gerade als Transitland müssen wir eine exzellente Infrastruktur zur Verfügung stellen. Da nagt der Zahn der Zeit. Das ist nicht so sehr in meinem Heimatbundesland Thüringen der Fall; da ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten sehr viel investiert worden. Aber wenn ich den Blick auf Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder andere Bundesländer werfe, dann sehe ich den Nachholbedarf. Wir werden zusätzliche Mittel in die Hand nehmen müssen, um die Infrastruktur in Deutschland auf dem exzellenten Niveau zu halten, das wir als entwickelte Volkswirtschaft letztendlich brauchen.

(Beifall bei der SPD)

Der erste Schritt dazu ist, dass wir zusätzlich 10 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung stellen. Ich halte das für absolut richtig. Wir werden in den nächsten ein bis zwei Monaten entscheiden, wie wir diese Mittel einsetzen werden.

Der zweite Schritt ist, dafür Sorge zu tragen, dass die Unternehmen mehr investieren. Wir haben derzeit die Situation, dass die kleinen und mittelständischen Unternehmen Beschäftigung aufbauen und dass sie zusätzliche Investitionen in Deutschland voranbringen, dass es aber gerade im Bereich der Großunternehmen keinen Anstieg bei den Nettoinvestitionen gibt. Das hat viel damit zu tun, dass diese Unternehmen im Ausland neue Fabriken aufbauen. Beispielsweise investiert BASF fast 1 Milliarde Euro in den USA. Unternehmen wie VW gehen verstärkt auf die ausländischen Märkte. Wir müssen aufpassen, dass der Markt in Deutschland für die großen Unternehmen wichtig bleibt.

Deswegen sind Themen wie das Freihandelsabkommen und die Energieversorgung ganz zentral für die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sie auch leistungsfähig bleibt, damit sich die positive Lohnentwicklung, die wir jetzt haben und die sich in den nächsten Jahren aufgrund des gesetzlichen Mindestlohns noch verstärken wird, fortsetzt. Es ist ja nicht nur so, dass der gesetzliche Mindestlohn für über 4 Millionen Menschen – da zitiere ich Thomas Oppermann – die größte Lohnerhöhung sein wird, die sie je bekommen haben, sondern auch die anderen Löhne werden nachziehen und zu einer höheren Binnennachfrage führen. Das unterstützen wir; denn das ist richtig. Ich hoffe, dass die Gewerkschaften auch höhere Löhne durchsetzen werden.

(Beifall bei der SPD)

Der Kollege Troost – das ist meine letzte Bemerkung – hat die Bund-Länder-Finanzbeziehungen angesprochen. Darüber verhandeln wir gerade in der Koalition. Ich glaube, dass die Union klären muss, was sie tatsächlich will. Man kann nicht sagen, dass es sich bei unseren Vorschlägen um eine Steuererhöhung handelt – eine entsprechende Äußerung des bayrischen Finanzministers habe ich heute in der Zeitung gelesen –, wenn die Summe der Steuereinnahmen gleich bleibt. Das erschließt sich mir nicht. Das ist bayrische Mathematik; vielleicht wird Mathematik in Bayern anders gelehrt. Ich kann das jedenfalls nicht erkennen.

Wir sind der Auffassung: Wir brauchen einen leistungsfähigen Staat. Wir brauchen die Mittel, die durch den Soli eingenommen werden. Das sind 19 Milliarden Euro.

(Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber nicht mit der Gießkanne!)

Die frei verfügbare Finanzmasse des Bundeshaushalts sind jährlich etwa 30 Milliarden Euro. Die 20 Milliarden Euro, die wir im Jahr 2020 zur Verfügung haben – 2019 sind es 19 Milliarden Euro –, können also gar nicht wegfallen; es sei denn, man würde die Mütterrente, die in 2019  6 Milliarden Euro pro anno kostet und die wir im Moment noch nicht aus dem Haushalt finanzieren, wieder rückgängig machen –

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Schneider!

Carsten Schneider:

– oder man würde die Ausgaben für die sozialen Sicherungssysteme kürzen. Aber das wollen wir Sozialdemokraten nicht. Herr Präsident, Sie wollen das sicherlich auch nicht.

Ich komme zum Schluss und sage: Ich hoffe auf einen zügigen Klärungsprozess und darauf, dass wir diese wichtige Frage der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zügig und schnell in dieser Legislaturperiode klären können.

Danke.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da muss sich die SPD aber ein bisschen anstrengen!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über zwei Aspekte der Gesetzgebungsmaßnahmen, die markant sind im Hinblick auf die Frage, wer diesen Staat eigentlich finanziert.

Der erste Aspekt ist, dass wir, wie von Minister Schäuble schon angesprochen wurde, die legale Steuergestaltung von Großkonzernen einschränken wollen. In dem Land, in dem die Umsätze erwirtschaftet werden, müssen die Gewinne auch versteuert werden. Ich werde darauf noch zu sprechen kommen.

Der zweite Aspekt ist die Abschaffung des Bankgeheimnisses innerhalb der Europäischen Union, wobei sich viele weitere Staaten und internationale Finanzplätze daran beteiligen. Dass das gelingt, hätte ich mir vor wenigen Jahren nicht vorstellen können. Deswegen ist das heute ein großer Schritt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir machen Gesetze, die sichern sollen, dass unser Staat von den Bürgerinnen und Bürgern und von den Unternehmen finanziert wird. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen ihre Steuer, die Lohnsteuer wird direkt abgeführt. Der Rentner zahlt seine Steuern. Alle zahlen Mehrwertsteuer an der Kasse. Unternehmen haben ein wenig mehr Gestaltungsmöglichkeiten, aber im Prinzip zahlen auch sie Steuern, zumindest die kleinen und mittelständischen Unternehmen.

Ein Problem ist dann gegeben, wenn Kapital flexibel ist und sich verstecken kann. Das betrifft diejenigen, die über sehr viel Geldvermögen verfügen und es in den vergangenen Jahrzehnten quasi als Sport betrieben haben, es in die Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein und andere Steueroasen zu schaffen und dort anzulegen. Das Ganze geschah unter dem Deckmantel des Datenschutzes und der Autonomie des jeweiligen Ziellandes. Jemand, der arbeitet, muss seine Steuern hier in Deutschland zahlen. Im Gegensatz dazu haben manche, die über sehr viel Geld verfügen, keinen einzigen Cent Steuern auf ihre Kapitalerträge gezahlt. Das war ein asoziales Verhalten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, von Günter Grass stammt der Spruch „Der Fortschritt ist eine Schnecke“. Das trifft hierauf zu: Die Vorarbeiten für dieses Abkommen laufen seit 2002. Hans Eichel hat damals die EU-Zinsrichtlinie auf den Weg gebracht. Es hat sehr lange gedauert, bis sie beschlossen wurde. Österreich, Luxemburg haben sich dagegen gewehrt. Hier haben wir jetzt insbesondere durch das Entdeckungsrisiko und auch – da gebe ich Ihnen recht, Frau Wagenknecht – durch die Drohung der amerikanischen Regierung, den europäischen Banken die Lizenz zu entziehen, wenn sie die Kontodaten amerikanischer Staatsbürger nicht herausrücken – das sogenannte FATCA-Abkommen –, Fortschritte erzielt. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass die Schweiz – mit ein bisschen Verzögerung, aber sie werden es tun – die Daten von bisher anonymen Kontoinhabern herausrückt. Das ist ein großer und wichtiger Schritt.

Was hat der Bundestag dazu getan? – Ich glaube, schon einiges. Wir Sozialdemokraten haben immer in den Mittelpunkt gestellt, dass die Finanzierung dieses Staates fair sein muss. Aus diesem Grund haben wir das Abkommen, das Sie, Herr Minister Schäuble, zur Zeit der vorigen Koalition mit der Schweiz schließen wollten und welches die Anonymität derjenigen, die ihr Geld dort haben, sichern sollte, im Bundesrat abgelehnt, und nur weil wir es abgelehnt haben, sind Fälle von berühmten Fußballmanagern öffentlich geworden, die sich schon gefreut hatten, in der Anonymität bleiben zu können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Klaus Ernst)

Deswegen werden wir die Bedingungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige deutlich verschärfen. Der automatische Informationsaustausch – dafür haben Sie die volle Unterstützung der Großen Koalition – ist der richtige Schritt. Ich wünschte mir, die Amerikaner machten da auch noch mit, überhaupt keine Frage. Ich hoffe, dass ein solcher Informationsaustausch weltweit eingeführt wird. Aber es ist überhaupt schon einmal ein großer Schritt – und dafür will ich mich auch bedanken –, dass Sie 51 Staaten davon überzeugt haben – Singapur, die Schweiz etc. –, dieses Abkommen hier in Berlin zu unterzeichnen und sich gläsern zu machen. Das ist ein großer Fortschritt und dafür sage ich auch: Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mit der Abgeltungsteuer werden wir uns – die Vorarbeiten müssen vorher laufen – spätestens dann, wenn der automatische Informationsaustausch funktioniert, wieder beschäftigen. Unser Ziel als Sozialdemokraten ist, dass Einkommen aus Vermögen genauso besteuert werden muss wie Einkommen aus Arbeit.

(Beifall bei der SPD)

Der zweite Aspekt, den Sie angesprochen haben, ist die scheinbar legale Steuergestaltung von Großkonzernen. Legal ist, was im jeweiligen Staat vom Parlament beschlossen wurde. Was „legal“ ist, ist aber noch lange nicht moralisch korrekt. Ich habe heute die Süddeutsche Zeitung gelesen; darin ging es auch um die Datengrundlage des Tax Justice Network. Dieses Tax Justice Network hat für die Aufklärung von Steuerbetrug viel mehr getan als viele Regierungen in den vergangenen Jahrzehnten. Dafür muss man einmal Danke sagen: dass eine zivilgesellschaftliche Organisation und auch der Journalismus hier vorangehen und etwas aufdecken, das uns hilft, gegen Steuerbetrug vorzugehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In dieser Hinsicht wünschte ich mir von der Steuerverwaltung und auch von den politischen Akteuren in den jeweiligen Ländern viel mehr Initiative.

Damit komme ich zu Luxemburg. Man muss sich schon wundern, warum seit den 80er-Jahren Finanzkonzerne ihre Zentralen in Luxemburg haben. Luxemburg ist ein schönes Land; aber so groß und mächtig ist es eigentlich nicht, und so viele produzierende Unternehmen sind da eigentlich nicht ansässig, um den Staat zu finanzieren. Man muss sich schon fragen, warum Amazon dort seinen Europa-Sitz hat. Man muss sich ebenfalls fragen, warum Länder wie die Niederlande und Irland sehr hart an der Grenze dessen, was moralisch vertretbar ist – ich meine, diese Grenze wurde bereits überschritten –, durch Steuerdumpinggesetze dafür gesorgt haben, dass Gewinne aus Deutschland, aus dem Vereinigten Königreich, aus anderen Ländern der EU in ihre Länder transferiert wurden, wo sie marginal besteuert werden. Das ist nicht akzeptabel. Dem müssen wir einen großen Riegel vorschieben. Gewinne müssen dort besteuert werden, wo sie entstehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich erwarte, dass der aktuelle Kommissionspräsident, Herr Juncker, der 20 Jahre lang Finanzminister und Premierminister von Luxemburg war, über die Handlungsweisen der Luxemburger Steuerbehörden Auskunft gibt. Denn jetzt hat er in seiner Funktion als Präsident der Europäischen Kommission eine andere Aufgabe.

