Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was jetzt deutlich wird, ist das Bild von Schwarz-Gelb. Bisher haben Sie sich hinter Ihrem Nichtstun versteckt. Herr Kampeter, die Schulden, die Sie eben genannt haben, haben Sie in den vergangenen Jahren mit verursacht. Es gibt einen guten Grund für diese Schulden. Hätten wir die Konjunkturprogramme nicht aufgelegt, wäre die Situation in diesem Land jetzt noch viel schlimmer. Dann hätten wir nicht nur Millionen Arbeitslose. Das vergessen Sie gerne. 3

(Beifall bei der SPD ? Otto Fricke (FDP): Gerade die Abwrackprämie!)

Das Bild, das Sie von der Zukunft in diesem Land gezeichnet haben, dass Sie von Freiheit und Verantwortung gezeichnet haben, zeigt, was uns in diesem Land erwartet. Ich habe den Eindruck, dass es bei Ihnen um Freiheit von Verantwortung geht, insbesondere bei denen, die es sich eigentlich leisten könnten, Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall bei der SPD ? Otto Fricke (FDP): So versteht ihr Freiheit!)

Ich will einmal aufzeigen, welche Auswirkungen dieses Gesetz, das aus 23 Artikeln besteht, im Sommer 2011 haben wird. Im Sommer 2011 wird es zwei Lager in diesem Land geben. Da wird es die Familie geben, die mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen will. Das wird teurer für sie, weil Sie eine neue Steuer auf Flüge einführen.

(Otto Fricke (FDP): Sind Sie dagegen?)

– Herr Fricke!

(Otto Fricke (FDP): Sind Sie dagegen?)

– Bisher sind Sie ? zur Bundestagswahl, in den Koalitionsverhandlungen, bis in den Mai hinein – damit angetreten, dass Sie Steuern senken wollen.

(Otto Fricke (FDP): Nein, ob Sie dagegen sind!)

Sie haben gesagt, dass sie kein Gesetz unterschreiben, in dem nicht Steuersenkungen drin sind. Sie wollen keine Steuererhöhung.

(Otto Fricke (FDP): Nein!)

Jetzt tun Sie das Gegenteil dessen, Herr Fricke. Sie führen eine neue Steuer ein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Zu denjenigen, die wenig verdienen. Ich habe heute in der Post den Brief einer Rentnerin gehabt. Herr Kampeter, Sie haben das mit dem Wohngeld gerade angesprochen. Wir haben in der letzten Legislaturperiode das Wohngeld erhöht. Wir haben für diejenigen, die gerade so viel verdienen, dass sie nicht Hartz-IV-Empfänger sind, und die Rentner, die eine relativ niedrige Rente haben und daher Wohngeld erhalten, den Heizkostenzuschuss eingeführt. Da haben Sie mit zugestimmt. Die damalige Begründung waren nicht die hohen Preise, sondern es waren vor allem die niedrigen Löhne und Renten, die wir stützen wollten.

Ich kann Ihnen also von einer Bürgerin aus meinem Wahlkreis berichten, die mir vorgerechnet hat, wie viel sie im Monat hat: Nettorente 588 Euro, Wohngeld 60  Euro, Heizgeld 24 Euro. Das heißt, sie verliert in einem Jahr Monat für Monat die 24 Euro. Sie sagt, sie habe nicht einmal mehr Geld, um die GEZ-Gebühren für den Fernseher zu bezahlen. Das sind Leute, die an dem Letzten knabbern, was sie haben. Diese Menschen bluten in diesem Land für Ihre Politik.

(Beifall bei der SPD)

Es geht weiter mit denen, die Sie eigentlich entlasten wollten, nämlich den Arbeitnehmerhaushalten. Diese werden belastet. Sie werden belastet durch höhere Sozialabgaben – höhere Sozialabgaben sind eine Belastung -, auch bei der Krankenversicherung, weil es Ihnen nicht gelingt, die Kosten in den Griff zu bekommen. Im Gegenteil, die private Krankenversicherung wird mit 1 Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung gestützt.

Es geht weiter mit der Pharmaindustrie, die Ihnen die Gesetze diktiert, was dazu führt, dass Mehrausgaben in Milliardenhöhe entstehen. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, die jeden Tag arbeiten gehen, werden das bezahlen. Das heißt, weniger Netto vom Brutto. Das ist das Gegenteil dessen, was wir bräuchten, und auch das Gegenteil dessen, was Sie versprochen haben.

Dazu kommen die Kürzungen im Bereich des Arbeitslosengeldes. Der Zuschlag für diejenigen, die Arbeitslosengeld I erhalten haben und dann Arbeitslosengeld II bekommen, wird komplett gestrichen. Das fehlt bei der Binnennachfrage, und es fehlt natürlich den Menschen mit den geringsten Einkommen.

Ich glaube, sie hätten sogar Verständnis dafür, dass sie etwas geben sollen; denn sie wissen: Die Situation ist kritisch. – Aber wenn man einmal den Blick auf Europa wirft und sich die Proteste gestern in Spanien ansieht, dann muss man eines festhalten: Sie werden eine Konsolidierungsstrategie, einen Ausgleich des Staatshaushalts nur hinbekommen, wenn Sie die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen, wenn es sozial gerecht zugeht. Das Urteil über dieses Gesetz ist ganz eindeutig: Es ist nicht sozial gerecht und nicht ausgewogen. Im Gegenteil, es ist sozial ungerecht, weil die FDP sich zu 100 Prozent durchgesetzt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vermögende in diesem Land werden nicht herangezogen. Auch eine Finanztransaktionsteuer gibt es nicht.

(Otto Fricke (FDP): Das war die, die Herr Steinbrück wollte, nicht?)

Herr Schäuble hat vorige Woche in einem Hintergrundkreis des Wirtschaftsrates – so heißt das, glaube ich, bei der CDU – gesagt, er sei kein Freund der Finanztransaktionsteuer. Die Krise auch der öffentlichen Haushalte haben wir nur, weil sich an den Finanzmärkten Menschen mit sehr viel Geld verspekuliert haben.

(Zuruf des Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter)

– Herr Kampeter, Sie haben die Finanztransaktionsteuer in Ihre mittelfristige Finanzplanung geschrieben. 2 Milliarden wollen Sie darüber ab 2012 jedes Jahr einnehmen. Herr Schäuble aber hat erklärt, er sei kein Freund davon. Er wird sie in Europa auch nicht durchsetzen. Das ist doch der Punkt. Er hat uns hier etwas vorgemacht. Ihnen geht es nur darum, die Armen zu schröpfen und die Reichen zu schonen, meine Damen und Herren. So bitter ist das.

(Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Pfui! – Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Das ist so was von flach! Das ist erschreckend!)

– Tut mir leid. Ich kann nur das bewerten, was hier vorliegt und was Sie bisher beschlossen haben.

Ich will Ihnen auch sagen, was unsere Gegenvorschläge wären. Es geht auch gerecht. Nehmen Sie das zum 1. Januar 2010 – man kann es nicht oft genug sagen – in Kraft getretene Gesetz, das den Hoteliers 1 Milliarde Euro einbringt, zurück!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle (CDU/CSU): Für den Bund 500 Millionen!)

Nehmen Sie noch die Geschenke für die Unternehmen und die reichen Erben dazu! Dann sind wir bei 3 Milliarden Euro. Erhöhen Sie, wie es ursprünglich auch in der CDU, als sie – zumindest inhaltlich – noch Volkspartei war, Konsens war, den Spitzensteuersatz in Deutschland! Die Leute sind bereit, ein Stück weit zurückzugeben, damit in diesem Land sozialer Frieden herrscht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das tun Sie aber nicht; im Gegenteil.

Als Letztes wollen Sie das Lohnabstandsgebot dadurch erreichen, dass Sie bei den Hartz-IV-Empfängern kürzen.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Ich denke, wir erhöhen die Sätze! Seit wann kürzen wir?)

