Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer erläutert im Interview die Pläne der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Kampf gegen explodierende Mietkosten. Mietensteigerungen sollen stark begrenzt werden.

Frage: Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, gerät nach seinen Äußerungen zu den Vorfällen in Chemnitz immer stärker unter Druck. Er bezweifelt, dass es dort wirklich Hetzjagden auf Ausländer gegeben hat und hat die Echtheit eines Videos infrage gestellt. Ist er noch der richtige Mann an der richtigen Stelle?

Schneider: Daran gibt es starke Zweifel. Herr Maaßen wird am Mittwoch im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages darlegen müssen, wie er zu seinen Aussagen kommt. Wir erwarten ein klares Lagebild. Das Kernproblem liegt bei Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer. Es ist verstörend, dass es zwischen dem für die Koordinierung der Nachrichtendienste zuständigen Kanzleramt und dem Bundesinnenministerium offenbar keine Kommunikation über sicherheitsrelevante Themen gibt. Sie kommen zu gänzlich unterschiedlichen Einschätzungen. Damit wirkt sich der persönliche Streit zwischen den Parteichefs von CDU und CSU, zwischen Kanzlerin und Bundesinnenminister, auch auf die innere Sicherheit aus. Das ist nicht hinnehmbar. Die Befindlichkeiten zwischen beiden führen dazu, dass es in der inneren Sicherheit keine gemeinsame Linie und kein Vertrauen mehr gibt.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wusste von Maaßens Absicht, sich öffentlich zu äußern. Es heißt, er habe ihn sogar dazu animiert …

Es ist üblich, dass der Chef einer nachgeordneten Behörde, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz, seine Interviews mit dem Dienstherrn abspricht.

Ich gehe davon aus, dass Bundesinnenminister Seehofer über die Äußerungen von Herrn Maaßen informiert war. Jedenfalls hat er ihm noch am Freitag sein Vertrauen ausgesprochen. Maaßens Äußerungen sind schon eine äußerst steile These. Er behauptet ja nichts anderes, als habe es ein manipuliertes Video gegeben, um von dem Mord abzulenken. Seine Aufgabe ist es, die Verfassung zu schützen und nicht zu spekulieren. Herr Maaßen muss jetzt schnell Klarheit schaffen. Wenn sich seine Äußerungen als falsch herausstellen, muss das Konsequenzen haben. Für ihn und im Bundesinnenministerium.

Themawechsel: Die SPD will eine Mietwende und fordert einen Stopp für Mieterhöhungen über fünf Jahre. Kritiker sprechen von Ideen aus der Mottenkiste, die noch dazu verfassungswidrig seien.
Wie wollen Sie solche Pläne umsetzen?

Wir greifen damit sehr stark in den Markt ein. Aber die Marktwirtschaft muss auch sozial sein. Mehr als die Hälfte aller Menschen in diesem Land verfügt nicht über Wohneigentum und wohnt zur Miete. Für ihre soziale Sicherheit ist es entscheidend, dass die Mieten nicht immer weiter kräftig steigen. Wenn die Mieten immer teurer werden, führt dies zu einer Umverteilung. Wir wollen die Ausbeutung der Mieter stoppen.

Für den Wohnungsbau braucht es auch private Investoren. Fürchten Sie nicht, dass ihr Mietenstopp potenzielle Bauherren abschrecken wird?

Nein, damit rechne ich nicht. Wir haben seit Jahren einen Run auf Immobilien. Es gibt großes Interesse an „Betongold“, und das wird auch so bleiben.

Außerdem: Die Mieten können nach unserem Plan künftig auch noch in dem Maße angehoben werden, in dem die Inflation steigt. In manchen Ballungsgebieten haben wir zuletzt aber Mietsteigerungen von 60 bis 70 Prozent erlebt. Da müssen Menschen ihr Viertel verlassen, aus der Stadt herausziehen. Da wollen wir eingreifen. Bei immer höheren Mieten bleibt den Menschen immer weniger Geld zum Leben. Eigentum verpflichtet. Das gilt eben auch für Vermieter.

Das Bundeskabinett hat gerade erst die wenig wirksame Mietbremse erweitert und nachgebessert. Warum kommt die SPD erst jetzt mit ihrem Mietenstopp?