Es kann nicht sein, dass wir Deutsche immerzu in Brüssel Kompromisse suchen und Geld geben. Stichworte sind hier ESM und Bankenrekapitalisierung, über die wir hier später noch sprechen. Bei all diesen Dingen wird von Deutschland Solidarität erwartet. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite geht es um die Staatseinnahmen, um eine ordentliche und gerechte Besteuerung, was in der Autonomie der Nationalstaaten liegt. Ich sage hier für die SPD: Wir erwarten innerhalb der Europäischen Union deutliche Fortschritte in Richtung einer Fiskalunion, einer gemeinsamen Steuer- und Finanzpolitik. Nur dann sind wir bereit, uns auf der Ausgabenseite stärker zu engagieren. Beides gehört zusammen.

(Beifall bei der SPD)

Es wird spannend werden, zu sehen, ob dies die Europäische Kommission mit Herrn Juncker an der Spitze wirklich vorantreibt. Unsere Erwartungshaltung ist klar. Wenn hier nichts passiert, ist das nicht nur ungerecht, sondern es führt zu extremen Wettbewerbsverzerrungen. Ein Unternehmen mit 20 Mitarbeitern in meinem Wahlkreis Erfurt wird normal besteuert. Es hat überhaupt keine Chance, seinen Steuersatz von knapp 30 Prozent auf unter 1 Prozent zu drücken. Dieses Unternehmen steht natürlich im Wettbewerb mit anderen Unternehmen, die keine oder wenig Steuern zahlen. Das ist ungerecht, das ist unfair.

Wir sollten diejenigen schützen, die sich an die Gesetze in Deutschland halten. Dafür, Herr Finanzminister, haben Sie unsere volle Unterstützung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich, als Sie, Frau Wagenknecht, zum Pult gegangen sind, gefragt, wie jetzt eigentlich die Kritiklinie der Linkspartei sein wird.

(Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So wie immer!)

Ich habe vermutet, dass die Kritiklinie vielleicht die einer aufgeklärten Linken ist, die sagt: „Global agierende Banken müssen wir auch global reglementieren“, die vielleicht die Vorschläge, die hier gemacht werden, für nicht ausreichend auf internationaler Ebene hält. Aber was ich erleben musste, war purer Populismus und ein Rückfall in die Politik eines Nationalstaates.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Wagenknecht, Sie sind vollkommen fernab der wissenschaftlichen und ökonomischen Debatte, wenn es um die Kontrolle der Finanzmärkte und des Bankensektors geht. Wir sind froh, dass die AfD nicht hier im Bundestag sitzt. Aber: Diese Rede hätte auch ein Funktionär der AfD halten können.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle (CDU/CSU): Genau so!)

Warum beraten wir nicht erst seit heute, da wir diese Gesetzentwürfe im Bundestag haben, die Frage der Finanzstabilität, der Erpressbarkeit von Staaten, der Rettung von Banken in der Finanzkrise der Jahre 2008/2009 ff., sondern schon seit vier Jahren immer wieder? Weil sich gezeigt hat, dass wir im Bereich der Bankenaufsicht national organisiert waren, überall.

Wir hatten es aber mit einem globalen Bankensektor zu tun – gerade bei den großen Banken. Ich rede nicht von den Volksbanken und Sparkassen, sondern von den Landesbanken, der Hypo Real Estate, der Deutschen Bank, der Commerzbank, der Société Générale und von vielen anderen großen, international tätigen Banken und Finanzinstituten. Deren Aufsicht konnte eben nicht mehr wirksam von Deutschland oder von Irland aus, wo es im Übrigen eine sehr schwache Aufsicht gab, ausgeübt werden.

Insofern ist die Antwort auf einen europäischen Binnenmarkt, in dem Kapitalverkehrsfreiheit herrscht und in dem umfangreiche Bankgeschäfte stattfinden was auch in Ordnung ist nicht das Zurück zum Nationalstaat, sondern das Hin zu einer europäischen Institution, die aus europäischem Blickwinkel nach klaren Grundsätzen Stichworte: Haftung, Frage nach der Verantwortung – beaufsichtigt und entscheidet. Genau diesen Weg gehen wir heute ein Stück weiter. Das ist gerade für eine aufgeklärte Linke, wenn Sie es denn sind, der richtige Weg.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich finde es auch fatal, mit der Angst der Menschen zu spielen. Auch ich habe meine Probleme mit der Möglichkeit der Direktrekapitalisierung von Banken; ich komme darauf noch zurück. Aber wir haben den richtigen Schritt hin zur gemeinsamen Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank getan, bei allen Problemen, die der Minister genannt hat. Denn die Banken, die europaweit vernetzt waren und sind, haben bisher in Europa Geschäfte gemacht, die wir in Teilen gar nicht gesehen haben, weil die Aufsicht zersplittert war. Dass dieser Schritt richtig ist, steht außer Frage. Ich kenne niemanden mit Sachverstand, der sagt, dass der Schritt zu einer europäischen Bankenaufsicht falsch ist. Frau Wagenknecht, Sie sind auf dem Holzweg.

Der zweite Schritt – den zur Aufsicht haben wir schon gemacht – ist dann, dass man Banken auch zur Rechenschaft ziehen können muss, wenn sie Geschäfte machen, die zu große Verluste bringen. Wir hatten hier in heißen Debatten 2008/09 über die Frage der Verstaatlichung der Hypo Real Estate zu entscheiden. Niemand von denjenigen, die damals zugestimmt haben, hat das mit großer Freude getan. Aber ein Institut mit 400 Milliarden Euro Bilanzsumme war ein systemrelevantes Institut. Bei der IKB konnte man durchaus anderer Auffassung sein; richtig, aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Bei der Hypo Real Estate jedenfalls war es so.

Wir mussten – wenige Klagen dagegen sind noch anhängig , diese Bank vom Markt nehmen, um sie geordnet abwickeln zu können. Wir waren rechtlich aber gezwungen, auch noch Entschädigungen an die Aktionäre zahlen, weil wir keine gesetzliche Grundlage für die Abwicklung von Banken hatten. Das war ein Fehler.

(Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE): Weil Sie es blöd angestellt haben!)

Diesen Fehler bereinigen wir jetzt, indem wir ein Insolvenzrecht für Banken schaffen, indem wir eine klare Haftungsreihenfolge festlegen, wer bei Verlusten bezahlen muss. Diese Haftungsreihenfolge ist schon genannt, aber auch durchexerziert worden, letztlich auf Druck der SPD und des Deutschen Bundestages, nämlich im Fall Zypern. Das ist die Blaupause für das, was jetzt mit den Gesetzentwürfen, die wir beraten und beschließen werden, umgesetzt werden soll. Danach gilt:

Zuerst haften die Aktionäre. Deren Geld ist weg, wenn Verluste zu decken sind. Nach ihnen haften die nachrangigen Gläubiger, die den Banken Darlehen oder Hybride gegeben haben und dafür Zinsen bekommen. Anschließend haften die vorrangigen Gläubiger und dann auch die Einleger ab einer Einlagenhöhe von über 100 000 Euro. Es ist nicht hinnehmbar, dass jemand Geld, das er angelegt hat, zu 100 Prozent wiederbekommt, aber der Steuerzahler dafür zahlen müsste. Das geht nicht. Das passiert nicht mehr. Deswegen machen wir einen Strich drunter: 100 000 Euro sind geschützt, mit dem Rest wird auch gehaftet.

Wenn eine Bank dann immer noch Verluste hat, tritt der Bankenhaftungsfonds ein, der gespeist wird über eine Bankenabgabe, die wir als Sozialdemokraten schon 2009 gefordert haben. Hätten wir sie damals eingeführt, dann hätten wir zum Beispiel keine Verluste aus dem Fall der Hypo Real Estate zu tragen. Glücklicherweise geht es dabei nicht um die damals befürchteten bis zu 480 Milliarden Euro; in Summe werden wir am Ende vielleicht über 20 oder 30 Milliarden Euro reden. Das ist aber immer noch viel zu viel.

Der Bankenhaftungsfonds wird ein gemeinsamer europäischer Fonds. Es ist auch richtig, diesen europäisch aufzustellen und nicht national. Dafür haben wir Sozialdemokraten gekämpft, weil wir eine Trennung der Risiken aus dem Bankensektor von denen aus dem Staatssektor haben wollen. Wir haben doch gesehen: Nur zu einem kleinen Teil schlug die Finanzmarktkrise in eine Staatsfinanzierungskrise um, zu einem großen Teil war es eine Bankenkrise, die erst dann zu einer Staatsfinanzierungskrise geführt hat, weil die Länder durch die Bankenrettung überschuldet waren. Irland ist das beste Beispiel; bei Spanien trifft das nicht ganz zu. Diese Trennung ist extrem wichtig, um die Staaten künftig vor Verlusten aus dem Bankensektor zu schützen, um den Sozialstaat erhalten zu können. Deswegen machen wir das so.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir reden jetzt und in den nächsten Tagen viel über Konjunkturprogramme auf europäischer Ebene. Das wichtigste Konjunkturprogramm ist die Bereinigung des Bankensektors von faulen Krediten, das Aufstellen der Banken mit genügend Eigenkapital, damit sie wieder kreditvergabefähig werden. Das passiert jetzt.

Im Oktober, parallel zu unseren Beratungen, werden die Anlagen und Portfolien aller Banken von der EZB geprüft und verglichen. Dann wird es auch in Deutschland wohl noch Überraschungen geben. Es wird ein Stresstest durchgeführt und geprüft: Was passiert im Krisenfall? Ist die Bank genügend stark? Wenn sie es nicht ist, wird entschieden werden müssen, ob sie geschlossen, restrukturiert oder vielleicht rekapitalisiert wird.

Ich will für Deutschland sagen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass durch diesen Test, der sehr hart sein muss, damit die EZB bei der Bankenaufsicht Glaubwürdigkeit gewinnt, alle Banken durchkommen. Wir hatten das schon ein- oder zweimal im Zusammenhang mit Stresstests der EBA, in deren Folge die Probleme hochkamen. Ich habe Vertrauen in die Europäische Zentralbank, dass sie das hart testen wird.

(Zuruf der Abg. Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE))

Wir werden im Bedarfsfall dann in Deutschland entscheiden müssen, welches Gesetz wir in der Übergangszeit anwenden, das zur Abwicklung bzw. Restrukturierung oder das zur Rekapitalisierung. Ich glaube, dass es die eine oder andere Bank geben kann, bei der es im Zweifel besser sein wird, sie abzuwickeln, wenn ein tragfähiges Geschäftsmodell nicht da ist, als sie künstlich am Leben zu erhalten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das wird uns in den nächsten zwei, drei Monaten beschäftigen. Das wird ein Quantensprung werden.

(Zurufe von den LINKEN: Oh!)

Dadurch wird mehr Klarheit über die Risiken des Bankensektors, mehr Stabilität im Finanzbereich und – das ist letztendlich der entscheidende Punkt – ein Schutz des Staates vor den Verlusten aus dem Bankensektor geschaffen.