Herr Kampeter, eine Frau, die von Hartz IV lebt und Mutter wird, hat bisher Elterngeld in Höhe von 300 Euro bekommen. Es nutzt dieser Frau ? und dem Kind ? nun überhaupt nichts, wenn Sie sagen, das sei systemisch nicht gerecht. Genau das hat der Bundestag hier beschlossen. Wir haben es guten Gewissens getan, weil wir wollten, dass sie diese zusätzlichen 300 Euro bekommt. Sie braucht sie nämlich. Es handelt sich hierbei um diejenigen, die am wenigsten haben und das Geld daher am meisten brauchen. Sie kürzen an dieser Stelle radikal. Das ist das Gesicht von Schwarz-Gelb. Mit Verlaub: Sie machen Politik für die Atomkonzerne und für die Pharmalobby. Bei den Armen aber kürzen Sie. Das ist das Gesicht von Schwarz-Gelb. Das ist ziemlich bitter und kalt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute schon viel zitiert worden und auch auf die Vergangenheit verwiesen worden. Ich kann Ihnen klipp und klar sagen, Herr Wissing: Wir als SPD-Fraktion stehen zu dem, was wir in den vergangenen Jahren beschlossen haben; ganz klar.

(Beifall bei der SPD – Dr. Volker Wissing (FDP): Warum haben Sie denn dann die Aktuelle Stunde beantragt?)

Mich hätte interessiert, was denn eigentlich damals in der Frage der Hypo Real Estate Ihre Alternative gewesen war.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind uns in diesem Hause doch sicherlich einig, dass es eine systemrelevante Bank war.

(Joachim Poß (SPD): Da müssen Sie klatschen, Herr Barthle!)

Wir hatten Anhörungen im Haushaltsausschuss dazu. Da hat der Bundesbankpräsident, aber auch der damalige Chef des SoFFin, gesagt: Die Rettung der HRE muss geschehen. – Das war die damalige Sicht.

(Zuruf von der FDP: Das haben Sie gesagt!)

Natürlich weiß ich, dass es heute etwas anders ist ? ich komme noch darauf ?, was die Weiterentwicklung der HRE betrifft. Aber aus der damaligen Sicht gab es zu dieser Haltung und letztendlich zu der Verstaatlichung der HRE keine Alternative. Sie haben sich damals als Opposition sehr schnell in die Büsche geschlagen und nichts Eigenes vorgeschlagen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der FDP: Natürlich haben wir das! Wir haben doch alles aufgezeigt, was wir wollten!)

Dass Sie das jetzt alles Herrn Steinbrück und der SPD in die Schuhe schieben wollen, ist geschenkt. Es geht der FDP-Fraktion in anderen Punkten ja sowieso schlecht genug; da habe ich kein Mitleid mehr.

(Dr. Volker Wissing (FDP): Stehen Sie doch zu dem, was Sie wollten!)

Ich will Ihnen ganz klar sagen: Man muss sich nach zwei Jahren Finanzmarktgesetzgebung – Rettung und allem, was dann passiert ist – auch fragen: Ist das richtig gewesen? Gibt es Punkte, bei denen man Veränderungen vornehmen muss?

(Dr. Volker Wissing (FDP): Das haben wir Ihnen damals schon gesagt!)

– Ja, Sie haben immer alles gewusst; klar. Das haben wir heute zur Kenntnis genommen.

(Nicolette Kressl (SPD): Jetzt macht er immer noch Opposition! – Dr. Carsten Sieling (SPD): Der Schlaumeier!)

Was die Frage der von uns allen sicherlich nicht gewollten – das ist ja so zum Ausdruck gebracht worden – Bonizahlungen bei der Hypo Real Estate angeht, so beruht ein Teil dieser Boni auf Altverträgen. Ein anderer Teil geht klar auf Ihre Verantwortung zurück. 8 Millionen Euro sind zu Zeiten der neuen Regierung an neue Kollegen in der HRE gezahlt worden. Dafür gab es keine vertragliche Grundlage. Das sind Halteprämien gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Das folgt der Logik des Marktes. Die HRE hat einen schlechten Ruf. Das ist ja so; das will keiner bestreiten. Wenn man da einen Guten halten will, dann muss man ihm so viel zahlen wie bei der Deutschen Bank. Das folgt aber der Logik, dass man diese Bank weiter halten und entwickeln will,

(Dr. Volker Wissing (FDP): Das stimmt nicht! Das ist jetzt falsch!)

und das wollen Sie.

Morgen gehen Sie einen weiteren Schritt mit der Gründung der AIDA, der Abwicklungsanstalt, in die Sie knapp 200 Milliarden Euro auslagern wollen. Das ist ein Abwicklungsfall. Dann haben wir noch 150 Milliarden Euro Bilanzsumme der HRE übrig. Darauf wollen Sie und Ihre Regierung eine neue Bank gründen, die Deutsche Pfandbriefbank. Da stellt sich die Frage: Braucht der Markt diese Bank? Haben wir in Deutschland nicht genügend Staatsfinanzierer und gewerbliche Immobilienfinanzierer, dass der Bund ins Risiko gehen muss und diese Bank mit einer horrenden Bezahlung, mit neuen Werbebroschüren, die gedruckt werden müssen, und weiteren Implikationen entwickeln muss?

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Sie haben doch das Risiko aufgebaut!)

Oder ist für den Bund, den Steuerzahler etwas anderes günstiger? Das muss man sich doch überlegen, darüber muss man doch diskutieren. Wir sind doch hier ein Ort der Meinungsbildung und kein Ort, wo wir etwas vorgesetzt bekommen und nichts dazu sagen.

(Beifall bei der SPD – Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Unverantwortlich ist das! – Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Unter jedem Niveau!)

Ist für den Bund also vielleicht etwas anderes günstiger? Ich verweise auf die Kommunikation mit dem Parlament. Die 40 Milliarden Euro an neuen Garantien für die HRE wurden hier ja angesprochen. Das war wirklich eine Sauerei; entschuldigen Sie, Frau Präsidentin, den Ausdruck. Es ist nicht zu akzeptieren, dass wir darüber nicht informiert werden.

(Beifall bei der SPD)

Aber dass es gegenüber dem Finanzmarkt nicht einmal eine Information gab, ist der entscheidende Punkt und zeigt mir, dass der Markt kein Vertrauen in die Bank hat.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Ihre Rede führt dazu!)

Ich persönlich glaube, dass es für den Steuerzahler günstiger ist, jetzt zu sagen: Wir ziehen einen Schlussstrich, wir beteiligen uns nicht mehr an der Logik des Marktes

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Nein, Sie beschädigen den Markt!)

und entwickeln keine neue Bank, die wir in vier oder fünf Jahren eventuell zu einem niedrigen Preis verkaufen können. In der Marktwirtschaft gibt es ja Angebot und Nachfrage. Es gibt von der WestLB über die Bayern LB und Banken, die in England und Europa auf den Markt kommen, kein Geschäftsmodell, das große Rendite bringt.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Das können Sie nie mehr gutmachen, was Sie machen!)

Das heißt, es wird keine Käufer geben, die einen Preis zahlen, der dem entspricht, was wir als Eigenkapital hineinstecken.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Das steht Ihnen doch gar nicht zu, die Bank runterzumachen! – Gegenruf des Abg. Joachim Poß (SPD): Macht doch keiner!)

Dann muss man sich doch die Frage stellen: Ist es vielleicht nicht günstiger, die Bank generell abzuwickeln? Das muss man überlegen. Ich persönlich bin da festgelegt; in meiner Partei gibt es Meinungsbildung. Es stünde Ihnen gut zu, das zu erwägen.

Ich habe mir Ihren Gesetzentwurf angeschaut.

(Zuruf des Abg. Leo Dautzenberg (CDU/CSU))

? Herr Dautzenberg, kennen Sie diesen Gesetzentwurf? ? Mir liegt der Kabinettsbeschluss von vor zwei Tagen vor. Darin geht es um die SoFFin-Nachfolgeeinrichtung. Ich habe im Finanzmarktgremium ? das kann ich sagen, das ist nicht geheim ? vor einer Woche gefragt, ob die Bundesregierung darüber nachdenkt, die Möglichkeiten der Garantien und der Rekapitalisierung auch vor dem Hintergrund der zusätzlichen Milliardengarantien an die HRE zu verlängern.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Das ist ein Spiel mit dem Geld der Steuerzahler, was Sie machen!)