Wir brauchen dafür eine Mehrheit und eine breite gesellschaftliche Unterstützung. Wenn sich die Union hier nicht bewegt, werden wir das im Wahlkampf zum Thema machen. Wir wollen das Problem der hohen Mieten strukturell angehen. Dazu gehört die Änderung des Grundgesetzes, damit der Bund mehr für den sozialen Wohnungsbau tun kann. Dafür setzen wir Milliarden ein. Das Maklerprinzip wird umgekehrt. Beim Wohnungskauf muss der Verkäufer die Provision zahlen. Und wir führen das Baukindergeld ein. Bis diese Maßnahmen greifen, brauchen wir den Mietenstopp.

Berlin / Thomas Block und Mathias Puddig 06.07.2018

Interview – Die SPD will den Asylstreit schnell hinter sich lassen. Nach wochenlanger Lähmung verlangt Carsten Schneider, Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, die Rückkehr zur Sacharbeit. Er sei es leid, der Diva Seehofer zuzusehen.

Herr Schneider, Sie sind seit 20 Jahren im Bundestag. So turbulent wie jetzt war es selten. Freuen Sie sich?

Carsten Schneider: Wir erleben gerade extreme Zeiten, nicht nur innen- sondern auch außenpolitisch. Fast alle Parteien im Deutschen Bundestag werden deshalb ordentlich durchgeschüttelt. Die beiden so genannten Schwesterparteien CDU und CSU, die bislang immer als seriös galten, bekämpfen sich bis aufs Blut. In dieser Härte habe ich das noch nicht erlebt, und jeden Tag gibt es neue Krisenmeldungen. Wir kommen deshalb kaum zur Normalität.

Dafür sind sich alle einig, dass die Debatten lebendiger geworden sind.

Dass im Plenarsaal nun zwei Fraktionen mehr sitzen, spiegelt die Heterogenität der Meinungen in der Bevölkerung wider und ist auch in Ordnung. Nicht in Ordnung ist, wie sich der Diskurs verändert und radikalisiert hat. Die Konsensbildung wird immer schwieriger. Es gibt eine immer stärkere Individualisierung, auch in Teilen der Parteien. Beispielhaft dafür war die Entscheidung der FDP, nicht in die Regierung zu gehen. Das war eine egoistische Entscheidung.

Gibt es so etwas auch in der SPD?

Hinter uns liegen wilde Zeiten. Wir haben bei der Wahl extrem verloren, uns dann für die Opposition aufgestellt und sind nach dem Scheitern von Jamaika doch in der Regierung gelandet. Wir haben uns der Verantwortung gestellt und sind nun der Stabilitätsanker der Koalition.

Man konnte den Eindruck gewinnen, dass die SPD kontrollierter und damit auch unsichtbarer geworden ist.

Nicht jede Sau, die durchs Dorf getrieben wird, muss zwingend eine sein, die wir antreiben. Wir sind nach dieser harten Niederlage in einem Erneuerungsprozess. Wir müssen das verlorengegangene Vertrauen  zurückgewinnen – und das unter extremen Konkurrenzbedingungen, während wir in Regierungsverantwortung sind. Das ist schon eine große Herausforderung.

Hinter der Regierung liegt ein wochenlanger Streit voller Provokationen und Polarisierungen. Glauben Sie, dass das jetzt vorbei ist?

Wir haben drei Wochen des lodernden Feuers im Haus der CDU und CSU erlebt. Das hat viel Vertrauen zerstört. Das Ansehen der Demokratie hat gelitten. Der Innenminister hat sich mit der Kanzlerin in einer Art und Weise auseinandergesetzt, die ich dem schlimmsten Feind nicht zumuten würde. Das belastet die Regierungsarbeit. Wir erwarten, dass CDU und CSU wieder zu einer ordentlichen Regierungsarbeit zurückkehren.

Was steht aus Ihrer Sicht jetzt an?

Drei Gesetzesvorhaben, die uns wichtig sind, werden gerade von der Union blockiert: der soziale Arbeitsmarkt für 100?000 Langzeitarbeitslose, das Gute-Kita-Gesetz mit vier Milliarden Euro für die Senkung von Kindergartenbeiträgen und eine Verbesserung des Mietrechts zur Stärkung der Mieter gegenüber den Vermietern. Da muss es jetzt vorangehen. Denn wir wollen etwas verändern und nicht nur so tun, als seien wir eine Regierung.

