Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kauder, die SPD ist sich sehr wohl der Verantwortung bewusst, die wir für Europa, also auch für die Stabilität unserer Wirtschaft und Währung, haben.

(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Dann nehmen Sie sie auch wahr!)

Deswegen haben wir auch nie geleugnet, dass wir Schutzmauern brauchen, um den Absurditäten der Finanzmärkte etwas entgegenzusetzen. Wer das geleugnet hat, waren Sie!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kollege Trittin hat die Zitate gebracht: Der erste Fonds wäre nur für den Übergang, der würde nicht dauerhaft da sein. – Die 500 Milliarden Euro, die jetzt dauerhaft da sind, hat die Bundeskanzlerin nach dem Europäischen Rat noch als sakrosankt erklärt.

(Joachim Poß (SPD): Ja!)

Das ist drei Monate her. Jetzt sind wir bei einer Summe – zumindest im Übergang bis zum 30. Juni 2013 – von 940 Milliarden Euro, für die die Europäische Gemeinschaft und auch Deutschland haften – Deutschland mit 400 Milliarden Euro.

Herr Minister Schäuble, Sie haben Ihre Rede heute nicht an das deutsche Volk oder an den Bundestag gehalten, sondern an Ihre eigene Truppe.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sich die Umfragen in der Bevölkerung anschauen, dann stellen Sie fest, dass die Zustimmung zu den Maßnahmen – vorsichtig formuliert – sehr zurückhaltend ist. Ich glaube, dass Sie, die Bundesregierung, aber auch die Koalition, eine große Verantwortung dafür tragen. Sie sagen nicht klar, warum es notwendig ist, dass wir anderen Staaten helfen, wenn sie von den Finanzmärkten erpresst und ausgetrocknet werden. Das ist der Vorwurf, den wir Ihnen machen. Es ist zu kurzfristig; es ist wieder nicht überzeugend. Und insbesondere auf die Frage, wie wir da eigentlich wieder rauskommen – Thema Wachstum -, dass die Politik am Gängelband der Märkte durch die Manage getrieben wird und dass Staats- und Regierungschefs morgens erst auf den Ticker schauen, wie die Kurse von Anleihen stehen, bevor sie politische Entscheidungen treffen, geben Sie keine Antwort. Das ist uns zu wenig!

(Beifall bei der SPD)

Herr Kauder sagte gerade, wir kommen jetzt aus der Phase der Risiken und Krisenmechanismen in eine dauerhafte, stabile Situation. Ich hoffe das sehr – allein mir fehlt der Glaube. Ich glaube, wir haben es derzeit mit einer Scheinruhe zu tun, einer Scheinsicherheit, die vor allem daher rührt, dass die Europäische Zentralbank die politischen Fehler des Nichthandelns, die Sie gemacht haben, korrigiert, indem sie die Märkte mit Geld flutet: mit 1 Billion Euro.

(Michael Roth (Heringen) (SPD): Ohne Konditionierung!)

– Und das ohne politische Konditionierung.

(Petra Merkel (Berlin) (SPD): Richtig!)

Was ist jetzt passiert? Erstens gibt es eine lauernde Inflationsgefahr; zweitens verdienen sich die Banken, die Sie quasi als Mittler nutzen, dumm und dämlich. 1 Prozent zahlen sie bei der Europäischen Zentralbank, 4 Prozent bekommen sie von den Staaten. Wer da kein gutes Geschäft macht, ist selber schuld. Diese nutzen also ganz gezielt diesen Marktmechanismus, und Sie nehmen das in Kauf.

Was ich dann aber erwarte, Herr Minister Schäuble, ist, dass Sie dafür sorgen, dass die Banken einen Teil der Verantwortung tragen.

(Beifall der Abg. Mechthild Rawert (SPD))

Das bedeutet, dass sie die Gewinne, die sie jetzt machen, eben nicht an ihre Aktionäre ausschütten. Es muss ein Dividendenausschüttungsverbot geben, damit das Eigenkapital gestärkt wird

(Petra Merkel (Berlin) (SPD): Richtig!)

und die Manager am Ende des Jahres nicht dastehen und sagen: „Wir haben super Geschäfte gemacht, jetzt regnet es wieder Boni vom Himmel!“ – Das müssen Sie ändern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE))

Neben dem Europäischen Stabilitätsmechanismus soll es jetzt also auch den Fiskalpakt geben. Der wird uns als Bundestag sehr binden. Ich glaube auch, das ist zwingend notwendig, wenn man – und dafür stehe ich – die Europäische Union und die europäische Währung erhalten will. Da muss der Grundfehler, eine Währung, aber ganz unterschiedliche Haushalts- und Finanzpolitiken zu haben, beseitigt werden. Das bedeutet dann natürlich auch zwingend die teilweise Abgabe des Budgetrechts, das wir hier als Königsrecht verstehen. Das bedeutet auf lange Sicht – das hat Frank-Walter Steinmeier deutlich gemacht – eine neue Europäische Union.

(Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Ist das mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung?)

Das bedeutet aber auch eine neue Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Europäischen Union. Ich finde, wir müssen darüber sprechen, wie wir diese ausgestalten, damit sie nicht nur den Märkten dient, sondern vor allen Dingen auch den Menschen in Europa.

(Beifall bei der SPD)

Der Fiskalpakt, den Sie jetzt vorgelegt haben, geht bei weitem nicht weit genug. 90 Prozent dessen, was darin steht, ist schon europäisches Recht. Sie hätten im Oktober, als das „Sixpack“ der Europäischen Kommission im Europäischen Parlament verhandelt wurde – hier geht es darum, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu verändern -, die automatischen Sanktionen verankern können. Aber es waren Frau Merkel und Herr Sarkozy, die das bei ihrem Strandspaziergang in Deauville weggewischt haben. Wir diskutieren hier über ein Phantomthema. Man hätte es schon längst auch mit den Briten innerhalb des europäischen Rahmens regeln können. Dies wäre bedeutend besser gewesen als das, was Sie hier parallel vorlegen.

(Beifall bei der SPD)

Dazu, dass sich Deutschland – das betrifft Sie, Herr Minister Schäuble; Sie sind als Eurogruppenchef im Gespräch – als Stabilitätsanker darstellt, kann ich nur sagen: Sie sind mit Ihrer Politik, insbesondere mit Ihrer Haushaltspolitik, ein schlechtes Vorbild. Wer 2011 17 Milliarden Euro Schulden aufnimmt und mit dem Nachtragshaushalt 2012, den wir hier beraten werden, 34 Milliarden Euro Schulden aufnimmt  – das ist eine Verdoppelung der Schulden, obwohl aufgrund der guten Konjunktur die Steuereinnahmen steigen -, der sollte anderen keine Vorschriften machen und den Eindruck erwecken, als wäre das alles normal.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE))

Im Gegenteil: Sie taugen nicht als Vorbild. Deswegen meine ich, Sie müssen dies korrigieren, um auch in Europa glaubhaft zu sein, und insbesondere die Vorschläge von Frank-Walter Steinmeier berücksichtigen, Gespräche zu mehr Wachstum aufzunehmen, damit wir unser Geld wiederbekommen und es keine dauerhaften Transfers werden. Das ist ein zwingender Punkt neben der Besteuerung der Finanzmärkte.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

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