Ja, auch ich hätte mir vorstellen können, Frau Wagenknecht, dass – das Europäische Parlament hat diese Richtlinie verhandelt – die geschaffenen Möglichkeiten für Direktrekapitalisierungen, aber auch zu Eingriffen der Staaten selbst nicht in der Form eröffnet worden wären. Das ist aber ein europäischer Kompromiss, den Bundeskanzlerin Merkel zugesagt hat. Ein Berichterstatter im Europäischen Parlament ist auch sehr stark in diese Richtung gegangen. Daher werden wir das auf nationaler Ebene einführen beziehungsweise ermöglichen müssen.

Ja, auch ich bin sehr skeptisch, was das Instrument der direkten Bankenrekapitalisierung betrifft. Aber auch in diesem Fall waren Ihre Zahlen falsch. Es geht nicht um 200 Milliarden Euro. Das wird gedeckelt auf maximal 60 Milliarden Euro, für

(Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Das macht es jetzt nicht besser!)

die dann alle Länder gemäß des geltenden ESM-Schlüssels haften. Aber über jede Einzelfallentscheidung wird im Bundestag beraten und entschieden werden. Und das wird so restriktiv gehandhabt werden, dass dieses Instrument hoffentlich nie angewendet werden wird. Wegen mir bräuchte man das auch nicht. Es wird aber wohl so sein – das beraten wir derzeit –, dass die direkte Bankenrekapitalisierung aus dem ESM wahrscheinlich nie angewendet wird. Wir werden jedenfalls im Einzelnen darüber zu entscheiden haben.

Zwei Punkte sind mir noch wichtig.

Erstens – das ist ein ganz entscheidender Punkt – ist es mir wichtig, zu mehr Integration auf europäischer Ebene, zur Vervollständigung der Währungsunion auch in Richtung einer Wirtschafts- und Fiskalunion zu kommen. Das, was wir hier machen, reicht noch nicht aus; es betrifft nur den Finanzmarktsektor.

Der zweite Punkt betrifft die Einnahmeseite. Ich bin der Auffassung, dass wir mehr einheitliche bzw. gemeinsame Politik auf europäischer Ebene brauchen, damit das Steuerdumping und die Steuerhinterziehung aufhören.

Hinsichtlich der Bankenabgabe stellt sich noch die Frage, wer diese in welcher Höhe und aufgrund welcher Risiken zahlt. Wir sind dafür, dass die Deutsche Bank grundsätzlich mehr zahlen muss als die Sparkassen, weil sie ein gefährlicheres Geschäftsmodell hat.

Unbeantwortet hier bleibt in Teilen die Frage des „too big to fail“ einer zu großen Bank. Dass aber die Bankenabgabe, die gezahlt wird, in Deutschland nicht steuerlich abzugsfähig ist – das heißt, der Steuerzahler zahlt bei einer Inanspruchnahme letztendlich nicht ein Drittel durch ein geringeres Körperschaftssteueraufkommen mit –, ist richtig. In anderen europäischen Ländern wird aber nicht so verfahren, sondern dort ist die gezahlte Bankenabgabe steuerlich abzugsfähig. Es gibt zum Teil allerdings auch höhere Bankenabgaben, beispielsweise in Österreich.

Ich finde – das will ich für die SPD-Fraktion klar sagen –, dass es klar sein muss, dass, bevor es weitere Integrationsschritte gibt – auf der Ausgabenseite sind viele Länder immer schnell dabei –, der Wettbewerb zulasten der Steuerzahler um die niedrigsten Steuersätze aufhören muss. Dieser Wettbewerb muss gestoppt werden.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen, Herr Bundesfinanzminister, haben Sie dabei unsere volle Unterstützung, was eine Vereinbarung auf dem G-20-Gipfel – ich nennen das Stichwort BEPS – betrifft, was die Bankenabgabe betrifft, aber auch, was den Kampf gegen diejenigen betrifft, die von den Rettungsmaßnahmen enorm profitiert haben, nämlich die Spekulanten und ihre Spekulationsgeschäfte. Wir erwarten bis Ende des Jahres klare Schritte in Richtung einer Finanztransaktionsteuer. Wenn dies nicht entscheidend vorangeht, dann müssen wir uns überlegen, diese national einzuführen.

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf emanzipiert den Staat vom Bankensektor. Geschäfte in diesem Sektor werden sicherer werden. Diejenigen, die diese Geschäfte machen, werden weniger Gewinne erzielen und im Zweifel für die Verluste haften. Ich finde, das tut einer sozialen Marktwirtschaft gut.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Haushalt 2015, den die Regierung hier eingebracht hat, beginnt eine Zeitenwende. Es ist der erste Bundeshaushalt seit mehreren Jahrzehnten, mit dem der Versuch unternommen wird – ich hoffe, wir werden es auch schaffen –, die Neuverschuldung nicht nur zu reduzieren, sondern sie gänzlich auf null zu setzen. Das hat es seit 1969 nicht mehr gegeben.

Wir als Sozialdemokraten haben uns im Regierungsprogramm zur Bundestagswahl vorgenommen, genau dies zu erreichen. Wir haben 2009 in der Großen Koalition hier im Bundestag die Schuldenbremse mit beschlossen, und wir werden sie vorfristig, nämlich schon im Jahr 2015, vollständig erreichen. Das ist ein Quantensprung, auf den wir Sozialdemokraten stolz sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Norbert Barthle (CDU/CSU): Nicht nur ihr!)

Dies wird von einer breiten Mehrheit im Deutschen Bundestag, von den Kollegen der Union und, wie ich gehört habe, auch von der Linkspartei und, wie ich vermute, grundsätzlich auch von den Grünen, getragen. Über den Weg dahin streiten wir.

Es ist richtig, Kollege Bartsch, dass wir in der Steuerpolitik, gerade was die Verteilungsfrage betrifft, Unterschiede in der Koalition haben. Wir haben uns nicht auf alle Punkte einigen können, die Bestandteil unseres Regierungs- und Wahlprogramms waren. Das bleibt einer politischen Entscheidung im Anschluss an die nächste Bundestagswahl vorbehalten.

Trotzdem haben wir die Wachstumskräfte, die in Deutschland derzeit die Konjunktur stützen und für die gute Entwicklung verantwortlich sind, nämlich die Binnennachfrage, extrem gestärkt. Das Wichtigste dabei ist die ab dem 1. Januar 2015 beginnende Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Er wird allein in meinem Heimatland Thüringen für über ein Drittel der Beschäftigten für die größte Lohnerhöhung sorgen, die diese Beschäftigten jemals erreicht haben. Das ist ein Fortschritt, auf den wir Sozialdemokraten stolz sind.

(Beifall bei der SPD)

Aber nicht nur der Mindestlohn wird eine Stütze der Konjunktur sein und zu höheren Steuereinnahmen führen, sondern auch die Tarifabschlüsse. Nun weiß ich nicht, Kollege Bartsch, ob die von Ihnen genannten Zahlen inflationsbereinigt waren oder nicht. Wahrscheinlich waren sie inflationsbereinigt,

(Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Natürlich!)

was die Steigerung betrifft. Nichtsdestotrotz sehen auch wir, ähnlich wie die Deutsche Bundesbank, Luft nach oben, was die Lohnentwicklung betrifft. Die Tarifabschlüsse müssen in den nächsten Jahren höher werden, und der Anteil der Arbeitnehmer an der gesamtwirtschaftlichen Leistung muss gerechter ausfallen; das ist gar keine Frage.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ja, wir haben auch eine Diskussion über die Zukunftsinvestitionen. Ich finde, völlig zu Recht; denn die Analyse, dass wir in weiten Teilen von der Substanz leben und die öffentliche, aber auch die private Investitionsbereitschaft – Stichwort „Kapitalstock der Unternehmen“ – schwach ist, ist nicht neu. Ich würde sie auch nicht infrage stellen. Ich glaube viel eher, dass sie richtig ist und dass wir darauf Antworten geben müssen.

Wir tun das in Teilen durch die Verabredung im Koalitionsvertrag, was die Investitionen im Bereich Verkehr betrifft – 5 Milliarden Euro mehr – und was den Bildungsbereich betrifft – 6 Milliarden Euro mehr; hinzukommen 3 Milliarden Euro mehr für Forschungsausgaben. Das ist ein klarer Trend nach oben. Die Zukunftsausgaben werden verstetigt, aber das wird sicherlich nicht ausreichen.

Aus diesem Grund unterstütze ich grundsätzlich die Überlegungen sowohl des Bundeswirtschaftsministers als auch des Bundesfinanzministers, das enorme Sparkapital, das in Deutschland zur Verfügung steht, für Investitionen zu akquirieren, sei es in Unternehmen, sei es in die öffentliche Infrastruktur, also da, wo es um Nutzerfinanzierung geht. Ich halte die Diskussion über die Gründe, die 2008 in die Finanzkrise geführt haben, nämlich dass die Überschüsse, die wir hier erwirtschaftet haben, ins Ausland exportiert und nicht in Deutschland investiert wurden, für absolut überfällig.

Wir brauchen die hiesigen Unternehmensgewinne und die hiesige Sparquote für Investitionen in Deutschland, damit wir zukunftsfähig bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Wir wollen nicht wieder die Situation erleben, dass Lebensversicherungen, Banken und andere Kapitalanleger ihre hier erwirtschafteten Ersparnisse im Endeffekt im Ausland anlegen. Ich verweise auf die Geldverluste, die wir bei den amerikanischen Subprime-Papieren erlebt haben. Von daher, Herr Minister, sehe ich die Wiederbelebung des ABS-Marktes, also des Marktes für forderungsbesicherte Wertpapiere, kritisch.

(Beifall der Abg. Annette Sawade (SPD))

Sicher ist es so, dass die mit Unternehmenskrediten besicherten Papiere nicht in dem Maße gehandelt worden sind wie andere. Nur, wer kontrolliert das? Ich glaube, dass wir die Chance viel besser nutzen müssen, die Bereinigung des Bankensektors im Verlaufe dieses Jahres durch eine unabhängige, qualifizierte Prüfung durch die europäische Bankenaufsicht, also durch die Europäische Zentralbank, vornehmen zu lassen. Wir müssen dafür sorgen, dass die sogenannten Zombiebanken, die nur noch durch das billige Geld der EZB am Leben erhalten werden, aber nicht mehr dafür sorgen, dass neu gegründete Unternehmen, die Innovationen vornehmen, finanziert werden, vom Markt verschwinden. Das heißt für Deutschland im Zweifel: kritische Eingriffe. Sie sind aber notwendig, um den Steuerzahler langfristig vor weiteren Schäden zu bewahren und außerdem um zusätzliche Wachstumsimpulse zu schaffen.

Herr Minister, ich finde, Sie haben zu Recht auf die Initiative zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit hingewiesen. Es bringt nichts, große Summen – hier 6 Milliarden Euro – in den Raum zu stellen, die im Endeffekt nicht abfließen. Ja, wir als Exportnation – heute hieß es, dass wir im letzten Monat Exporte im Wert von über 100 Milliarden Euro getätigt haben; das zeigt, dass wir immer noch eine Exportnation sind; wir sollten also den Teufel nicht an die Wand malen – haben ein großes Interesse daran, dass der europäische Binnenmarkt funktioniert, dass unsere Partner in Frankreich und Italien über eine stabile Wirtschaftsentwicklung verfügen können. Deswegen bin ich sehr dafür, dass wir die vorgegebenen Spielräume innerhalb des Stabilitäts- und Wachstumspaktes nutzen. Das heißt: Strukturreformen und im Gegenzug mehr Zeit beim Defizitabbau. Das Gleiche haben wir in Deutschland in den Jahren 2005 und 2006 in der Großen Koalition gemacht, und zwar erfolgreich. Ich erinnere daran, dass wir damals das höchste Haushaltsdefizit hatten, und dagegen sind wir mit wirklichen Strukturreformen angegangen.