Sie haben gesagt, sie seien nicht mehr bereit, „die Leiden der alten, weißen Männer“ zu ertragen. Was passiert, wenn das nicht aufhört?

Es ist vollkommen klar, dass wir die Situation, wie wir sie in den letzten Wochen hatten, nicht mehr länger dulden werden. Wir werden gut dafür bezahlt, dass wir eine Regierung stellen, die ihre Arbeit macht. Wenn CDU und CSU den Schuss jetzt nicht hören, dann ist die Regierung irgendwann auch am Ende. Wenn Verabredungen, die wir im Koalitionsvertrag getroffen haben, nicht gelten, dann ist die Grundlage weg.

Zuvor müssen Union und SPD aber eine Lösung für den Asylstreit finden. Wie soll das gehen?

Die Hauptverantwortung liegt beim Bundesinnenminister. Der muss seine Arbeit machen und mit den europäischen Partnerländern dafür sorgen, dass ein Abkommen geschlossen wird, dass die Rücknahme von bereits registrierten Flüchtlingen regelt. Bisher hat er sich aber in Brüssel nicht blicken lassen. Ich bin es leid, solch einer Diva zuzusehen. Ich will, dass er seine Arbeit macht. Wenn die CSU noch halbwegs bei Verstand ist, dann kehrt sie jetzt zur Sacharbeit zurück.

Herr Schneider, der Bonner Parteitag hat mit 56,4 Prozent grünes Licht für Koalitionsverhandlungen mit den Unionsparteien gegeben. Ist Ihnen ein Stein vom Herzen gefallen?

Ich bin erleichtert. Ich finde es richtig, dass wir in Koalitionsverhandlungen eintreten. Dafür habe ich mich eingesetzt. Die SPD war immer eine verantwortungsbewusste Partei, die für Veränderungen zum Wohl der Menschen in diesem Land eingetreten ist. Wir stehen in der Regierung für sozialen Fortschritt. Der Kampf um den Mindestlohn in der letzten Legislaturperiode ist ein gutes Beispiel dafür. Das werden wir fortsetzen, sollte es zu einer Neuauflage der Großen Koalition kommen.

 

Hört sich alles schön an, aber SPD- Parteichef Martin Schulz hatte zuvor schon am Wahlabend eine Neuauflage der GroKo ausgeschlossen, Fraktionschefin Andrea Nahles kündigte nur wenige Stunden später mit markigen Worten praktisch eine Fundamentalopposition an, und jetzt müssen Sie die Rolle rückwärts erklären …

… weil wir uns beim besten Willen nicht vorstellen konnten, dass eine vermeintlich bürgerliche Koalition nicht in der Lage ist, eine Regierung zu bilden. Die Lage am Wahlabend war doch klar: Die Volksparteien mussten erhebliche Verluste einstecken. Wir haben darauf reagiert, indem wir für uns die Rolle als Opposition im Bundestag angenommen haben. Was folgte, war ein Tohuwabohu. Zunächst mussten CDU und CSU ihre eigenen Sondierungen führen, um interne Konflikte auszuräumen, und dann inszenierten die Jamaika-Parteien Verhandlungen, bei denen Frau Merkel nur moderiert und nicht geführt hat. Am Schluss hat die FDP kalte Füße bekommen und ist weggelaufen. Das war verantwortungslos. Die SPD kann in dieser neuen Lage nicht teilnahmslos am Spielfeldrand stehen. Nur wer auf dem Platz steht, kann auch Tore schießen.

 

Können Sie das überhaupt? Dafür müssen Sie noch verhandeln, „bis es quietscht“, wie es Fraktionschefin Nahles angekündigt hat. Sonst bleibt der Mitgliederentscheid doch unberechenbar …

Am Ende entscheidet sich das an den Inhalten. Die Mitglieder wissen, was die Menschen im Land umtreibt. Die Sondierungen haben bereits ergeben, dass die SPD viele ihrer Forderungen durchsetzen kann. Deshalb lohnen sich die Koalitionsverhandlungen. Wir werden unser Land noch sozialer und gerechter gestalten und nicht einfach dort weitermachen, wo wir vor der Bundestagswahl aufgehört haben. Das ist hoffentlich auch Frau Merkel und Herrn Seehofer inzwischen bewusst geworden. Die SPD wird in einer neuen Regierung selbstbewusster auftreten und Konflikte stärker als bisher öffentlich austragen – und nicht nur hinter verschlossenen Türen im Koalitionsausschuss. Das Regieren wird für Frau Merkel schwieriger.