Da hieß es Nein. Das war vor einer Woche. Jetzt schau ich in diesen Gesetzentwurf und sehe: Für genau zwei Banken, WestLB und HRE, nämlich die, die AIDAs, die Abwicklungsanstalten, gegründet haben, werden hier Garantien in Höhe von 300 Milliarden Euro neu ausgebracht oder verlängert und 50 Milliarden Kapitalzuschüsse. Dann frage ich mich: Wie kommt es zu diesem Wechsel? Das ist noch nicht Ihr Beschluss, aber ?

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Das ist doch kein Wechsel!)

? ein Wechsel der Position ? das heißt, im Kern behalten Sie sich vor, diese Möglichkeit ins Auge zu fassen.

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Die Frage war nach neuen Garantien!)

Ich meine, wir sollten im Bundestag eine Entscheidung treffen ? nicht nur die Regierung ?, die den Steuerzahler so weit wie möglich schont.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Sie schaden dem Steuerzahler!)

Sie haben sich in der letzten Regierung gewehrt, als wir gesagt haben: Wenn es ein Minus aus dem Rettungsfonds gibt, zahlen das die Banken. Dazu haben Sie Nein gesagt. Wir sind dafür, dass die Banken das zahlen. Das wäre dann auch ein Nullsummenspiel für den Steuerzahler. Meine Damen und Herren, es liegt an Ihnen.

(Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Unglaublich! – Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Das war wieder teuer für den Steuerzahler! – Dr. Volker Wissing (FDP): Absurd!)

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Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Barthle hat eben begonnen, für die Rednerqualitäten und die Inhalte der Reden, die in dieser Woche gehalten wurden, Noten zu verteilen. Ich will daran anknüpfen, möchte mich aber nicht auf Personen, sondern auf den Haushalt und auf das, was Sie vorgelegt haben, beziehen. Man kann klar sagen: Mathematik gerade noch ausreichend, aber Volkswirtschaftslehre, Sozialkunde und Ethik mangelhaft und ungenügend.

(Beifall bei der SPD ? Otto Fricke (FDP): Das ist ja fast wie beim Steinbrück! – Norbert Barthle (CDU/CSU): Ich habe keine Noten verteilt!)

Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich erklären, warum ich die Mathematik für gerade noch ausreichend halte. Es stellt sich die Frage: Ist das, was Sie hier vorgelegt haben, nicht nur nicht sozial ungerecht ? darauf komme ich noch ?, sondern auch ausreichend im Hinblick auf die Erfordernisse der Schuldenbremse, so wie wir sie im Grundgesetz im vergangenen Jahr mit großer Mehrheit im Bundestag verabschiedet haben?

(Otto Fricke (FDP): Das erkläre jetzt mal!)

Der entscheidende Ausgangspunkt dafür ist das Jahr 2010.

(Otto Fricke (FDP): Das strukturelle Defizit des Jahres 2010!)

? Warten Sie doch einmal, Herr Kollege Fricke, Sie haben nachher genügend Zeit, zu antworten. – Bei der ersten Anwendung der Schuldenbremse ist entscheidend, dass wir im Parlament wissen, worüber wir abstimmen,

(Otto Fricke (FDP): Was ich bei euch bezweifele!)

das heißt, dass wir vom Finanzministerium bezüglich der Zahlen nicht an der Nase herumgeführt werden und es keine Tricksereien gibt.

(Otto Fricke (FDP): Das ist immer noch derselbe Staatssekretär wie bei euch!)

Entscheidend ist die Frage: Wie sieht das voraussichtliche Ist, das Ergebnis des Jahres 2010 aus?

(Bettina Hagedorn (SPD): Genau!)

Der Kollege Schäuble hat bereits einen Zickzackkurs hingelegt. Am Anfang des Jahres gab Ihr Haus die Auskunft, dass Sie das Haushaltssoll des Jahres 2010 ansetzen wollen. Das waren 80 Milliarden Euro. Das habe ich schriftlich, und ich gebe es Ihnen gern. Das war die Antwort Ihres Staatssekretärs, Herrn Kampeter, auf eine schriftliche Frage. Das wären 80 Milliarden Euro gewesen. Dann hätten Sie in den nächsten Jahren weniger sparen müssen, als jetzt von Ihnen vorgelegt.

(Otto Fricke (FDP): Das war der Plan von Steinbrück!)

Dann haben Sie festgestellt, dass es aufgrund der Konjunkturprogramme und der erfolgreichen Politik, die wir gemeinsam betrieben haben, bedeutend besser lief, worüber wir uns freuen. Angesichts dessen war es wirklich nicht mehr zu akzeptieren, es bei den 80 Milliarden Euro zu belassen. Sie sind also von weniger ausgegangen. Im Juni, nachdem Sie bis zur NRW-Wahl alles verschleiert haben, haben Sie gesagt: Wir nehmen das voraussichtliche Ist. Das waren damals 65 Milliarden Euro. Das ist derzeit der Ausgangspunkt für Ihren Abbaupfad.

Wenn Sie dieser Logik folgen ? das ist zwingend und im Geiste dessen, was wir als Gesetzgeber mit der Schuldenbremse hier beschlossen haben ?, müssen Sie im November, wenn wir den Haushalt in dritter Lesung beschließen, das dann voraussichtliche Ist als Ausgangspunkt heranziehen. Das werden deutlich bessere Zahlen sein.

(Otto Fricke (FDP): Wieso nicht im Dezember? Was ist mit Dezember? Warum lassen Sie den Dezember weg?)

? Ich merke, dass Sie getroffen sind.

(Beifall bei der SPD)

Sie tun so, als wären Sie die Sparmeister der Nation. Was die Konjunktur betrifft, läuft bisher alles von selbst. Die Frage ist jetzt: Strengen Sie sich genügend an, wenn es darum geht, Einnahmen und Ausgaben so anzupassen, dass wir das Defizit so schnell wie möglich verringern? Das wird sich im November zeigen.

Herr Bundesfinanzminister, ich würde gerne heute hier Folgendes von Ihnen erfahren: Werden Sie die voraussichtlichen Ist-Zahlen im November akzeptieren

(Otto Fricke (FDP): Wieso November?)

und zur Grundlage machen, und zwar auch für die Finanzplanung, die Sie im nächsten Jahr fortschreiben werden? Wenn dem so wäre, müssten Sie die richtigen Zahlen in den Blick nehmen, könnten nicht tricksen und müssten außerdem die Einnahmeseite dieses Staates berücksichtigen.

(Beifall bei der SPD ? Norbert Barthle (CDU/CSU): Der Minister wird das alles genau erklären!)

Ich bin sehr gespannt, was Sie darauf sagen. Bisher bestand Ihre Finanzpolitik nur aus einem Zickzackkurs. Das ist der eine Kritikpunkt.

Der zweite Kritikpunkt betrifft die Frage: Wen belasten Sie hier eigentlich? Wenn Einnahmen und Ausgaben so weit auseinanderklaffen, dann müssen Sie diese Lücke schließen; das ist vollkommen klar. Diesem Vorhaben verschließen wir uns nicht.

(Otto Fricke (FDP): Ach!)

? Ich werde konkrete Vorschläge machen. Beruhigen Sie sich. Ich werde sagen, wie wir uns das vorstellen.

(Otto Fricke (FDP): Mehrwertsteuererhöhung!)

Das, was Sie vorgelegt haben, geht einseitig zulasten der sozial Schwachen, zulasten derer, die sich nicht wehren können. Bei denen schlagen Sie knallhart zu.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN ? Norbert Barthle (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht!)