Mit Herrn Renzi und Herrn Hollande haben wir es mit einem Ministerpräsidenten und einem Präsidenten zu tun, die solche Reformen – vielleicht zu spät – in Angriff nehmen. Wir als Deutscher Bundestag haben das größte Interesse daran, dass die beiden Länder Italien und Frankreich stabil bleiben, dass sie wirtschaftlich vorankommen und dass dort keine Extremisten an die Macht kommen. Deswegen sollten wir sie auf ihrem Weg uneingeschränkt unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Minister, meine Damen und Herren, ich will auf einen letzten Punkt eingehen: auf die Besteuerung des Finanzsektors. Die heutige Haushaltsdebatte ist in diesem Zusammenhang bereits ein Anfang. Bisher muss man sagen: Da tut sich nichts. Wir werden das Bankeninsolvenzrecht mit der Schaffung der Europäischen Bankenunion ändern. Das wird uns im Herbst dieses Jahres hier im Deutschen Bundestag beschäftigen. Das Ganze ist ein richtiger Schritt. Aber klar ist auch, dass die Kosten der Krise, die auch wir in Deutschland zu schultern haben, vom Steuerzahler getragen wurden. Der Finanzsektor hat dazu keinen Beitrag geleistet. Im Gegenteil: Die zukünftig auszugestaltende Bankenabgabe – sie wird zu leisten sein, wenn auf europäischer Ebene eine Bank pleitegeht – bedeutet, dass der Finanzsektor die Kosten dafür tragen muss.

In Deutschland ist diese Abgabe nicht steuerabzugsfähig, in anderen europäischen Ländern schon. Ähnlich ist es mit der Finanztransaktionsteuer. Ihre Einführung war die Voraussetzung für die Zustimmung der SPD und auch der Grünen zum Europäischen Fiskalpakt. Ich erwarte diesbezüglich substanzielle Fortschritte auf europäischer Ebene, damit wir diejenigen, die die Krise mit verursacht haben, tatsächlich an den Kosten ihrer Bewältigung beteiligen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist eine Frage der öffentlichen Legitimation von Demokratie.

Ich sage das auch in Richtung Frankreich und Italien; beide Länder spielen in diesem Bereich eine Schlüsselrolle. Diese Länder dürfen nicht nur fordern, dass wir ihnen beim Defizitabbau und bei der Wachstumsstimulierung helfen, sondern sie müssen auch die Lobbyisten zur Seite drängen und gemeinsam mit uns dafür sorgen, dass wir eine gerechtere Besteuerung des Finanzsektors in Deutschland zustande bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Volker Kauder (CDU/CSU))

Sie haben dazu, Herr Minister, die volle Unterstützung des Deutschen Bundestages. Wenn wir das bis Ende des Jahres nicht schaffen sollten, werden wir sehr wohl überlegen müssen, ob wir dazu nicht national Regelungen treffen und vorangehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kauder hat gerade gesagt, er sei mit dieser Koalition ganz zufrieden. Ich sage: Wir Sozialdemokraten sind mit den ersten sechs Monaten in dieser Koalition sehr zufrieden, nicht nur bezogen auf den Bundeshaushalt, über den wir heute diskutieren, sondern auch im Hinblick auf die anderen Maßnahmen.

Das Rentenpaket zum Beispiel, das wir in den letzten Wochen beschlossen haben, wurde vielfach unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit kritisiert. Der heutige Haushalt ist das Gegenstück dazu. Denn unter die Schuldenaufnahme, die in den letzten 40 Jahren in Deutschland stattgefunden hat, werden wir einen Schlusspunkt setzen; das wird es nicht mehr geben. Bereits dieser Haushalt 2014 ist strukturell ausgeglichen. 2009 hat ein sozialdemokratischer Finanzminister mit Zustimmung von SPD und CDU/CSU die Schuldenbremse im Grundgesetz installiert. Ab 2015 werden wir, dann unter einem christdemokratischen Finanzminister, keine neuen Schulden mehr machen. Ich finde, das ist ein guter Erfolg. Darauf kann man stolz sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Kollegen von den Grünen, auch Herr Hofreiter, haben ausgeführt, dieser Haushalt sei angeblich von Subventionen durchsiebt. Klar, es gibt immer Subventionen. Klar ist aber auch: Wir wollen sie abbauen. Dabei machen wir einen sehr großen Schritt.

(Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Echt?)

Denn mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, die wir nächste Woche hier beschließen werden, wird die größte Einzelsubvention, die es im Bundeshaushalt jemals gab, abgeschafft.

(Bettina Hagedorn (SPD): Richtig!)

Über 7 Milliarden Euro wird der Staat sparen, weil er keine Lohnkostenzuschüsse, also keine Subventionen für Niedriglöhne bzw. für Lohndumping mehr ausgeben wird. Das ist ein großer Erfolg. Das ist der erste Schritt hin zum Subventionsabbau, auf den wir Sozialdemokraten lange hingearbeitet haben.

(Beifall bei der SPD)

Der Mindestlohn führt nicht nur zu einer angemessenen Bezahlung – zumindest zu einer Untergrenze; ob sie für alle gerecht ist, ist eine andere Frage –, sondern er entlastet auch den Staatshaushalt. Diese Entlastung haben wir in der Finanzplanung nicht berücksichtigt, auch nicht für 2015. Ich gehe davon aus, dass uns dies Spielräume eröffnen wird, um im Jahr 2015 und in den fortfolgenden Jahren mehr Zukunftsinvestitionen zu tätigen.

Die positive Ausgangslage in Deutschland, die Herr Oppermann und Herr Kauder geschildert haben – gute Steuereinnahmen, niedrige Arbeitslosigkeit, Überschüsse in der Sozialversicherung –, haben ihre Ursachen in einer gut ausgebildeten Arbeitnehmerschaft, in einem Unternehmertum, das auf Innovationen setzt, und in erfolgreichen Wissenschaftlern. Aber sie haben ihre Ursache auch in den politischen Rahmenbedingungen. Diese politischen Rahmenbedingungen wurden in den vergangenen zehn Jahren unterschiedlich stark gewichtet und verändert. Ich glaube, es ist unstrittig, dass die Hauptursache für unser heutiges Standing die Reform der Agenda 2010 ist. Ohne sie stünden wir heute wirtschaftlich nicht so gut da, wie wir es tun.

(Beifall bei der SPD)

Auch die Investitionen, die wir als Antwort auf die Finanzkrise getätigt haben – insbesondere die Konjunkturprogramme, die damals vor allen Dingen von Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier und Olaf Scholz mit Zustimmung der Unionsfraktion durchgesetzt wurden –, haben uns gut durch diese Krise gebracht. Wenn Sie, Herr Hofreiter, sagen, das sei sozialdemokratischer Beton und habe nicht funktioniert – ich komme gerade nicht auf das Zitat, werde es aber nachlesen –, kann ich nur sagen: Hätten wir dies nicht gemacht, stünden wir heute viel schlechter da.

(Beifall bei der SPD)

Das kommunale Investitionsprogramm und die Abwrackprämie waren richtig. All die Dinge, die wir gemacht haben, haben sich ausgezahlt, auch die Bildungsinvestitionen. Es hat sich auch ausgezahlt, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt, über den heute und in den vergangenen Wochen schon gesprochen wurde, die notwendige Flexibilität ermöglicht hat. Er wurde 2005 und dann noch einmal 2010/2011 reformiert; die Stichworte lauten Six-Pack und Two-Pack. Im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts kann man in Krisenzeiten investieren, muss dann aber in guten Zeiten Geld zurückführen.

In den vergangenen Jahren haben wir hier sehr oft über Maßnahmen zur Euro-Rettung abgestimmt; dabei gab es harte Kontroversen. Wir haben den Maßnahmen mit breiter Mehrheiten zugestimmt. Das wurde nicht von jedem in der Wissenschaft goutiert. Einige sollten sich im Nachklapp einmal fragen, ob sie immer richtig lagen.

Es zeigt sich, dass wir aufgrund der Intervention der Europäischen Zentralbank mehr oder weniger eine Vergemeinschaftung von Staatsschulden haben. Das gilt aber nicht für die Einnahmeseite, also für die Steuerpolitik und im Hinblick auf die Koordinierung der Wirtschaftspolitik. Die Frau Bundeskanzlerin hat vorhin gesagt, dass die wirtschaftspolitische Koordinierung – unabhängig von den Fragen, wer Kommissionspräsident wird und was die Europäische Union und die Kommission in den nächsten fünf Jahren tun werden – ganz gezielt in den Mittelpunkt gerückt werden muss, und das nicht nur auf dem Papier. Was Herr Van Rompuy bisher vorgelegt hat – zumindest das, was ich gelesen habe –, ist noch zu wenig. Wir brauchen eine noch stärkere Koordinierung, was die Wirtschaftspolitik betrifft. Wir brauchen eine stärkere Koordinierung und auch gemeinsames Handeln, insbesondere was die Steuerpolitik betrifft. Das ist eine grotesk offene Flanke: Bei den Ausgaben, bei den Staatsschulden sitzen wir, weil wir eine gemeinsame Währung haben, mehr oder weniger in einem Boot; bei der Steuerpolitik kann aber jeder mehr oder weniger machen, was er will. Das ist ein Konstruktionsfehler. Die Vervollständigung hin zu einer Fiskalunion wird für die nächsten fünf Jahre eine der Hauptaufgaben sein, wenn wir den Euro dauerhaft stabilisieren wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Da haben wir innerhalb der Koalition gute Ansätze, auch aus der alten Regierung noch. Ich denke an die Initiative gegen Steuerdumping bzw. legale Steuergestaltung – das Ganze steht unter der Chiffre „BEPS“ –, die von der OECD aufgearbeitet wird. Es geht darum, dass sich große Konzerne wie z. B. Amazon, Google etc. die günstigsten Steuersätze aussuchen und ihre Gewinne und Verluste dann in die entsprechenden Länder verschieben. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden.

Dazu gehört, dass es auf diesem Gebiet nicht wieder zu zu großer nationaler Autonomie kommt. Ich sehe mit Sorge, dass in Spanien – im Übrigen unter einem Programm des Rettungsschirms für den Bankensektor – für den Bereich der Unternehmensteuern jetzt Senkungen angepeilt werden, obwohl das Land noch hohe Defizite hat. Ich persönlich kann das nicht akzeptieren, und ich erwarte, dass die Bundesregierung, der Bundesfinanzminister, das einmal artikuliert. Jedes Land muss erst einmal selber sehen, dass es ausreichende eigene Steuereinnahmen generiert.