 

Das heißt konkret?

Der Bundestag muss das Zentrum der politischen Debatte in Deutschland sein, nicht die Talkshows. Die Themen, die die Menschen bewegen, in den Familien, am Stammtisch oder am Arbeitsplatz, müssen auch dort mehr stattfinden. Sollte Frau Merkel wieder zur Bundeskanzlerin gewählt werden, muss sie künftig persönlich regelmäßig Rede und Antwort stehen und kann sich nicht mehr hinter Ministern verstecken. Diesen Vorschlag, den ich in der ersten Sitzung des neuen Bundestags eingebracht habe, konnten wir in den Sondierungsgesprächen durchsetzen.

 

Aber Herr Schneider, die Menschen interessiert doch mehr als eine neue Debattenkultur im Bundestag, ob ihre Rente reicht, sie von Ärzten nur schnell einen Termin bekommen, wenn sie privat versichert sind, oder ob sie genügend Geld verdienen, um vernünftig leben zu können.

Ich glaube, dass die Menschen erwarten, dass Politiker ihre Probleme verstehen und sich für sie einsetzen und dafür im Parlament kämpfen. Das machen wir! Das schafft Glaubwürdigkeit und kann die Sozialdemokratie bei den kommenden Wahlen stärken. Die Beispiele, die Sie angefügt haben, stehen übrigens alle im SPD-Programm. Über die Veränderung der Zweiklassenmedizin und die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung werden wir jetzt in den Koalitionsgesprächen erneut verhandeln. An anderen Stellen haben wir bereits in den Sondierungen konkrete Fortschritte erreicht.

 

Die da wären?

Mit der Einführung der Solidarrente und der Anhebung des gesetzlichen Rentenniveaus von 43 auf 48 Prozent stärken wir die Absicherung im Alter. Mit einer Mindestvergütung für Auszubildende und der Schaffung von 150000 Stellen für Langzeitarbeitslose werden Chancen für Aus- und Weiterbildung entstehen. Mit der guten Kinderbetreuung, die wir noch verbessern wollen und die gebührenfrei sein soll, der Anhebung des Kindergelds und dem Ausbau des BAföG verbessern wir die Aufstiegs- und Bildungschancen. Das sind nur ein paar Beispiele dafür, was die SPD schon durchsetzen konnte und die es ohne unseren Eintritt in eine Koalition nicht geben würde.

 

Wo bleibt bei allem der Osten? Sie als Erfurter und Manager der SPD-Bundestagsfraktion …

Bei Jamaika hat der Osten keine Rolle gespielt. Dabei ist der Angleichungsprozess seit einigen Jahren wieder zum Erliegen gekommen. Das akzeptiere ich nicht. Auch mehr als 25 Jahre nach der Wiedervereinigung hilft es in Bayern oder Baden-Württemberg niemandem, wenn der Osten nicht auf eigenen Beinen stehen kann.

 

Wie soll das passieren? Die Produktivität liegt nach wie vor weit unter der westdeutschen, und auch die Löhne hinken immer noch hinterher.

Stimmt. Gemeinsam mit Manuela Schwesig habe ich mich dafür eingesetzt, dass der Bund mehr tut, um die Schere bei den Lebensbedingungen in Ost und West zu schließen. Die Entwicklungschancen, gerade im Osten, müssen wieder gestärkt werden, damit die Menschen nicht weggehen müssen, sondern sogar wieder zurückkommen. Sie sind unser Kapital. Wir werden deshalb ein neues System zur Förderung strukturschwacher Regionen einführen. Das fängt mit der gezielten Ansiedlung neuer Forschungsinstitute an und hört bei dem Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs auf. Die Einzelheiten werden wir jetzt in den Koalitionsverhandlungen detailliert besprechen.

 

Und wann wird das sein?