Sie kürzen nur im Sozialbereich. Sie kürzen das Elterngeld für Arbeitslosengeld?II-Empfänger, sie kürzen beim Rentenversicherungsanspruch für Arbeitslosengeld?II-Empfänger, und Sie kürzen bei den Eingliederungsleistungen. Alles, was konkret belegt ist, bezieht sich auf den Sozialbereich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ? Thomas Oppermann (SPD): Eindeutige Schlagseite! ? Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): So eine Unwahrheit! Eine unglaubliche Polemik ist das!)

Kein einziger Vorschlag betrifft die Gehaltsklasse derer, die hier sitzen. Weder bei der Steuer noch bei den staatlichen Leistungen sind für diese Gehaltsklasse Mehrbelastungen geplant ? gar nichts. Sie sind vollkommen blind, wenn es um die soziale Balance in diesem Land geht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Gegenteil. Sie haben gesagt, Sie wollen die Steuern senken und die Abgaben nicht erhöhen. Das war immer Ihr Spruch. Jetzt führen Sie eine neue Steuer ein. Sie nennen das zwar Luftverkehrsabgabe; es ist aber eine neue Steuer.

(Otto Fricke (FDP): Sind Sie dagegen?)

Ich wünsche mir, dass das auf dem FDP-Parteitag endlich einmal beschlossen wird. Machen Sie sich doch einmal ehrlich!

(Beifall bei der SPD ? Otto Fricke (FDP): Sind Sie dagegen? Also sind Sie dagegen!)

Ein wirkliches Problem, das wir in diesem Land haben, ist die Binnennachfrage. Wir haben eine zu geringe Bruttolohnentwicklung und eine sehr hohe Abgabenlast. Wir haben keine hohe Steuerlast, sondern eine hohe Abgabenlast in den unteren Einkommensbereichen.

(Otto Fricke (FDP): Wer hat die denn in den letzten elf Jahren eingeführt?)

Was passiert durch Ihre Politik? Aufgrund der Gesundheitspolitik Ihres Ministers, die die CDU/CSU mit verantwortet, werden die privaten Krankenversicherungen aus dem Steuersäckel quersubventioniert und gepäppelt, und der normale Arbeitnehmer zahlt die Zeche dafür.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Die zusätzlichen Belastungen durch die Steigerung des Gesundheitsversicherungsbeitrages plus einmalige Leistungen plus Steigerung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages um mehr als 1 Prozent führen bei einem Normalverdiener ? 27 000 Euro pro Jahr ? zu einer zusätzlichen Belastung um monatlich 22,50 Euro. Das ist die Rechnung, die Sie den normalen Arbeitnehmern in Deutschland präsentieren.

(Beifall bei der SPD – Bettina Hagedorn (SPD): Das ist weniger Netto vom Brutto!)

Ein zweiter ökonomischer Punkt, der gegen diesen Haushalt spricht: Die Investitionen sinken. Sie sinken nicht nur, weil die Konjunkturprogramme wegfallen. Das ist richtig; aber diese hatten wir ohnehin in einem anderen Haushalt abgerechnet. Die Investitionen sinken um 1 Milliarde Euro von 28,2 auf 27,2 Milliarden Euro. Sie haben andere Zahlen ausgewiesen, weil Sie die Mittel für die BA, die im Jahr 2010 noch als Zuschuss verbucht waren, jetzt als Darlehen darstellen und dieses als Investition verbuchen. Aber das ist natürlich Quatsch. Die realen Investitionen sinken um 1 Milliarde Euro. Wir haben das eben auch in der Verkehrs- und Baudebatte gehört. Das wird für die Arbeitsplätze in Deutschland ein Minus bedeuten.

Ich will, weil sich das in der ersten Lesung geziemt, auch sagen, wie unsere Vorschläge aussehen. Darauf waren Sie ja so gespannt. Wir werden unsere Vorschläge alle einbringen, und Sie können sich dann dazu verhalten.

Erstens. Wir sind der Auffassung, dass die Quersubventionierung von Niedrigstlöhnen aus dem Sozialetat von Frau von der Leyen aufhören muss. Da muss ein Stoppschild hin.

(Beifall bei der SPD)

Wie gelingt das? Ganz einfach: Durch die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

schaffen Sie ? das sind ganz normale Berechnungen, die die Bundesregierung unter alter Führung noch in Auftrag gegeben hat ? 5 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen in der Sozialversicherung und bei Steuern. Wir müssen endlich damit aufhören, die Aufstocker ? 1,2 Millionen Menschen in diesem Land, die arbeiten, obwohl sie es nicht müssten, weil sie genauso viel Geld vom Sozialamt bekämen ? und damit die Arbeitsplätze bzw. Arbeitgeber in diesem Land querzusubventionieren.

(Beifall bei der SPD – Otto Fricke (FDP): Wer hat das denn eingeführt?)

Zweitens. Wir plädieren dafür ? wir halten das für den entscheidenden Punkt, damit Ihre Maßnahmen überhaupt in irgendeiner Weise akzeptiert werden könnten ?, dass dieses unsinnige Steuersenkungs- und Klientelgeschenkegesetz für die Hotels vom Beginn dieses Jahres zurückgenommen wird. Das macht 3 Milliarden Euro.

(Beifall bei der SPD – Norbert Barthle (CDU/CSU): Stimmt doch nicht! – Otto Fricke (FDP): Stimmt doch gar nicht! Das ist schlicht gelogen!)

– Das ist nicht gelogen. ? Natürlich ist die Zahl bereinigt um die Kindergelderhöhung. Sonst wäre es sogar mehr; aber diese Erhöhung wollen wir gar nicht zurücknehmen.

(Otto Fricke (FDP): Das ist doch gelogen! Das ist doch unter deinem Niveau! – Norbert Barthle (CDU/CSU): Das stimmt nicht!)

Drittens: effizienter Steuervollzug in Deutschland; dazu gibt es auch ein Gutachten des Bundesrechnungshofs. Führen Sie doch einmal in Ihrer Verantwortung als Ressortminister Gespräche mit den Landesverwaltungen darüber, dass Unternehmen in Deutschland fast nicht mehr geprüft werden, dass, wenn es dazu kommt, das quasi schon ein Schicksalsschlag ist.

(Otto Fricke (FDP): Wer macht das denn? Wer macht denn die Prüfung? Die Länder! Ihr habt elf Jahre Zeit gehabt!)

Wir fordern die Einführung einer Bundessteuerverwaltung, damit Steuermoral und Steuergerechtigkeit wieder durchgesetzt werden. Das würde 11 Milliarden Euro bringen.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß, dass das mit den Ländern besprochen werden muss. Aber die wollen auch ein bisschen Geld; man muss nur an die Ausgaben für Bildung denken. Da muss man einmal verhandeln.

Viertens. Zu den Kürzungen im Verwaltungsbereich, die Sie mit dem Rasenmäher machen, insbesondere im Bereich des Personalabbaus, will ich Ihnen klar sagen, dass ich das sehr kritisch sehe.

(Otto Fricke (FDP): Aha!)

Was passiert? Sie wollen dort mit der Sense ran.

(Otto Fricke (FDP): Wollen Sie im Personalbereich kürzen oder nicht?)

Das bedeutet, dass Sie weitere Auslagerungen ? diese halte ich für nicht mehr akzeptabel ? vornehmen. Sie wollen öffentliche Fürsorge und auch Beratung auf Bundesebene, Beratung des Parlaments und der Regierung, also die Steuerung eines Landes, auf externe Berater, Anwälte etc. und letztendlich Lobbyisten auslagern. Das akzeptieren wir nicht mehr. Wir glauben vielmehr, dass wir die 65 Milliarden Euro für Beschaffung, die insgesamt im Bundeshaushalt sind, überprüfen sollten. Wir werden vorlegen, wie man dort 10 Prozent sparen kann. Auch dann kommen Sie auf eine Summe von 6 Milliarden Euro.

Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, setzt bei der Gerechtigkeit von Besteuerung an.

(Otto Fricke (FDP): Kein einziger Vorschlag!)