Unseren Freunden in Frankreich – Thomas Oppermann hat darauf hingewiesen – soll Zeit zum Abbau des Defizits gegeben werden – wenn denn tatsächlich auch strukturelle Reformen stattfinden. Wenn wir über die Weiterentwicklung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sprechen – das werden wir am Ende des Jahres müssen, denn da ist eine Revisionsklausel eingebaut –, gehören zwei Dinge dazu:

Erstens, wenn sich ein Mitgliedstaat in einem Defizitverfahren befindet, muss die Kontrolle über die wirtschaftspolitischen Maßnahmen seitens der Kommission oder des Rates ausgebaut und definitiv gestärkt werden. Das steht bisher nur auf dem Papier und wird nicht angewandt. Nicht einmal Deutschland hält sich an die Empfehlungen des Europäischen Semesters für die Wirtschaftspolitik. Das ist ein nicht hinnehmbarer Zustand; denn dann braucht man sich solche Regeln nicht zu geben.

Das Europäische Parlament hat ausgewertet, was von den empfohlenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen tatsächlich umgesetzt wurde. Es waren nicht einmal 12 Prozent. Ich habe mir das für Deutschland noch einmal angesehen. Im Rahmen des Europäischen Semesters gibt die Kommission Empfehlungen, und die sind gar nicht einmal so verkehrt. So heißt es etwa, dass Deutschland die Frauenerwerbsquote erhöhen und die Kinderbetreuung ausbauen muss. Das ist richtig, das wollen wir auch. Ich glaube, wir müssen dort auch noch mehr tun. Es stellt sich die Frage, wie der Fonds für den Kitaausbau, den Ministerin Schwesig zu verwalten hat, im Jahre 2015 befüllt wird. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie dafür die über 500 Millionen Euro, die wir verabredet haben, zur Verfügung stellt. Dieses Geld muss tatsächlich investiert werden; denn wir brauchen gute Kinderbetreuungsplätze in Deutschland, qualitativ und quantitativ.

(Beifall bei der SPD)

Die Kommission empfiehlt uns aber auch, dass wir im Bereich der Steuerpolitik Änderungen vornehmen. Die Steuer- und Abgabenlast für Geringverdiener sei in Deutschland zu groß. Das ist interessant. Interessant ist auch, dass sich der Deutsche Gewerkschaftsbund dafür einsetzt, dass wir nicht nur die kalte Progression, sondern auch den steilen Anstieg im unteren Bereich der Einkommensteuersätze korrigieren sollen. Ich wäre sehr dafür zu haben, wenn wir diese Maßnahme vollständig gegenfinanzieren. Wir Sozialdemokraten glauben, dass wir uns hier nicht vier Jahre lang Stillstand leisten können. Wenn jemand Arbeit aufnimmt, wenn jetzt – Thomas Oppermann hat darauf hingewiesen – viele Leute Lohnerhöhungen bekommen und zum Beispiel nicht mehr, wie bei mir in Erfurt, 5,50 Euro, sondern 8,50 Euro verdienen und damit erstmals wieder nicht mehr nur Sozialabgaben, sondern auch Steuern zahlen, dann soll das nicht dazu führen, dass sie im Endeffekt weniger haben, als wenn sie Transferleistungen bezögen. Arbeit muss sich lohnen; deswegen können wir uns eine Entlastung in diesem Bereich durchaus vorstellen – mit einer Gegenfinanzierung, zum Beispiel – der Deutsche Gewerkschaftsbund hat darauf hingewiesen – im Bereich der Abgeltungsteuer, das heißt, der Steuer auf Zinsen und andere Kapitalerträge.

Zweitens: Bei der europäischen Koordinierung stellt sich neben der Frage der Verbindlichkeit auch die Frage der politischen Unterstützung. Wenn wir vergleichen, was verschiedene Länder in den letzten Jahren gemacht haben, so ist doch festzustellen, dass insbesondere Länder, die unter Programmen des ESM oder der EFSF – das sind Abkürzungen, die keiner versteht – stehen, also finanzielle Hilfen aus anderen Euro-Ländern, auch von uns, bekommen, im Gegenzug Auflagen zu erfüllen haben, an die sich breite parlamentarische Mehrheiten in den Empfängerstaaten binden mussten. Das gilt zum Beispiel für Portugal und auch für Irland. Dort sind tatsächlich Reformen angegangen worden, die für eine langfristige Steigerung des Wirtschaftspotenzials sorgen.

Von daher finde ich, dass eine weitere Verschärfung dieses Paktes auch darin liegen kann, dass für solche Hilfsmaßnahmen eine breite parlamentarische Mehrheit erforderlich ist. Es kann nämlich nicht sein wie 2010 in Griechenland, als der damalige Oppositionsführer Samaras dem damaligen Präsidenten der Sozialistischen Partei, dessen Name mir gerade nicht einfällt

(Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Papandreou!)

– Papandreou –, quasi nicht geholfen hat. Er hat dort nicht für eine breite Unterstützung geworben. Wir haben zwei Jahre verloren, bis endlich eine Regierungsmehrheit stand. Wenn ein Land Finanzhilfen braucht, dann ist dort eine breite politische Unterstützung – auch im Parlament – für die entsprechenden Maßnahmen notwendig. Ich finde, das könnte eine Erweiterung dieses Stabilitäts- und Wachstumspaktes sein.

(Beifall bei der SPD – Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Sehr richtig!)

Wenn wir über die Ausgaben des Bundeshaushaltes sprechen, den wir in dieser Woche beschließen werden, dann nehme ich natürlich auch die Einnahmen mit in den Blick.

Zunächst zu den Ausgaben. Mit Blick auf unser Wachstumspotenzial sind die Investitionsausgaben zu niedrig. Für den Infrastrukturbereich packen wir in den nächsten fünf Jahren zwar 5 Milliarden Euro drauf, das heißt aber, dass wir der Empfehlung der Kommission „Nachhaltige Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ unter dem Vorsitz von Herrn Bodewig nicht nachkommen, pro Jahr etwa 6 bis 7 Milliarden Euro zu investieren, um den Bestand und die wirtschaftliche Substanz zu erhalten – es geht also nicht um Neubaumaßnahmen wie Ortsumfahrungen und anderes. Hier müssten wir deutlich mehr investieren.

Ich sehe es für die nächsten drei Jahre als unsere Aufgabe in dieser Koalition an, uns nicht auf den Lorbeeren vergangener Zeiten auszuruhen, sondern auch in die Zukunft zu investieren. Es geht um Investitionen in die Infrastruktur, aber auch in die Bildung, und ich schließe mich hier den Ausführungen von Herrn Kauder an: Die Länder müssen das Geld, das wir als Bund zur Verfügung stellen, auch tatsächlich in den Bildungs- und Forschungsbereich investieren.

Daneben müssen wir es denjenigen ermöglichen zu studieren, die dazu aufgrund des Geldbeutels ihrer Eltern nicht in der Lage sind. Deswegen ist es gut, dass wir als Bund das BAföG jetzt komplett übernehmen und wir uns als Sozialdemokraten – das haben wir von Anfang an gesagt – für eine deutliche Erhöhung des BAföG einsetzen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU))

Zu den Einnahmen: Wir haben darauf hingewiesen, dass es hier in der Union und in der SPD unterschiedliche Vorstellungen gibt. In den grundsätzlichen Fragen, aber auch in kleinen Bereichen machen wir Fortschritte. Wir beraten gerade das Kroatien-Gesetz. Das klingt technisch, aber die Kollegen im Finanzausschuss haben hier schwergewichtige Fragen geklärt.

Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, ob in Deutschland jeder nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert wird. Wir haben in Deutschland zwar auch eine große Schere zwischen den Einkommen, aber vor allen Dingen zwischen den Vermögen.

Der Fall des Erben eines großen Automobilherstellers, dessen Autos sich die meisten hier nicht leisten können, ist öffentlich geworden. Er verfügt über ein Milliardenvermögen. Es liegt zum großen Teil in stillen Reserven einer Kapitalgesellschaft und wird nicht versteuert, und über eine noch legale Steuergestaltung will er dieses Vermögen nun ins Ausland, in die Alpen, transferieren. Jeder kann sich innerhalb der Europäischen Union seinen Wohnsitz suchen, aber klar ist auch: In Deutschland erarbeitetes Vermögen muss auch in Deutschland versteuert werden.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Max Straubinger (CDU/CSU))

Deswegen hoffe ich sehr, dass es uns in der nächsten Woche gelingt, diese Lücke zu schließen und dafür zu sorgen, dass nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Manager, die hier Einkommensteuer zahlen, sondern auch diejenigen ihren Beitrag leisten, die über hohe Vermögen verfügen, die sie nur aufgrund der Stabilität der Wirtschaft und der Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer, auch des Unternehmertums, erzielen konnten.

Das ist eine Frage der Fairness und wird uns als Sozialdemokraten in den nächsten drei Jahren in dieser Großen Koalition hier im Deutschen Bundestag auch weiterhin umtreiben. Ich hoffe, wir haben Sie dabei an unserer Seite.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD steht für eine solide Finanzpolitik. Wir haben 2009 gemeinsam mit der Union im Bundestag und im Bundesrat dafür gesorgt, dass die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert wird. Wir werden im Jahre 2015 – wenn der Vollzug gut ist, vielleicht sogar im Jahre 2014 – einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden erreichen. Das ist ein markanter Erfolg. Das ist ein Paradigmenwechsel nach über 40 Jahren Politik des Bundestages, aber auch des Bundesrates, die davon gekennzeichnet war, dass permanent mehr Schulden aufgenommen wurden, um die zu leistenden Ausgaben zu finanzieren. Diesen Paradigmenwechsel einzuleiten, ist die erste große Aufgabe dieser Koalition.

Die zweite große Aufgabe ist, Ordnung auf dem Finanzmarkt herzustellen, insbesondere die Stabilisierung des Euros und Europas zu erreichen. Ich glaube, dass wir dabei erst den ersten Schritt gegangen sind. Derzeit leben wir nämlich von der Politik des billigen Geldes der EZB, aber nicht von politischen Entscheidungen, und das wird nicht reichen.

Die dritte große Aufgabe ist die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Eine der Kernaufgaben hierbei ist die Energiewende. Es ist dafür zu sorgen, dass wir aus der Atomkraft aussteigen können. Es muss uns gelingen, erneuerbare Energien zu fördern, aber auch, sie bezahlbar zu halten und die Arbeitsplätze im produzierenden Bereich zu erhalten. Das ist zentral für die SPD. Ich danke Sigmar Gabriel sehr dafür, dass er sich dafür in Brüssel erfolgreich eingesetzt hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Minister, Sie haben es in Ihrer Retrospektive auf die letzten vier Jahre vorhin der Sozialdemokratie nicht so ganz einfach gemacht, zu klatschen; aber an den entscheidenden Stellen haben wir Beifall gespendet. Ich will in diesem Zusammenhang nur auf einen Punkt hinweisen – Sie haben gesagt, es ist immer wichtig, dass man sich bewegt, wenn man ein bestimmtes Wohlstandsniveau erreicht hat; man müsse konsequent dranbleiben, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und für ein gerechtes Land zu sorgen –: Ich habe nicht erkennen können, dass Sie im Bundestag in den letzten vier Jahren Strukturreformen, wie Sie sie angesprochen haben, beschlossen haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich wäre wirklich dankbar für einen Hinweis darauf, welche Strukturreformen das gewesen sein sollen.