Wir werden schnell und hart verhandeln. Deutschland braucht eine handlungsfähige Regierung. Das erwarten die Menschen hier, aber auch in Italien, Frankreich und Polen von uns. Spätestens bis Ostern sollten wir darüber Klarheit haben.

 

Externer Link:

  • http://www.superillu.de/spd-politiker-carsten-schneider-im-interview-das-regieren-fuer-frau-merkel-wird-schwieriger

Berlin Griechenland erhält neue Kredite im Umfang von 8,5 Milliarden Euro, um eine Staatspleite abzuwenden. Darauf haben sich die Euro-Finanzminister in Luxemburg geeinigt. Der SPD-Fraktionsvize und Haushaltsexperte Carsten Schneider kritisiert das jüngste Verhandlungsergebnis als Scheinlösung.

Herr Schneider, hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble getrickst?

SCHNEIDER: Das kann man so sagen. Um die Zustimmung zum Hilfsprogramm in seiner Fraktion zu erreichen, hatten Merkel, Schäuble und Kauder mit dem Argument gelockt, der Internationale Währungsfonds IWF werde immer dabei sein. Nun stellt der IWF zwar ein eigenes Programm in Aussicht, zahlt aber kein Geld aus, solange sich die Eurogruppe nicht auf Schuldenerleichterungen für Athen geeinigt hat. Das ist eine Scheinlösung und gemessen an Schäubles Versprechen, den IWF im Boot zu haben, eine deutliche Veränderung der Geschäftsgrundlage.

Und was heißt das?

SCHNEIDER: Schäuble täuscht die Öffentlichkeit. Sein Ziel ist es offenbar, nicht noch vor der Bundestagswahl Farbe bekennen zu müssen. Denn Schuldenerleichterungen für Griechenland würden natürlich auch den deutschen Steuerzahler Geld kosten.

Was würde es bringen, wenn sich der Bundestag noch einmal mit der Sache befasst?

SCHNEIDER: Zunächst einmal: Rechtlich zwingend ist das nicht. Aber offenbar gibt es bei den Kollegen der Union noch großen Diskussionsbedarf. Theoretisch könnte der Bundestag eine Auszahlung der Gelder an Griechenland noch verhindern. Praktisch halte ich das aber für ausgeschlossen, auch weil die SPD eine finanzielle Beteiligung des IWF nie zur Bedingung gemacht hat. Ein Stopp der Hilfsgelder wäre auch grundfalsch, denn Griechenland hat große Fortschritte bei notwendigen Reformen erzielt. Und das war ja immer die Bedingung für die finanzielle Unterstützung.

Das Gespräch führte ­Stefan Vetter. Das ausführliche Interview lesen Sie  auf www.saarbruecker-zeitung.de/berliner-buero
Interview am 16. Juni 2017

Aufregerthema Managergehälter: Die Kluft zwischen Vorständen und Arbeitnehmern ist Beleg der wachsenden sozialen Ungleichheit in Deutschland. Dem will die SPD-Bundestagsfraktion Einhalt gebieten. Der haushaltspolitische Sprecher Carsten Schneider erklärt, wie.

Herr Schneider, die SPD will Managergehälter höher besteuern und die klaffende Lohnlücke zwischen Vorstand und Arbeitnehmern verkleinern. Warum? 

Früher hat ein Vorstand das Zwanzigfache des normalen Arbeitnehmers verdient und damit gut gelebt. Heute sind wir im Schnitt der Dax-Unternehmen beim Fünfzigfachen, teilweise beim Hundertfachen. Das ist eindeutig zu viel und wir haben nicht die genügende Transparenz dazu. Beides wollen wir ändern.

Kritiker monieren, Sie würden keine konkreten Gehaltsgrenzen nennen. Warum nicht? 

Wir können gesetzlich nicht vorschreiben, wo hoch ein Managervertrag dotiert sein darf. Dem steht das Grundgesetz entgegen. Deswegen setzen wir auf die Verantwortung der Eigentümer. Wenn die Verhandlungen aus dem Dunklen ins Licht kommen, werden Exzesse der Vergangenheit angehören. Und Spitzengehälter werden für das Unternehmen jetzt teurer.

Wie genau wollen Sie Transparenz schaffen?