Sie machen keinen einzigen Vorschlag ? ich habe das vorhin gesagt ?, um diejenigen, die in diesem Land mehr verdienen, ein bisschen zur Verantwortung zu ziehen. Wir hatten in den vergangenen Jahren enorme Vermögenszuwächse, und es betrifft im Übrigen auch die, die dafür gesorgt haben, dass wir in die Krise geschliddert sind. Wir sind für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Auch das bringt nach dem Konzept der SPD 5 Milliarden Euro mehr Staatseinnahmen für den Bildungsbereich und für die Konsolidierung.

Unser Konzept steht.

(Otto Fricke (FDP): Das ist Ihr Konzept?)

Es wäre erstens zukunftsfähig, und zweitens würde es eine Wahrung der sozialen Balance in Deutschland gewährleisten, die Sie wie eine Dampfwalze einreißen. In dieser Koalition hat reine Klientelpolitik begonnen, und Sie schreiben diese jetzt dauerhaft fort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke (FDP): Meine Herren!)

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesfinanzminister, wenn man die letzten zehn Minuten Ihrer Rede verfolgt hat,

(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, wenn man nicht eingeschlafen ist!)

dann kann man der Financial Times aus der letzten Woche nur recht geben: Wolfgang Schäuble wird gern grundsätzlich, wenn er im mühsamen politischen Alltagsgeschäft mal wieder an seine Grenzen gestoßen ist.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)

Übersetzt heißt das: Sie, Herr Bundesfinanzminister, philosophieren lieber über Gott und die Welt, als sich den harten Auseinandersetzungen hier und jetzt zu stellen.

Wer Ihre Rede und Ihre philosophischen Ausführungen über Vertrauen, Solidität etc. verfolgt hat,

(Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU): Das ist Ihnen völlig fremd, das ist klar!)

der muss sich doch fragen: Reden Sie eigentlich über den Finanzbereich, den Sie in dieser Regierung seit zehn Monaten vertreten? ? Ich habe einen ganz anderen Eindruck.

Begonnen haben Sie im September/Oktober letzten Jahres mit einer Diskussion mit der FDP darüber, ob Sie die Schulden, die Sie in diesem Jahr und in der ganzen Legislaturperiode machen werden, noch schnell der alten Regierung und dem alten Finanzminister in die Schuhe schieben. Dann gab es einen Aufschrei der Öffentlichkeit, und Sie haben das schnell wieder eingepackt. Aber das zeigt, wessen Geistes Kind Sie an dieser Stelle waren.

(Beifall bei der SPD)

In vollkommener Verkennung der Tatsachen, in vollkommener Negation der hohen Kredite und der Schuldenlast, die wir in Deutschland haben, haben Sie zum 1. Januar 2010 Steuergeschenke von über 10 Milliarden Euro an Hoteliers, an Erben und an Unternehmen gemacht. Das war Ihre Politik in diesem Jahr.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dann haben Sie vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl bis zur Mai-Steuerschätzung die Fata Morgana aufrechterhalten, man könne in dieser Situation noch Steuersenkungen vollziehen. Ich erinnere mich an eine Debatte am Tag der Steuerschätzung, in der die FDP hier aufgetreten ist und gesagt hat: Wir haben Mehreinnahmen, und diese nutzen wir, um Steuern zu senken. – Das war Ihre Aussage.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Da tun Sie dem Finanzminister aber unrecht!)

Jetzt frage ich mich: Bringt das der uns vorliegende Haushaltsentwurf zum Ausdruck? Ich zeige das nur einmal an einem Punkt: Sie sprechen von einer ökologischenLuftverkehrsabgabe. Das ist jedoch ein Euphemismus. In Wirklichkeit ist das ganz klar eine Steuer, die neu eingeführt wird. Ich finde, wenn das so ist, dann soll man dieses Instrument auch so bezeichnen und dazu stehen. Allein das schafft Vertrauen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Über das Für und Wider dieser Steuer will ich gar nichts sagen. Aber dass Sie jetzt einen anderen Kurs eingeschlagen haben, dass Sie etwas vollkommen anderes tun, als Sie bisher behauptet haben, wird daran deutlich.

Zum Gesamthaushalt kann man insbesondere zwei Urteile fällen:

Erstens. Dieser Haushalt weist eine soziale Schieflage auf, die die soziale Spaltung in Deutschland weiter vertiefen wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da muss man sich schon fragen: Wer hat denn die Krise in Deutschland verursacht? Waren das die Arbeitslosen? Waren das die Rentner, sodass Sie sich nun herausnehmen können, die Rentenversicherungskasse zu plündern? Waren das die Arbeitnehmer, die Sie nun durch höhere Abgaben im Gesundheitsbereich und einen Verzicht auf die Senkung des Rentenversicherungsbeitrags belasten? Ihre Politik führt ja dazu, dass all die Genannten heute nun die Zeche für die Krise zahlen, die maßlose Bankiers, Investmentbanker und andere Spekulanten angerichtet haben.

(Beifall bei der SPD ? Zurufe der Abg. Ulrike Flach (FDP) und des Abg. Norbert Barthle (CDU/CSU))

Mit den Maßnahmen, die Sie heute hier einbringen, werden nun all die oben Genannten die Zeche dafür bezahlen. Ich werde auch noch im Einzelnen darauf eingehen.

Ein weiteres Beispiel zur sozialen Schieflage: Sie, Herr Minister, haben hier vorgetragen, die Wirtschaft werde stark belastet, der Sozialbereich dagegen nur unterproportional in Bezug auf den Anteil, den er am Gesamthaushalt hat. Dazu muss man ganz klar sagen: Die Belastung der Wirtschaft hält sich in mageren bzw. sehr überschaubaren Grenzen. Was haben wir da?

Ein Punkt ist die Luftverkehrsteuer. Wer zahlt die? Zahlen diese die Unternehmen, oder werden diese die Familien zahlen, die in Urlaub fliegen?

(Nicolette Kressl (SPD): Ja!)

Die Belastungen hierdurch werden natürlich weitergegeben. Damit werden die Kunden belastet und nicht die Wirtschaft.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer Punkt ist der in der Sache schon skandalöse Atomdeal. Hierdurch sollen 2,3 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen erzielt werden. Dies gilt dann als Belastung der Wirtschaft. Dazu ist zu sagen, dass es sich, nachdem Sie sich das auch wieder aus der Hand haben nehmen lassen, Herr Finanzminister, nicht mehr um 2,3 Milliarden Euro, sondern nach derzeitigem Stand um 1,6 Milliarden Euro handelt. Wahrscheinlich werden es noch weniger.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Völlig falsche Zahlen!)

So zerbröselt das Sparpaket immer weiter, und die Lücke, die Sie in den nächsten Jahren schließen müssen, wird immer größer. Letztendlich handelt es sich noch nicht einmal um eine Belastung der Wirtschaft; denn man muss ja auch sehen, was die Atomkonzerne dafür bekommen: Sie bekommen eine Laufzeitverlängerung, sie bekommen die Lizenz zum Gelddrucken. Von diesen Gewinnen sollen sie nun einen kleinen Betrag abgeben. Das ist für die Wirtschaft ein Zugewinngeschäft, aber keine Belastung.

(Beifall bei der SPD)

Die einzigen Maßnahmen, bei denen Sie konkret sind und auf die Sie sich als christlich-liberale Koalition einvernehmlich verständigen konnten, sind die Kürzungen bei den Schwächsten der Gesellschaft wie den Arbeitslosen. Das ist Fakt. Nichts anderes liegt heute hier auf dem Tisch.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens ist zum Gesamthaushalt zu sagen: Sie profitieren von der Konjunktur, der positiven wirtschaftlichen Gesamtentwicklung. Ich sage ganz klar: Über diese freuen wir Sozialdemokraten uns auch. Wir freuen uns über jeden Arbeitslosen weniger.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir freuen uns, dass die Auftragsbücher im verarbeitenden Gewerbe voll sind. Wir freuen uns, dass die Kurzarbeiterregelung gegriffen hat. Wenn Sie dann aber so tun, als wäre das Ihr Verdienst, meine Damen und Herren, entgegne ich Ihnen: Das ist einfach dreist.