Die Früchte, die wir heute dadurch ernten, dass wir in Deutschland eine wettbewerbsfähige Wirtschaft und vor allem noch Produktionsunternehmen haben – 25 Prozent des BIP werden vom produzierenden Gewerbe erbracht; das macht uns einmalig in Europa, und wir wollen diesen Zustand erhalten –, sind ein Ergebnis dessen, was die SPD mit den Grünen 2004/2005 durchgesetzt hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, das festzustellen, gehört zur Ehrlichkeit dazu. Von diesen Früchten leben wir heute.

In den vergangenen Jahren sind an die jeweilige Klientel Geschenke verteilt worden. Das wollen wir als Sozialdemokraten nicht. Wir wollen einen solide finanzierten Haushalt

(Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Macht ihr aber nicht!)

mit Zukunftsinvestitionen in den Bildungs- und in den Verkehrsbereich, die uns wettbewerbsfähig halten. Dafür muss die notwendige Finanzierung vorhanden sein.

(Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie ist denn das bei den Kommunen?)

Im Hinblick auf die Finanzierung ist es eine der Grundfragen, ob es bei der Besteuerung in Deutschland gerecht zugeht.

(Bettina Hagedorn (SPD): Genau!)

Sie haben den Punkt Spitzensteuersatz angesprochen und in Verbindung mit dem Unternehmenssteuersatz gesetzt. Zunächst einmal: Auch Einzelunternehmen können optieren, können ihre Rechtsgrundlage so ändern, dass sie wie normale Kapitalgesellschaften besteuert werden. Sie wären von einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes nicht zwangsläufig betroffen. Einmal abgesehen davon: Eine solche Erhöhung hat jetzt auch gar keiner gefordert.

Wenn wir die vom Herrn Kollegen Bartsch eben genannte Frage der kalten Progression, der schleichenden Steuererhöhung aufgreifen wollen und das verändern wollen – wir wollen keine Erhöhung der Steuersätze für den unteren und mittleren Einkommensbereich –, dann gilt für uns: Wir machen das nicht auf Pump. Deswegen haben wir als SPD den Vorschlag dazu seinerzeit im Bundesrat und auch hier im Bundestag abgelehnt. Wir wollen dafür eine saubere Gegenfinanzierung.

(Bettina Hagedorn (SPD): Genau!)

Das heißt in dem Fall dann auch, dass man sich über den Abbau von Subventionen unterhalten muss. Dazu liegen allerdings keinerlei Vorschläge Ihrerseits vor.

(Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo sind die Vorschläge von der SPD?)

Im Gegenteil: Es gibt eine totale Blockadehaltung. Ich finde, dass man so nicht arbeiten kann. Es geht schon gar nicht, sehr teure Gutachten in Auftrag zu geben, um sie danach in der Schublade verschwinden zu lassen. Dazu gehört ein bisschen mehr Mut.

(Beifall bei der SPD ? Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo sind denn die Vorschläge der SPD?)

Wir als Sozialdemokraten sind bereit, den notwendigen Mut aufzubringen und der Bevölkerung zu sagen: Ja, wir schaffen die kalte Progression ab, aber wir werden dafür die Subventionen auf den Prüfstand stellen. – Das bringt nicht immer Freude; damit habe ich selbst so meine Erfahrungen gemacht.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Aber es ist notwendig, um eine Vereinfachung des Steuerrechts hinzubekommen. Ich wünsche mir, dass wir das in dieser Koalition in der nächsten Zeit noch schaffen.

Ein weiterer Punkt. Beim Thema „gerechte Steuern“ geht es auch um die Frage: Wer zahlt denn in diesem Land eigentlich Steuern? Und auf welche Einkommen zahlt er sie? Die Mehrwertsteuer muss jeder zahlen. Die Lohnsteuer wird automatisch abgezogen; da hat die normale Arbeitnehmerin oder der normale Arbeitnehmer überhaupt keinen Gestaltungsspielraum. Aber wer über Vermögen verfügt, kann das schon in das eine oder andere Land in Europa transferieren. Wir haben prominente Fälle gehabt. Einige Betroffene geloben Besserung; das gilt auch für die entsprechenden Länder.

Ich möchte, dass diese Koalition insbesondere die gerechte Besteuerung von Vermögen im Ausland durchsetzt, also erreicht, dass die Zinserträge daraus besteuert werden. Das ist für uns als Sozialdemokraten extrem wichtig, weil nicht nur Arbeit besteuert werden soll, sondern auch höhere Einkommen und Vermögen. Deswegen sind das Fallen des Bankgeheimnisses und auch der Fortschritt, den wir im Bereich der Zinsbesteuerung mit dem automatischen Informationsaustausch gemacht haben, extrem wichtige Punkte.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden – auch darauf haben wir uns in der Koalition verständigt – die Bedingungen für die Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung verschärfen, insbesondere die Zuschläge erhöhen. Derjenige, der jahrelang Steuern hinterzogen hat, darf im Endeffekt nicht besser dastehen als derjenige, der seine Steuern ehrlich gezahlt hat. Das ist ein Grundsatz für Sozialdemokraten.

(Beifall bei der SPD)

Es zeigt sich auch, dass es richtig war, dass wir das Deutsch-Schweizer Steuerabkommen im Jahr 2012 nicht haben passieren lassen. Dadurch wären viele Leute anonym geblieben, und sie hätten Geld gespart, und der Druck auf die entsprechenden Länder wäre entfallen, sich zu bewegen und für saubere Geschäfte zu sorgen, wäre entfallen. Deswegen war es richtig, das abzulehnen.

(Beifall bei der SPD)

Es wird auf der europäischen Ebene in den nächsten Jahren mit vielen Entscheidungen in diese Richtung gehen müssen; wir als Nationalstaat allein können das nicht regeln. Wir brauchen die anderen europäischen Länder und das Europäische Parlament bei einer einheitlichen Besteuerung und bei der Frage, wie Unternehmensgewinne transferiert werden können. Hierbei geht es darum, dass über Lizenzgestaltungen, zum Beispiel in den Niederlanden, aber auch in anderen Ländern, ein Anreiz geboten wird, die Höhe der Unternehmenssteuern letztendlich zu senken. Das ist eine Form von asozialem Standortwettbewerb; wir als Sozialdemokraten machen das nicht mit.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen, dass Unternehmen Gewinne machen – ganz klar; es sind keine Altruisten –, aber wir wollen auch, dass sie einen fairen Beitrag zum Steueraufkommen leisten.

Sie von der CDU haben vorvorgestern auf dem Bundesparteitag den Spitzenkandidaten der Konservativen in Europa gekürt. Sein Name wird in Deutschland geheim gehalten, aber hier im Bundestag soll schon einmal gesagt werden, wer es ist: Es ist Herr Juncker.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Er war im vergangenen Jahrzehnt derjenige, der vor allen Dingen dafür gesorgt hat, dass die Zinsbesteuerungsrichtlinie in Luxemburg nicht angewandt wurde. Er hat sie zehn Jahre lang bekämpft. Erst nachdem es einen Regierungswechsel gegeben hat und auch die Sozialdemokraten in Luxemburg einen neuen Koalitionspartner haben, wird dort nicht mehr blockiert. Ich finde, Sie sollten sich noch einmal überlegen, wer Ihr Spitzenkandidat ist und welche Politik er macht.

(Beifall bei der SPD)

Bei den Haushaltsberatungen wird es für uns darauf ankommen, die Investitionen zu steigern; hier besteht, glaube ich, Konsens. Wir werden uns sehr genau die Ausgabenseite, aber auch den Steuervollzug anschauen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Einnahmen entsprechend fließen und das Steuerrecht in Deutschland umgesetzt wird. Das ist die Aufgabe der Bundesländer; denn sie haben es in der Hand. Sie müssen genug Personal einstellen, um Unternehmen und Einkommensmillionäre steuerlich prüfen zu können. Der Bundesrechnungshof hat viele Vorschläge dazu gemacht.

Herr Minister Schäuble, Sie haben vorhin viel über Sozialleistungen und auch über die Sozialleistungsquote gesprochen. Es stimmt, und das ist auch gut so, dass sie in Deutschland hoch ist; für uns Sozialdemokraten ist das ein wichtiger Punkt. Ich glaube, wir leben in einem sozial sicheren Land. Der soziale Ausgleich gehört dazu.

Was die Finanzierung der Hochschulen und die Finanzierung des Studiums angeht, müssen wir zu Veränderungen kommen. Das war auch ein Punkt bei den Koalitionsverhandlungen; da haben wir noch vier Jahre Zeit. Es gibt viele Jugendliche und Studenten, die nicht aus reichen Elternhäusern kommen. Deshalb ist eine Reform des BAföG – die Bedarfssätze und die Freibeträge sind seit fünf Jahren nicht mehr angepasst worden – ganz entscheidend. Wir möchten, dass junge Leute auch aus finanziell nicht so starken Elternhäusern in Deutschland die Chance haben, studieren zu können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch da stehen die Bundesländer gemeinsam mit uns in der Pflicht. Das wäre eine gute Ergänzung zu den Investitionen. Denn Bildungsausgaben sind Investitionen in die Zukunft.

Ich danke Ihnen für den Einstieg in diese Debatte. Es wird interessant bleiben. Ich sehe den Beratungen im Haushaltsausschuss in den nächsten vier Sitzungswochen mit Freude entgegen.

Danke.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe keine Sorge, dass die Finanzpolitik in den nächsten vier Jahren langweilig wird. Es gibt nicht nur die Debatten mit der Opposition in diesem Haus, die Herr Bartsch gerade angesprochen hat – darauf werde ich noch zu sprechen kommen -, sondern es gibt auch eine ganze Reihe von Herausforderungen, die in den nächsten vier Jahren zu meistern sind.

Das Erste und Wichtigste ist, dass wir als Koalition von CDU, CSU und SPD uns ganz klar für solide und gerechte Finanzen einsetzen.

(Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– Ich bin auf die Vorschläge gespannt. – Wir haben 2009 unter Federführung des damaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück die Schuldenbremse ins Grundgesetz geschrieben. Die gilt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Wir werden dafür sorgen – auch das ist im Koalitionsvertrag vereinbart -, dass Einnahmen und Ausgaben so in Einklang gebracht werden, dass wir die Mittel für öffentliche Investitionen erhöhen und die Neuverschuldung, die es in den vergangenen über 40 Jahren gegeben hat, so deutlich reduzieren können, dass sie im Jahr 2015 null beträgt. Das ist ein Paradigmenwechsel, für den die SPD steht und bei dem wir den Bundesfinanzminister auch unterstützen können.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Norbert Barthle (CDU/CSU))

Wenn Sie sich die Ausgabenseite ansehen, also schauen, wofür der Staat das Geld investiert, dann sehen Sie, dass in den letzten vier Jahren insbesondere bei der Sozialpolitik, bei der Arbeitsmarktpolitik, bei den Schwächsten der Gesellschaft die Mittel gekürzt wurden. Wir machen das rückgängig. Die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik werden wieder erhöht. Denjenigen, die die schwierigsten Ausgangssituationen dabei haben, um Arbeit zu finden und von ihrer eigenen Hände Arbeit zu leben, werden wir helfen.

(Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist nicht gegenfinanziert, Carsten!)