Die Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften sollen ihre Verantwortung wahrnehmen und auf Vorschlag des Aufsichtsrates ein Verhältnis zwischen den Gehältern des Vorstands und dem der durchschnittlichen Beschäftigten bestimmen. So holen wir die Gehaltsverhandlungen aus dem stillen Kämmerlein. Vorstand und Aufsichtsrat in den Hauptversammlungen dürften dann unter einen gewissen Rechtfertigungsdruck kommen.

Sieben Monate vor der Bundestagswahl: Wie realistisch ist es, den Entwurf noch in der laufenden Legislatur in ein Gesetz zu gießen?

Für uns gilt der Gesetzentwurf, den wir jetzt vorgelegt haben, wenn ihn die Fraktion am 7. März beschließt. Daran werden wir keine Abstriche machen. Die Union ist jetzt gefordert, Farbe zu bekennen und dem Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung Rechnung zu tragen. Wenn sie dazu bereit ist, können wir das Gesetz sehr schnell beschließen.

Die Union ist unentschlossen, bietet ein Gesetz zur Einbindung von Unternehmenseignern in die Gehaltsverhandlungen für Manager an. Reicht das aus?

Das ist eindeutig zu wenig. Wir werden weder von der Begrenzung der Absetzbarkeit von Managergehältern über 500.000 Euro noch von der Vergütungsbremse durch ein Maximalverhältnis zwischen Vorstandsgehältern und Durchschnittslohn normaler Arbeitnehmer Abstriche machen. Den Konflikt innerhalb der CDU haben deren Vertreter zu klären. Wir sind sofort bereit, das umzusetzen.

Interview für Vorwärts.de am 22.2.2017

2019 läuft der Solidarpakt II aus. Dafür soll der Bund Zahlungen an die finanzschwächeren Länder leisten. Allerdings wächst damit auch die Abhängigkeit Ostdeutschlands von der Kassenlage des Bundes. Ab Donnerstag debattiert der Bundestag über den neuen Länderfinanzausgleich. Ostdeutschland muss sich aus Sicht des SPD-Finanzexperten Carsten Schneider auf weniger Geld einstellen, sagt er im Interview mit MDR AKTUELL.

Tim Herden: 2019 läuft der Solidarpakt aus. Gleichzeitig werden die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu geregelt. Was ändert sich dann für die neuen Länder?

Carsten Schneider: „Die letzte Rate von 1,9 Milliarden Euro aus dem eigentlichen Solidarpakt in 2019 an die neuen Länder wird durch neue Zuweisungen abgelöst, die in der Summe etwas geringer sind. Wurden bisher die Kosten für den Angleichungsprozess finanziert, wird künftig strukturelle Schwäche bei der Finanzkraft der Kommunen und den Forschungszuweisungen ausgeglichen. Wenn diese Strukturschwächen abgebaut werden, bedeutet das dann auch geringere Zuweisungen.“

Wie groß werden die finanziellen Einbußen sein und können die Länder die entstehenden finanziellen Löcher aus eigener Kraft schließen?

„Für die Zeit nach 2020 gab es bisher keine Festlegungen, deshalb kann man konkrete Einbußen nicht beziffern. In der geplanten Konstruktion der Zuweisungen gibt es ein Anreizproblem, das heißt, wenn die neuen Länder stärker werden, etwa in dem die Kommunen durch Unternehmensansiedelungen mehr Steuereinnahmen haben, bekommen die Länder geringere Zuweisungen.“

Welche Auswirkungen könnte es auf den Alltag der Menschen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben?

„Die finanzstarken Länder haben durchgesetzt, dass der Länderfinanzausgleich abgeschafft wird und sie deshalb künftig zusätzliche Handlungsspielräume für Ausgaben in ihren Landeshaushalten bekommen. Die Solidarität zwischen den Bundesländern nimmt deutlich ab. Dafür soll künftig der Bund einspringen, von dem die finanzschwachen Länder stärker abhängig sein werden. Der Bund wird deshalb stärker in der Pflicht sein, mehr Geld zur Verfügung zu stellen, um auch künftig für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen.“

Die CDU will dann den Solidaritätszuschlag abschaffen. Was soll aus Sicht der SPD dann nach 2019 mit dem Soli passieren?