(Beifall bei der SPD)

Der Bundesgesundheitsminister hat ja in seiner kabarettreifen Rede auf dem Gillamoos einiges zum Zustand der Koalition gesagt. Er hat auch Dinge wie zum Beispiel zur Kleiderordnung gesagt, die ich eher nebensächlich finde. Aber einen konkreten Punkt hat er doch genannt, nämlich dass diese Regierung zehn Monate nichts getan hat. Genau diese zehn Monate hat die Wirtschaft gebraucht, um sich zu erholen, meine Damen und Herren! Ihr Anteil an der wirtschaftlichen Erholung ist damit gleich null.

(Beifall bei der SPD)

Viel ehrlicher wäre es zu sagen: Höchstwahrscheinlich geht diese auf die Strukturreformen der vergangenen zehn Jahre zurück. Es sind die maßvollen, aber klugen Investitionen im Rahmen der Konjunkturprogramme gewesen, die dazu geführt haben, dass wir in 2010 eine extrem gute Wachstumssituation haben.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Jetzt verstehe ich: Der Aufschwung gehört Schröder!)

– Herr Barthle, Sie können es doch ruhig sagen: Wir haben damals die meisten Vorhaben durchgesetzt, aber Sie haben zugestimmt.

(Joachim Poß (SPD): Das hat er vergessen! Das ist schon zehn Jahre her!)

Deswegen spreche ich Ihnen einen Anteil am Erfolg zu. Der Vorschlag der FDP war damals, nichts zu tun und alles laufen zu lassen. Wenn wir so gehandelt hätten, wären wir jetzt in dem Strudel, in dem viele andere Länder weltweit sind.

Der Haushalt 2011 ist eigentlich der erste Haushalt, den Sie vorlegen; denn der letzte war noch von der Großen Koalition maßgeblich bestimmt.

(Otto Fricke (FDP): Ja, was denn nun? Ist es einer der alten oder der neuen Regierung?)

– Sie haben den Haushalt mit der Rekordverschuldung beschlossen, Herr Fricke. – Wenn man sich den Haushalt 2011 ansieht, dann kann man zu einem ganz klaren Urteil kommen: Dieser Haushalt wird der Scheidepunkt sein, was die wirtschaftliche Entwicklung und den sozialen Zusammenhang in Deutschland in den nächsten Jahren angeht. Er ist nichts anderes als ein Handbuch für die soziale Spaltung in Deutschland. Einen solchen Haushalt haben Sie hier vorgelegt.

(Beifall bei der SPD – Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Quatsch!)

Ich sage Ihnen klipp und klar: Wir werden diesem Entwurf nicht zustimmen. Wir stimmen zwar der grundsätzlichen Linie zu, dass wir die hohe Neuverschuldung zurückführen müssen,

(Otto Fricke (FDP): Aber nicht bei euch!)

weil sie eine Gefahr für die Stabilität unseres Landes ist. Das ist gar keine Frage.

(Ulrike Flach (FDP): Das wäre schön gewesen, wenn ihr da mit angepackt hättet!)

Man muss aber auch ganz klar sagen, dass das, was Sie hier vorgelegt haben, nicht dazu führen wird, dass die Binnenkonjunktur in Deutschland gestärkt wird.

(Ulrike Flach (FDP): Was haben wir eigentlich von euch bekommen?)

Was machen Sie? Sie haben in den vorherigen Debatten immer gesagt, Sie wollen die Sozialabgaben nicht erhöhen. Was ist denn nun tatsächlich passiert?

(Otto Fricke (FDP): Haben wir eine schlechte Binnenkonjunktur?)

Sie machen eine eindeutige Klientel- und Lobbypolitik. Respekt an Sie von der FDP dafür, wie Sie mithilfe einer christlichen Partei die Interessen der Pharmakonzerne und der privaten Krankenversicherung in Deutschland schamlos durchsetzen. Das spottet jeder Beschreibung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die gesetzliche Krankenversicherung bekommt 2 Milliarden Euro zusätzlich aus dem Steuerhaushalt. Es sind mittlerweile insgesamt 15 Milliarden Euro.

(Otto Fricke (FDP): Aha!)

Aber 1 Milliarde Euro ziehen Sie der gesetzlichen Krankenversicherung aus der Tasche, um sie der privaten Krankenversicherung zuzuführen.

(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da sind doch die FDPler alle versichert! – Gegenruf der Abg. Ulrike Flach (FDP): Sie glauben doch wohl selbst nicht, was Sie da sagen!)

– So ist es aber. Ich empfehle dazu die Lektüre der gestrigen Ausgabe der Berliner Zeitung. Sie sollten sich da einmal schlaumachen. Wir werden diese Debatte sicherlich auch noch in der Zukunft führen.

Dass Sie die Interessen der privaten Krankenversicherung vertreten, ist doch offensichtlich. Das weiß doch jeder. Leugnen Sie es also nicht. Sie bekommen, so glaube ich, Vorzugsprämien. Das ist alles in Ordnung. Aber Sie sollten es nicht leugnen.

Man muss noch einen zweiten Punkt beleuchten. Neben der sozialen Ausgewogenheit ist auch die Frage wichtig, welche Zukunftsakzente Sie setzen. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben gesagt, Sie würden die Ausgaben für Investitionen steigern. Ausweislich dessen, was Sie uns vorgelegt haben, muss man sagen, dass die Ausgaben für Investitionen in diesem Haushalt sinken. Ich will nur die erfolgreichen Programme erwähnen, die die Bereiche Umweltpolitik und Bau verbinden und zum Beispiel Auswirkungen auf die Mietnebenkosten haben. Da ist zunächst einmal das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Dieses Programm rasieren Sie.

(Otto Fricke (FDP): Wollen Sie mehr ausgeben?)

Ich nenne ferner die Städtebauförderung, die einen großen Hebeleffekt für privatwirtschaftliche Investitionen hat. Dieses Programm wird ebenfalls rasiert. Was Sie hier vorlegen, wird im Endeffekt dazu führen, dass wir weniger Wachstum und einen geringeren Beitrag zu umweltpolitischen Belangen wie zum Beispiel einen geringeren CO2-Ausstoß haben.

(Ulrike Flach (FDP): Das heißt, Sie wollen mehr Verschuldung!)

Ich will noch auf einen Punkt eingehen, der die Unsolidität Ihres Sparpakets deutlich macht. Sie reden immer von 80 Milliarden Euro. Real durch Gesetze untersetzt sind 40 Milliarden Euro. Die anderen 40 Milliarden Euro sind Luftbuchungen. Sie haben in der Finanzplanung Einsparungen bei der Bundeswehr in Höhe von 8 Milliarden Euro aufgeführt. Bisher kann ich nur feststellen: Jedes Beschaffungsvorhaben ist teurer geworden. Auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr stellen Sie nicht infrage. Was Sie aber infrage stellen, ist das Konzept der Wehrpflicht und des Zivildienstes. Das tun Sie allerdings einzig und allein unter Spargesichtspunkten. Das wird diesem wichtigen Thema nicht gerecht – inhaltlich und finanziell ebenfalls nicht, weil Sie dadurch die von Ihnen angestrebten Einsparungen niemals erreichen werden.

(Beifall bei der SPD)

Dann wollen Sie bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik so richtig zuschlagen. Sie sprechen davon, dass Sie dort Effizienzreserven heben wollen. Worum geht es? Es geht um aktive Arbeitsmarktpolitik, um den Eingliederungstitel. Da sind Arbeitslose, die eine berufliche Rehabilitation, eine Weiterbildung oder einen Lohnkostenzuschuss erhalten. Diese Leistungen halbieren Sie nahezu. Das wird dazu führen, dass die Chance für Arbeitslose in Deutschland, wieder in Arbeit zu kommen, geringer wird. Dementsprechend wird auch die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland darunter leiden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das Gegenteil ist der Fall!)