Sie werden für ihre Arbeit künftig auch angemessen entlohnt werden, einen Lohn, von dem man anständig leben kann. Das bedeutet, dass wir einen Mindestlohn einführen werden, der dafür sorgen wird, dass Millionen Menschen mehr Geld in der Tasche haben, der ihnen Würde wiedergibt und der auch den sozialen Ausgleich wiederherstellt.

(Beifall bei der SPD)

Das Ganze ist auch haushaltswirksam, weil wir Minderausgaben haben: Das Lohndumping, das es im vergangenen Jahrzehnt gegeben hat, wird unterbunden. Den Arbeitgebern, die mit geringsten Löhnen kalkuliert und in Kauf genommen haben, dass der Staat dann aufstockt, machen wir einen Strich durch die Rechnung. Ich bin froh, dass die Union uns bei diesem Punkt jetzt auch folgen wird.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Kauder (CDU/CSU) – Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist eigentlich mit Subventionsabbau, Carsten?)

Trotzdem ist auch klar, dass die Zukunftsinvestitionen in Deutschland zu gering sind, nicht nur im öffentlichen Sektor, sondern auch im privaten. Ja, wir haben – verglichen mit anderen Ländern – eine ganz gute wirtschaftliche Ausgangslage.

(Beifall des Abg. Volker Kauder (CDU/CSU))

Das hängt stark mit den Krisenbekämpfungsmaßnahmen, die wir 2009 auf den Weg gebracht haben, und auch mit den Arbeitsmarktreformen zusammen. Aber wir brauchen jetzt eine Zukunftsgewandtheit. Herr Riesenhuber hat vorhin darauf hingewiesen, dass wir auch den Forschungsbereich stärken müssen.

(Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da sehen wir nichts!)

Ich sehe mit Sorge, dass die privaten Investitionen rückläufig sind. Das ist nicht gut. Wir brauchen deutlich mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung, in die öffentliche Infrastruktur, aber auch in den privaten Sektor. Wir werden alles tun, um das zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Kauder (CDU/CSU))

Hinsichtlich der öffentlichen Investitionen möchte ich Ihnen kurz eine Zahl nennen. Das öffentliche Vermögen ist in den vergangenen 20 Jahren um 800 Milliarden Euro zurückgegangen, teilweise aufgrund von Desinvestition, aber vor allen Dingen aufgrund der hohen Verschuldung, die zusätzliche Investitionen nicht zuließ. Wir mussten diese Schulden aufnehmen, um die Finanzkrise zu meistern. Auf der anderen Seite ist die Zahl der Vermögenden explodiert. Der Umfang der privaten Vermögen ist von 6 auf rund 10 Billionen Euro gestiegen.

Ich bin sehr froh, dass die Bundesbank für die europäischen Länder klar gesagt hat – ich hätte mir gewünscht, sie hätte auch etwas zu Deutschland gesagt -, dass bei zukünftigen Rettungsmaßnahmen – ich hoffe, es wird keine mehr geben; aber ich will das nicht ausschließen – die Forderung der SPD, die wir immer erhoben haben, umgesetzt wird, dass erst einmal diejenigen, die über viel Geld verfügen, ihrem Land helfen sollen.

Wir nehmen das als Handlungsauftrag, und wir geben die Punkte Subventionsabbau und stärkere Besteuerung nicht auf. Es ist richtig, dass sie im Koalitionsvertrag nicht vereinbart sind. Andererseits gibt es auch keine Steuersenkungen auf Pump, sondern eine solide Finanzpolitik. Wir als SPD werden klar für einen Abbau von steuerlichen Subventionen werben. Ich finde nicht, dass man das alles vier Jahre lang so liegen lassen kann.

(Beifall bei der SPD – Volker Kauder (CDU/CSU): Jetzt machen wir erst einmal das, was wir vereinbart haben!)

Ein weiterer Punkt ist die Finanzmarktregulierung. Herr Minister, Sie haben eben den Vorschlag von Herrn Barnier vom gestrigen Tag zitiert. Er hat vorgeschlagen, Banken in Teile mit riskantem Geschäft und Teile mit weniger riskantem Geschäft aufzuspalten. Dieser Vorschlag fußt auf einem Expertenbericht von Herrn Liikanen und anderen. Viele Länder sind in diesem Bereich schon weiter: die USA mit dem Dodd-Frank Act, aber auch Großbritannien. Das Trennbankengesetz hier in Deutschland ist eher eine Light-Version. Ich habe nach erster Sichtung der Vorschläge, die von Herrn Barnier vorgelegt wurden, die Sorge, dass sich die Lobby dort sehr stark durchgesetzt hat.

Deswegen will ich klar sagen: Wir als Sozialdemokraten stehen für ein Trennbankengesetz, das keine Light-Version ist, für ein Gesetz, das sehr strikt ist. Diejenigen, die Einlagen auf einem Girokonto oder Sparbuch in einer Bank haben, müssen sicher sein, dass die Banken mit diesem Geld nicht zocken. Wir möchten, dass dies umgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich hoffe sehr darauf, dass das Europäische Parlament hier noch für Verbesserungen sorgen wird, und ich hoffe auf Sie, Herr Minister. Wir haben im Koalitionsvertrag fest vereinbart, den Liikanen-Bericht umzusetzen und diese Verbesserungen gegenüber dem Kommissionsentwurf durchsetzen zu wollen.

Der dritte Punkt: Europa. Wir haben ja in den letzten vier Jahren viele Debatten über einzelne Länder geführt.

(Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo ist der Kurswechsel?)

Ja, es gibt Licht am Horizont. Ich sage nicht, dass dies schon das Ende der Krise ist, wie Herr Barroso das formuliert hat. So weit würde ich nicht gehen. Zur Beruhigung der Finanzmärkte hat nur zu einem kleinen Teil die Politik beigetragen. Es waren die EZB und Herr Draghi, die mit der Ankündigung, alles zu tun, um den Euro zu stützen, die Finanzmärkte beruhigt haben. Das ist von kurzfristiger Wirkung.

Langfristig wird es darauf ankommen, das Währungsgebiet des Euro auch mit einer politischen Union zu verknüpfen, das heißt, dieses bisher unvollständige Werk, das wir haben, zu vervollständigen. Wir sehen uns da auf einer Linie. Ich glaube, dass es schwieriger ist, mit anderen Ländern in Europa über die Frage der Abtretung von nationalen Souveränitätsrechten zu reden. Wir hier im Deutschen Bundestag sind in dieser Frage weiter.

Der entscheidende Punkt des nächsten halben Jahres wird die Bankenunion sein. Ich bin mit dem jetzigen Entwurf, wie er im Dezember von den Finanzministern verabredet wurde, nicht gänzlich einverstanden; ich will das klar sagen. Das Europäische Parlament hat hier ein starkes Stoppschild gesetzt und gesagt: Wir erwarten, als Europäisches Parlament auch tatsächlich Mitsprachemöglichkeiten zu haben.

Nun will ich nicht im Einzelnen auf die rechtlichen Bedenken eingehen. Aber der Kernpunkt ist: Wenn die Europäische Zentralbank die Bankenaufsicht übernehmen soll, dann auch verantwortlich ist und das große Risiko eingeht, dass sie in ihrer Glaubwürdigkeit hinsichtlich der Geldpolitik beeinträchtigt sein könnte, wenn die Bankenaufsicht funktionieren soll, dann muss es auch einen glaubwürdigen Abwicklungsmechanismus geben. Das ist ganz entscheidend, um Recht und Ordnung wiederherzustellen und um sicherzustellen, dass derjenige, der Gewinne macht, auch die Verluste trägt. Das sind die Aktionäre, das sind die Gläubiger der Banken. Das geht nur, wenn wir auch ein europäisches Abwicklungsrecht haben.

Ich glaube, dass der jetzige Kompromiss – das ist die Auffassung der SPD -, erst im Jahre 2026, also in zwölf Jahren, über einen einheitlichen Abwicklungsfonds, den die Banken speisen sollen, zu verfügen, nicht weitreichend genug ist. Wenn die EZB 2014, also in diesem Jahr, die Bankenaufsicht übernimmt und einen Stresstest durchführen wird, laufen wir Gefahr, dass sie im Zweifel nicht hart genug prüft, weil kein Abwicklungsmechanismus vorhanden ist. Wenn dieser nicht da ist, laufen wir Gefahr, in japanische Verhältnisse zu geraten. Dauerhaft marode Banken, sogenannte Zombiebanken, verfügen über keine Kreditvergabemöglichkeiten mehr und sind schlecht für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Deswegen empfehle ich, in drei Punkten auf das Europäische Parlament zuzugehen.

Der erste Punkt ist: Eine Entscheidung über eine Abwicklung muss schnell getroffen werden können, im Zweifel auch über ein Wochenende. Das muss zügig gehen. Der jetzige Vorschlag ist zu komplex.

Der zweite Punkt ist: Zum einen darf eine solche Entscheidung nicht von politischen Geschäften im Finanzministerrat abhängig sein, sondern es muss eine sachgerechte Entscheidung sein. Zum zweiten muss der Fonds, der dazu dienen soll, Verluste von Banken aufzufangen, schneller gefüllt werden; denn nur, wenn er schneller gefüllt ist, besteht die Chance, diese Banken tatsächlich abwickeln zu können und für mehr Stabilität zu sorgen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der dritte Punkt betrifft die Frage der harten Gläubigerbeteiligung. Die Gläubigerbeteiligung ist durch den Eintritt der SPD in diese Regierung ganz zentral geworden. Mit dem Eintritt der SPD in diese Bundesregierung gilt auf europäischer Ebene ein anderer „Turn“. Das bedeutet: Bei Verlusten von Banken zahlen Eigentümer, Anleihegläubiger und diejenigen, die den Banken Geld gegeben haben, und erst ganz zum Schluss – am besten gar nicht – der Steuerzahler. Das ist unsere Position.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich bin froh, dass die Union uns an dieser Stelle entgegengekommen ist, und hoffe, dass wir nicht nur in dieser Frage Einigkeit erzielen, sondern dass es uns auch gelingt, auf europäischer Ebene – dazu haben Sie unsere volle Unterstützung, Herr Minister – die Finanztransaktionsteuer einzuführen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Es liegt viel vor uns. Wir haben für die erste Wegstrecke Einigkeit erzielt. Es wird interessant bleiben.

Bleiben Sie uns gewogen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Rede des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium hätte man der Bundestagsverwaltung zureden sollen, diese Aktuelle Stunde in Märchenstunde umzubenennen. Herr Kampeter, Sie haben bewiesen, dass sich die Regierung Ihrer Verantwortung nicht stellt. Wenn Sie hier sagen, in Deutschland sei alles super, alles gut, die Haushalte seien in Ordnung, dann ist das schlicht eine Lüge.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben in den vergangenen vier Jahren über 110 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen – Ihre Verantwortung – und nicht einen Cent getilgt. Im Gegenteil: Der Schuldenberg ist gestiegen. Morgen werden Sie dem Bundestag im Rahmen des Nachtragshaushaltes 2013 vorschlagen, die Neuverschuldung auf 25 Milliarden Euro zu erhöhen.

(Otto Fricke (FDP): Und ihr werdet euch verweigern!)

Im ursprünglichen Entwurf waren es 17 Milliarden Euro. Hinzu kommen die Maßnahmen für die Fluthilfe, die wir als SPD natürlich mittragen.