„Der Bund hat auch nach 2019 noch erhebliche Ausgaben für den Angleichungsprozess, gerade auch durch das neue Finanzausgleichssystem. Hinzu kommen aber auch Ausgaben für die Angleichung der Ost-Renten, die – wenn es nach der SPD gegangen wäre – schon zum Jahr 2020 erreicht worden wäre. Die CDU hat das leider verzögert. Eine Abschaffung des Soli würde vor allem hohe Einkommen entlasten. Die SPD wird im Rahmen ihres Steuerkonzepts einen ausgewogenen Vorschlag machen.“

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SPD-Fraktionsvize Carsten Schneiders warnt davor, das Haushaltsplus des Bundes von 6,2 Milliarden Euro allein für den Schuldenabbau zu verwenden. Stattdessen sollte es mehr Investitionen geben, vor allem in die Infrastruktur, sagte er im DLF. Hier sei das Geld besser angelegt als bei der Tilgung eines „relativ geringen Betrags“.

Carsten Schneider im Gespräch mit Doris Simon

 


Doris Simon: Mitgehört hat SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider, zuständig für Haushalt und Finanzen. Guten Tag, Herr Schneider.

Carsten Schneider: Hallo, Frau Simon.

Simon: Der Bundesfinanzminister will mit dem Haushaltsüberschuss des Bundes Schulden abbauen. Die CSU verlangt Steuererleichterungen. Ist es vernünftig, derzeit nicht alles in die ohnehin schon gut gefüllte Schatulle für die Integration von Flüchtlingen zu stecken?

Schneider: Zunächst einmal freue ich mich, dass wir so gut gewirtschaftet haben. Das ist ein Verdienst in Deutschland insbesondere der Binnennachfrage. Wir haben kaum aus den Exporten heraus Impulse gehabt, sondern von innen heraus: Gute Lohnabschlüsse und auch die öffentlichen Investitionen, die wir getätigt haben, haben dazu beigetragen. Jetzt gilt es zu überlegen, wie wir mit diesen sechs Milliarden Euro umgehen. Sie haben es richtig gesagt: Sie gehen eigentlich in die Rücklage. Einen Teil davon lösen wir im Jahr 2017 auf, dann würde die sinken auf sechs Milliarden und man könnte sie nutzen, um dort Vorsorge zu haben.

Ich persönlich und die SPD ist aber dafür, dass wir die Investitionen in Deutschland stärken. Dort haben wir einen extremen Nachholbedarf. Wir haben fast 130 Milliarden Euro Substanzverzehr jedes Jahr, was wir an die KfW zahlen, wo wir Investitionen brauchen. Ich bedauere sehr, dass das im letzten Jahr auch unserem Verkehrsminister nicht gelungen ist, alle Mittel dort zu binden. Diese Vorfahrt für Investitionen – das ist auch das, wie wir jetzt in die Verhandlungen reingehen werden.

Simon: Die Union möchte ja, ich sagte es eingangs, Schulden abbauen oder Steuererleichterungen. Macht das nicht auch Sinn, angesichts der guten Konjunktur den Bürgern was zurückzugeben?

Schneider: Na ja. Die Frage ist ja, angesichts der sehr guten Konjunkturlage, wie stabilisiert man das auch. Herr Schäuble hat ja auch darauf hingewiesen, dass Steuersenkungen dauerhaft sind, und wir haben es hier mit einmaligen Maßnahmen zu tun, einmaligen Überschüssen. In diesem Jahr 2017 gehen wir auch davon aus, dass das Wachstum runtergeht auf 1,4 Prozent. Wir hatten jetzt 1,9 in 2016. Das sind Unsicherheitsfaktoren, wie auch immer noch die außenpolitische Lage, etwa die gestrige Pressekonferenz von Trump, wo man nicht genau weiß, wo steuern die Amerikaner hin, die ja wichtig für unseren Export sind.

Da neige ich auch eher zur Vorsicht und würde das nicht für dauerhafte Ausgaben oder Mindereinnahmen verbuchen, sondern dann wirklich das, was europäisch geboten ist, nämlich dass wir in Deutschland mehr investieren, das auch zu nutzen, um die öffentliche Infrastruktur voranzubringen. Das ist die Bildungsinfrastruktur, aber auch Straßen etc, weil das hilft, dauerhaft den öffentlichen Kapitalstock zu erhalten. Es geht nicht mal darum, den besser zu machen, sondern das, was wir an Desinvestitionen haben, was wir minderinvestieren gegenüber den Abschreibungen, ist deutlich höher und das ist auch generationsungerecht, denn damit verschieben Sie Lasten für zukünftige Investitionen in die Zukunft und ich würde das gerne heute machen. Das hat auch einen Konjunkturimpuls und so gehen wir auch in die Verhandlungen rein.