Ich gebe zu: Das haben Sie vorher wenigstens gesagt. Dass Sie diesen Kahlschlag mit der Union durchsetzen können, hätte ich allerdings nicht für möglich gehalten. Das zeigt nur, dass wir früher das Schlimmste haben verhindern können.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe zu Beginn gefragt: Sind die Arbeitslosen diejenigen, die die Zeche zahlen? Ja, sie müssen sie zahlen. Sind es diejenigen, die die Krise verursacht haben? Ich meine, nein. Die Frage ist: Leisten diejenigen, die die Krise zu einem Großteil mit verursacht haben, indem sie über Jahre extreme Gewinne gemacht haben, bei denen moralisches Verhalten keine Rolle mehr gespielt hat, irgendeinen Beitrag? Ich kann da nichts finden, keinen höheren Spitzensteuersatz,

(Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Den habt ihr doch heruntergesetzt!)

keine Vermögensbesteuerung, keine wirklich solide Durchsetzung einer Finanztransaktionsteuer auf europäischer Ebene, nichts. Hier gibt es ganz klar eine soziale Schieflage und Klientelpolitik. Dies ist für Deutschland kein guter Haushalt.

(Beifall bei der SPD)

Diese Koalition ist sich nur einig ? da geht sie sonntags sogar arbeiten ?, wenn sie für die Atomkonzerne Milliarden herausholen kann, um sie montags bis freitags bei den normalen Arbeitnehmern wieder einzusammeln. Das ist die Wahrheit in diesem Land.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden Änderungsvorschläge einbringen, wie zum Beispiel die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes, der Mehreinnahmen von mindestens 5 Milliarden Euro bringt, wie die Vermögens- und Kapitalbesteuerung, die ebenfalls zu Mehreinnahmen führt. Wir werden Ihnen zeigen, dass man solide Haushaltsführung und soziale Gerechtigkeit in Deutschland miteinander verbinden und gleichzeitig wirtschaftliches Wachstum generieren kann. Meine Damen und Herren, ich bin gespannt auf die Beratungen.

(Beifall bei der SPD ? Ulrike Flach (FDP): Aber Sie hatten doch zwölf Jahre Zeit dafür!)

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit großen Worten haben die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister am Montag ein angeblich historisches Sparpaket vorgelegt. Als geneigter Beobachter fragt man sich: Warum erst jetzt? Sind die Defizite der öffentlichen Haushalte erst seit dem vergangenen Wochenende bekannt? Ich frage Sie das so offen. Oder haben Sie die Finanzplanung des Bundesfinanzministeriums bzw. des Kabinetts nicht gelesen, bevor Sie den Koalitionsvertrag geschlossen haben, der noch von Steuersenkungsutopien ausgegangen ist? Ich muss sagen: Entweder Sie wollten die Realität nicht akzeptieren, oder Sie haben bewusst gewartet, bis die Wahl in Nordrhein-Westfalen vorbei ist, um erst danach die Karten offen auf den Tisch zu legen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das ist Wahlbetrug und Volksverdummung, zumindest der Versuch der Volksverdummung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Ergebnis in NRW hat gezeigt: So dumm ist das Volk nicht.

Man fragt sich: Ist das, was Sie mit diesen Entwürfen vorgelegt haben ? vieles ist noch unklar ?, eine angemessene Antwort auf die Wirtschafts- und Finanzkrise? Man muss sich auch die Frage stellen: Ist das gerecht? Wir als SPD sind der Auffassung: Wir müssen die Schulden, das Defizit deutlich reduzieren. Deswegen haben wir in der vergangenen Legislaturperiode unter Federführung von Peer Steinbrück die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert. Das war richtig. Nun stellt sich die Frage: Wie schließt man die Lücke?

(Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Ja!)

Ich glaube, dass man sich vor allem die Frage stellen muss: Wer hat eigentlich dafür gesorgt, dass wir ein so hohes Defizit haben, und wer trägt das Risiko dafür?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn ich diese Frage mit der Antwort, die Sie vorlegen, vergleiche, dann kann ich nur sagen: Es waren nicht die Arbeitslosen, die spekuliert haben. Es waren nicht die jungen Eltern, die weiterhin Elterngeld bekommen sollten, die dafür gesorgt haben, dass wir eine Wirtschafts- und Finanzkrise haben. Im Gegenteil: Es waren die Spekulanten. Sie geben keine Antwort darauf, wie diejenigen, die viel Geld haben, die Reichen und Wohlhabenden in unserem Lande, zu diesem Paket beitragen können.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) ? Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Das ist unter Ihrem Niveau! Das ist Volksverdummung!)

Man muss immer überlegen, ob es ökonomisch sinnvoll ist, in der jetzigen Situation zu sparen; das ist die Kernfrage. Ich glaube: ja. Es wurden 2 Prozent Wachstum prognostiziert; es ist also der richtige Zeitpunkt. Aber die Frage ist: Darf man nur die Ausgabenseite heranziehen? Das betrifft natürlich immer den Sozialhaushalt, weil 50 Prozent der Staatsausgaben Sozialausgaben sind. Genau das tun Sie aber. Im Sozialbereich verwenden Sie keine Nagelschere, wie Herr Westerwelle es genannt hat, sondern veranstalten fast ein Kettensägenmassaker.

(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP ? Manfred Grund (CDU/CSU): Das kommt noch! ? Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Kollege hat gesagt, das komme noch, das Massaker! Das ist interessant!)

Die Kürzungen betreffen fast nur den Sozialbereich: Arbeitslose, zukünftige Rentner, junge Familien. Sie zeigen jetzt Ihr wahres Gesicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Aber das ist okay; damit kann man umgehen.

Sie wollen zum Beispiel den Rentenanspruch, den Langzeitarbeitslose erwerben und den Sie als Bund bisher zahlen, streichen. Was hat das für Auswirkungen? Es sind drei.

Erstens. Sie plündern die Rentenkasse.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN ? Otto Fricke (FDP): Ach!)

– Natürlich. Der Rentenkasse werden etwa 2 Milliarden Euro fehlen. Das ist Fakt.

Zweitens. Den Langzeitarbeitslosen, die bisher durch die Rentenbeitragszahlungen des Bundes einen Rentenanspruch hatten

(Otto Fricke (FDP): Wie viel?)

? er war nicht hoch, das ist keine Frage; aber sie hatten wenigstens einen ?, wird dieser Anspruch vollkommen gestrichen. Er ist komplett weg.

Drittens. Was passiert denn dann mit diesen Menschen? Sie rutschen gnadenlos in die Grundsicherung. Das heißt, die Kommunen werden letztendlich dafür bluten, dass Sie sich als Bund sanieren und die Rentenkasse plündern. Das bewirkt, was Sie als Entwurf vorgelegt haben.

(Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Sachlich falsch! – Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Das ist eine Sauerei!)

– Ja, Frau Enkelmann, das kann man schon als „Sauerei“ bezeichnen.

(Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Jetzt nehmen Sie schon die Stichworte der Roten auf!)

Vor allen Dingen aber ist dieses Paket unausgewogen. Sie belasten in keiner Art und Weise die Besserverdienenden. Die Bevölkerung ist durchaus bereit, zu sparen,

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU ? Zuruf von der FDP: Wo denn?)

aber es muss gerecht zugehen. Nirgendwo werde beispielsweise ich belastet oder werden wir alle belastet, die wir alle einigermaßen gut verdienen. Nichts, aber auch gar nichts! Keine Belastung! Keine höhere Steuer! Kein Verzicht! Null! Das ist einfach nicht akzeptabel. Das ist sozial ungerecht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ? Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Wir wollten eigentlich übers Sparen reden!)