(Otto Fricke (FDP): Aber nicht den Haushalt!)

Aber Sie haben keinen einzigen Vorschlag zur Gegenfinanzierung gemacht. Nichts haben Sie gemacht. Ihnen fehlt der Mut für strukturelle Reformen und für mehr Gerechtigkeit in diesem Land.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann sagen Sie hier: im nächsten Jahr und danach, dann sind wir wieder an der Regierung, und alles wird gut. Dann führen wir die Schulden zurück. – Das Gegenteil haben Sie in den vergangenen vier Jahren bewiesen.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Das ist nicht wahr!)

Wie soll jemand Vertrauen haben, dass sich im nächsten Jahr etwas ändert, wenn Sie vier Jahre auf Pump gelebt haben und in diesem Jahr wieder in die Vollen gehen? Und das wird der Fall sein.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Schwarz-Gelb an die Regierung gekommen ist, haben sie in Deutschland ein Wirtschaftswachstum übernommen, das federführend von Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück angekurbelt wurde, entschieden 2009 durch die Maßnahmen zur Unterstützung der Konjunktur. Es betrug 3,7 Prozent. 3,7 Prozent Wachstum!

(Dr. Florian Toncar (FDP): Minus 4 Prozent!)

Wie viel haben wir dieses Jahr noch? 0,4 Prozent!

(Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD): Stramme Leistung!)

Im vorigen Jahr waren es 0,7 Prozent.

(Dr. Florian Toncar (FDP): Von -4 auf 0,4!)

Wissen Sie, Herr Toncar, wie hoch das Potenzialwachstum in Deutschland normalerweise ist? Normalerweise liegt es bei 1,8 Prozent. Das heißt: Seit zwei Jahren liegen Sie – wenn man es summiert – um mehr als die Hälfte darunter. Das ist Versagen, meine Damen und Herren, aber keine Zukunft.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Zum Gründungsmonitor. Unternehmensgründungen und Selbstständige sind für die Wirtschaft wichtig. Der Gründungsmonitor der KfW – das ist die Staatsbank Deutschlands – zeigt: Die Stimmung war noch nie so schlecht. Es gibt in Deutschland so wenig Gründer wie nie zuvor. – Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Denn Sie haben die Mittel für den Gründungszuschuss, der ein sehr erfolgreiches Instrument ist, weil sich Arbeitssuchende dadurch selbstständig machen können, von 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 600 Millionen Euro gekürzt. Um die Leute, die hinten anstehen, kümmern Sie sich nicht. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie stellen sich hier hin und versprechen 50 Milliarden Euro. Ich bin ja einiges gewohnt. Die FDP hat schließlich Steuersenkungen im Umfang von 80 Milliarden Euro versprochen.

(Dr. Florian Toncar (FDP): Auch falsch!)

Nichts ist passiert. Das war klar. Es war ja auch kein Geld da. Wahr ist, Sie haben Leistungen wie das Betreuungsgeld sogar auf Pump finanziert. Jetzt sagt die CDU hier – ich hatte einmal den Verdacht, dass sie seriös sein könnte; aber der Verdacht hat sich als falsch erwiesen –, dass sie in den nächsten Jahren 50 Milliarden Euro mehr ausgeben will ? über das Plündern der Sozialkassen und über Verschuldung. Sie haben keinen einzigen Gegenfinanzierungsvorschlag gemacht.

Wir als SPD sagen: Ja, es braucht Veränderungen in Deutschland. Ja, wir brauchen mehr Geld für Bildung, weil es ungerecht ist, dass diejenigen, die aus armen Verhältnissen kommen, eben nicht das Beste aus sich machen können. Ja, wir brauchen mehr Geld für Investitionen, weil wir ganz klar von der Substanz leben. Die Infrastruktur verfällt, aber Sie haben Mittel in Höhe von 1 Milliarde Euro gekürzt. Das hat das Kabinett gestern beschlossen: 1 Milliarde Euro weniger für Investitionen. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ? Iris Gleicke (SPD): Alles geht nach Bayern!)

Das Geld müssen Sie irgendwo hernehmen; das ist richtig. Wir sagen: Ja, wir wollen Subventionen abbauen. Wir wollen einen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland, damit Lohndumping nicht noch vom Steuerzahler subventioniert wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ja, wir wollen die Mehrwertsteuervorteile da, wo Sie Ausnahmen gemacht haben und die Hoteliers begünstigt haben, wieder zurücknehmen. Ja, wir wollen, dass diejenigen, die die vergangenen Jahre davon profitiert haben, dass wir Banken gerettet und das Finanzsystem stabil gehalten haben, auch ihren Beitrag leisten, damit die 400 Milliarden Euro zurückkommen. Wo sind da Ihre Vorschläge? Nichts ist da.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Kanzlerin hat heute Morgen hier gesagt: Nie wieder werden wir Geld an Banken geben. Sie sagte auch, der Finanzminister hätte so toll verhandelt. Das Gegenteil ist gestern in Brüssel passiert. Wenn Sie die Verantwortung weiter tragen, bedeutet das, dass letztendlich der deutsche Steuerzahler für die Verluste europäischer Banken aufkommen muss. Die Gläubigerhaftung ist zurückgedreht worden.

(Otto Fricke (FDP): Es ist genau umgekehrt! Wir führen sie ein!)

Das ist ein Versprechen, das die Kanzlerin gegeben hat. Es wurde aber zurückgenommen. Sollten Sie wieder die Verantwortung bekommen, wird das im Endeffekt der deutsche Steuerzahler bezahlen müssen. Wir stellen uns dem entgegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte gedacht, dass der Herr Staatssekretär die Gelegenheit wahrnimmt, die Pläne der CDU, der er ja angehört, zum Wahlprogramm 2013 – dabei geht es um die nächste Legislaturperiode – mit zu erklären. Er hat aber gar keine Zeit darauf verwandt. Im Gegenteil, er hat nicht einmal Zeit darauf verwandt, darauf hinzuweisen, dass es diese Koalition aus Schwarz und Gelb geschafft hat, in vier Jahren größten Wachstums, höchster Steuereinnahmen und niedrigster Arbeitslosigkeit immer noch neue Schulden – 100 Milliarden Euro – aufzunehmen.

Herr Döring, Sie haben vorhin gesagt, Sie würden solide wirtschaften. Wissen Sie eigentlich, was für Haushalte Sie hier jedes Jahr beschlossen haben?

(Patrick Döring (FDP): Ja!)

Jedes Jahr war die Ziffer rot. Sie schaffen es nicht einmal für das Jahr 2014 – wo wir doch wirklich Rekordsteuereinnahmen haben –, eine Null hinzubekommen.

(Patrick Döring (FDP): Wir haben gesehen, wie viel Mehrausgaben Sie beantragt haben!)

Nein, jedes Jahr haben Sie neue Schulden gemacht.

(Patrick Döring (FDP): Abwegig!)

Bei der Wahl 2009 haben Sie versprochen, die Steuern zu senken. 2013 verspricht die CDU, jede Menge neue Sozialleistungen rauszuhauen, die überhaupt nicht gegenfinanziert sind. Sie wollen die Sozialkassen weiter plündern, den Sozialstaat unterhöhlen. Damit kündigen Sie wieder die nächste Wahllüge an. Ich finde, es ist abenteuerlich, das aus dem Munde eines Bundesfinanzministers zu hören.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie stehen damit, meine ich, klar in der Tradition desjenigen, der hier gestern in der Aktuellen Stunde verteidigt hat, dass er von nichts eine Ahnung hat. Er führt zwar das Verteidigungsministerium und ist für die Beschaffung von Flugzeugen im Wert von 1 Milliarde Euro zuständig, hat aber keine Ahnung, ist nicht informiert worden. Wahrscheinlich ist es bei Ihnen in der Partei immer so, dass man nicht richtig weiß, was man tut. Das wahre Problem in Deutschland ist, dass Sie mit dem Geld der Steuerzahler nicht solide umgehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum Thema Wachstum. Zu Beginn dieser Koalition hatte Deutschland ein Wachstum von fast 4 Prozent. Wie viel haben wir dieses Jahr noch? – 0,4 Prozent! Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Das ist, finde ich, alles andere als ein Erfolgsausweis.

(Patrick Döring (FDP): In ganz Europa schrumpft die Wirtschaft!)

Deswegen ist es wichtig und richtig , klar zu fragen: Was muss man daran eigentlich ändern? Herr Trittin hat zwei wichtige Punkte genannt. Die hat Ihnen die EU-Kommission im Übrigen in der vorigen Woche ins Stammbuch geschrieben. Das Erste ist: Es muss damit aufgehört werden, von der Substanz zu leben. Das heißt, es muss mehr investiert werden. In Ihrer Regierungszeit sind die Investitionen in Deutschland gesunken.

Der zweite Punkt betrifft die Bildung. Um langfristig in Deutschland leistungsstark zu bleiben, ist entscheidend, dass wir in die Köpfe unserer Kinder investieren. Was tun Sie an dieser Stelle?

(Zuruf von der CDU/CSU: Was tut die SPD? Und was tun die Landesregierungen?)

Nichts! Im Gegenteil, Sie wollen für das Ehegattensplitting eine neue steuerliche Leistung in Höhe von 30 Milliarden Euro – das nennt sich dann Familiensplitting – einführen, ohne etwas dafür zu tun, dass jedes Kind einen Kindergarten- bzw. Krippenplatz bekommt und jeder, der sich darum bewirbt, einen Platz an der Universität erhält, an der er exzellent ausgebildet wird. Das wären die Zukunftsaufgaben für Deutschland.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben in dieser Legislaturperiode 100 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen, und Sie haben es nicht geschafft, die 20 Milliarden Euro, die dafür eingesetzt wurden, um 2009 die Konjunktur wieder in Gang zu bringen, zu tilgen. Das ist nicht passiert. Daran rühren Sie nicht: Sie tilgen sie nicht, obwohl die wirtschaftliche Lage exzellent ist.

Wir müssten ? als Sozialdemokraten stehen wir dafür ? die Subventionen in Deutschland streichen. Haben Sie das getan? Oder haben Sie Subventionen erhöht? Sie haben mit dem Hotelsteuerprivileg – auch Herr Trittin hat darauf hingewiesen – den Hoteliers knapp 5 Milliarden Euro in die Tasche gesteckt. Das Ganze haben Sie mit Steuergeld subventioniert. Das Ergebnis Ihrer Politik sind höhere Schulden.

Deswegen kann ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, nur zu dem Schluss kommen, dass Sie selbst nicht mehr glauben, für die Vorschläge, welche die Union hier heute oder in den vergangenen Tagen vorgelegt hat, Verantwortung übernehmen zu können. Auch glauben Sie nicht, sie umsetzen zu können; denn wenn Sie sich einigermaßen ernst nehmen würden, können Sie nicht – wie Herr Ramsauer das getan hat – für Eigenheimzulagen in Höhe von 8 Milliarden Euro sein. Dann können Sie auch nicht – wie die FDP – für die Abschaffung des Solis – das macht 13 Milliarden Euro aus – sein. Auch können Sie dann nicht – nachdem Sie den Staat finanziell ausgehöhlt haben – auf der anderen Seite Mehrausgaben in der Größenordnung von Milliarden planen, die nicht zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und zu mehr Gerechtigkeit in Deutschland führen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)