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Kein Ende im Streit über die Entscheidung der EU-Kommission, den Apple-Konzern zu einer Steuernachzahlung zu verpflichten: Für Unternehmenschef Tim Cook sind die Anschuldigungen aus Brüssel „politischer Mist“. Jetzt erhält er Unterstützung von Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU). Wie bewerten Sie das Vorgehen der Kommission?

Carsten Schneider: Die Kritik von Herrn Söder ist überhaupt nicht nachzuvollziehen. Die EU-Kommission hat eine exzellente Entscheidung getroffen. Sie ist ihrer Aufgabe gerecht geworden, gegen unberechtigte Beihilfen vorzugehen. Irland hat mit Absprachen den Körperschaftsteuersatz auf Apple-Gewinne auf nahezu Null gesenkt. Das ist eine wettbewerbsrechtlich hochproblematische Beihilfe gewesen. Apple ist ein asoziales Unternehmen, weil es versucht, sich seiner Steuerpflicht und der Finanzierung des Gemeinwesens in Europa zu entziehen. Es kann nicht sein, dass Apple in Europa so gut wie keine Steuern zahlt, obwohl es hervorragende Geschäfte macht und die wertvollste Firma der Welt ist.

Apple hat seinen Deutschland-Sitz in München. Sehen Sie einen Zusammenhang zu Söders Kritik an Brüssel?

Schneider: Anders kann ich mir nicht erklären, warum Herr Söder in dieser Weise die Interessen eines multinationalen Konzerns vertritt. Herr Söder steht den Apple-Aktionären offenbar näher als den Interessen der deutschen Steuerzahler. Bayern ist bei der Steuerprüfung ohnehin das Luxemburg oder Irland Deutschlands. Weniger Steuerprüfer haben wir gemessen an der Zahl der Unternehmen in keinem anderen Bundesland. Es gibt vielleicht keine Steuer-Absprachen mit Unternehmen wie in Irland. Aber in Bayern wird einfach nicht ausreichend geprüft. Das hat auch der bayrische Rechnungshof wiederholt bemängelt. Söder ist damit dafür verantwortlich, dass die Steuergesetze nicht so zur Geltung gebracht werden, wie es erforderlich wäre, und betreibt damit Standortpolitik.

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Apple soll 13 Milliarden Euro an Steuernachlässen zurückzahlen. Bekommt auch Deutschland davon etwas ab? Darüber sprach SZ-Korrespondent Stefan Vetter mit dem SPD-Finanzexperten und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Carsten Schneider.

Apple drückt seine Steuern in Irland auf 0,005 Prozent, während schon ein deutscher Facharbeiter beim Spitzensteuersatz von 42 Prozent landen kann. Ist der Ehrliche der Dumme?

Schneider: Es macht auch mich wütend, wenn ich sehe, dass sich multinationale Konzerne in Komplizenschaft mit einigen wenigen EU-Ländern vor der gemeinschaftlichen Finanzierung des Staates drücken. Dabei haben auch Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil, die fair ihre Steuern zahlen. Deshalb hat die EU-Kommission jetzt auch eingegriffen.

Irland ist ohnehin ein Steuerparadies, das Apple durch ein spezielles Steuersparmodell für sich noch paradiesischer gestalten konnte. Wie ist so etwas überhaupt möglich?

Schneider: Leider haben wir eine Steuerautonomie in der Europäischen Union. Das heißt, Steuerpolitik ist eine nationale Angelegenheit. Das muss sich ändern, und es hat sich ja auch schon manches geändert. Ein Deal zur Steuervermeidung, wie er zwischen der irischen Regierung und Apple gelaufen ist, ist heute nicht mehr möglich. Alle Länder, die solche Steuervermeidungssysteme geschaffen haben, aber auch alle Unternehmen, die davon profitieren, werden sich warm anziehen müssen.

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