Hinzu kommt, dass in Ihrem Paket sehr viele Luftbuchungen enthalten sind. Haushalterisch werden Sie dem Ganzen nicht gerecht. Das Haushaltsjahr 2011 schaffen Sie so gerade. Aber das, was Sie zu den Jahren 2013 und 2014 vorgelegt haben, besteht zu 50 Prozent aus Luftbuchungen. Ich nenne hier nur als Stichworte die Globale Minderausgabe von 5 Milliarden Euro und die Finanztransaktionsteuer, die Sie angeblich gar nicht einführen wollten, nun aber doch einführen wollen, für die Sie 6 Milliarden Euro eingerechnet haben. Das, was Sie bisher im Regierungsentwurf vorgesehen haben, ist jedoch eine Abgabe, und diese Abgabe ist nicht für den Bundeshaushalt bestimmt. Die Streitkräftereform soll 4 Milliarden EuroMilliarden Euro. einsparen; aber dieser Idee liegt kein Konzept zugrunde. – All diese Luftbuchungen summieren sich auf etwa 40

Sie werden der Aufgabe, die Deutschland als Kernland im Euro-Raum gerade im Bereich der Stabilisierung zukommt, überhaupt nicht gerecht. Wer in Europa als Zuchtmeister auftritt, kann sich vor Ort nicht wie eine Schulklasse außer Rand und Band aufführen. Sie haben sich diese Woche schon selbst richtig beschrieben: Wildsäue treffen auf Gurkentruppe. Herzlichen Glückwunsch für diese Koalition!

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute hier über ein sehr ernstes Thema. Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundeskanzlerin zu Beginn ihrer Regierungserklärung gesagt hätte, welche Erkenntnisse sie am Freitag vorletzter Woche vor der Abstimmung über die Griechenland-Hilfe hatte, die dazu geführt haben, dass am Freitagnachmittag die Staats- und Regierungschefs das Paket, das wir in dieser Woche beschließen sollen, vorgelegt haben. Denn Sie haben nicht am Freitagmorgen im Bundestag das Wort ergriffen und uns an diesen Erkenntnissen teilhaben lassen. Im Gegenteil, es war sogar so, dass Herr Fricke hier öffentlich der Vermutung, dass es eventuell mehr sein könne, widersprochen hat – maximal 22,4 Milliarden Euro und kein Cent mehr, hat er gesagt ?, und Herr Bundesminister Schäuble in der Pressekonferenz am Donnerstag, nachdem die Steuerschätzung veröffentlicht worden war, mich mehr oder weniger als vaterlandslosen Gesellen hingestellt hat, weil ich das infrage gestellt habe.

Frau Bundeskanzlerin, es geht bei diesem Gesetz um die Euro-Stabilisierung. Das hat viel mit Vertrauen zu tun. Vertrauen entsteht, glaube ich, nur, wenn die Regierung klar sagt, was ist, uns an ihren Erkenntnissen teilhaben lässt und auch klare Lösungsvorschläge macht.

(Abg. Otto Fricke (FDP) verlässt seinen Platz – Zurufe von der SPD: Hierbleiben!)

All dies ist bisher nicht geschehen, im Gegenteil.

Wir haben hier viele Reden gehört. Die von Herrn Kauder war die einzige seitens der Koalition, die werbend war. Die FDP hat klar gesagt, sie wolle keine Zustimmung der Opposition. Ich kann mir gut vorstellen, warum. Weil sie sich nicht im Rahmen eines Entschließungsantrages an die Frage binden will, wer die Zeche für die hohen Schulden, die wir jetzt aufnehmen müssen, zahlt,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

nämlich die Spekulanten über die Finanztransaktionsteuer. Das will sie nicht. Deshalb scheint sie unser Angebot nicht annehmen zu wollen.

(Beifall bei der SPD)

Man kann kein Vertrauen zu einer Regierung haben, die heute hü und morgen hott sagt. Auf dem DGB-Bundeskongress am Sonntag haben Sie gesagt: Wenn der DGB die Finanztransaktionsteuer durchsetzt, dann werde ich mich dem nicht entgegenstellen. – Zwei Tage später haben Sie gesagt: Ich werde natürlich dafür kämpfen. ? Das ist doch nicht ernst zu nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Unser Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier hat auf zwei Varianten hingewiesen, was das Geschehen am Freitag, als es um Griechenland ging, betrifft: Entweder haben Sie nicht gewusst, was in Brüssel passiert, und Herr Sarkozy hat die Agenda in Europa bestimmt, oder Sie haben es gewusst und uns nicht die Wahrheit gesagt. Welche Variante schlimmer ist, sei einmal dahingestellt.

Ich hätte aber schon erwartet, dass Sie darüber aufklären. Es ist richtig, dass es bei solch großen politischen Entscheidungen gut ist, wenn man eine breite Mehrheit im Parlament hat. Aber eine breite Mehrheit bedeutet, dass man die Ideen der Opposition einbindet. Dies bedeutet, dass wir Vertrauen zu Ihrem Regierungshandeln im Europäischen Rat, im Ecofin haben müssen. Ich muss Ihnen ganz klar sagen: Ich habe kein Vertrauen zu mündlichen Zusagen, sondern nur zu Dingen, die schwarz auf weiß auf dem Tisch liegen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist bisher nicht der Fall.

Ich sage Ihnen ganz klar: Wir stehen zur Verfügung, wenn Sie sich dazu bekennen, schriftlich mit uns festzulegen, dass es neben dem Rettungsschirm für die Staaten auch ein klares Bekenntnis dafür gibt, wer die Zeche zahlt, nämlich die Spekulanten über eine Finanztransaktionsteuer. Es darf kein Oder und kein Ausweichen geben. Nur dann sind wir bereit, mitzumachen. Anderenfalls ist das nicht zu akzeptieren.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kauder hat vorhin gesagt, es sollte nicht so viel Nabelschau und rückwärtsgewandte Diskussionen geben. Das hat die FDP die ganze Zeit gemacht. Herr Wissing hat in diesem Zusammenhang ein Argument vorgebracht, das den Stabilitätspakt betrifft. Nicht nur, dass Sie den heute mit einer Rekordneuverschuldung von 80 Milliarden Euro brechen würden.

(Birgit Homburger (FDP): Ich wäre ruhig an Ihrer Stelle! Die haben Sie verursacht!)

Ihre Position bei der Einführung der Schuldenbremse im vorigen Jahr war: Nullverschuldung. Was würden Sie denn eigentlich tun, wenn Sie sich mit Ihrer Position der Nullverschuldung durchgesetzt hätten? Hätten Sie dann den Rentenzuschuss auf null gesetzt und die Beiträge zur Sozialversicherung auf 30 Prozent erhöht? Das ist die Wirtschaftspolitik der FDP.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich bin froh, dass wir damals im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zu einer antizyklischen Vorgehensweise gekommen sind. Dieser bildet im Übrigen sehr genau die Schuldenbremse ab, der Sie zugestimmt haben und die im Grundgesetz verankert wurde. Es ist von Folgendem auszugehen: „close to balance or surplus“, das heißt, in guten Zeiten einen ausgeglichenen Haushalt zu schaffen und Überschüsse zu erwirtschaften. Das ist europäisches Recht, das wir als Sozialdemokraten gemeinsam mit den Grünen durchgesetzt haben. So funktioniert in etwa die Schuldenbremse in Deutschland. Ist Ihnen das eigentlich bekannt, oder geht es Ihnen nur darum, die Schuld für Ihre Positionen einer fatalen Finanz- und Steuerpolitik in den vergangenen Jahren bei anderen zu suchen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich finde, den Staaten an sich die Verantwortung für die Finanzkrise und die Euro-Schwäche in die Schuhe zu schieben, ist falsch.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Man muss sich die Frage stellen: Warum ist es überhaupt dazu gekommen? Wir hatten 2008 keinen überschuldeten Haushalt in Deutschland. Wir hatten einen ausgeglichenen Staatshaushalt. Haben Sie das vergessen?

(Beifall bei der SPD)

Wir haben eine Krise der Staatsfinanzen, weil wir uns bereit erklärt haben, antizyklisch zu investieren, nicht gegen die Wirtschaftkrise anzusparen und auf dem Finanzmarkt dafür zu sorgen, dass Stabilität herrscht und nicht einzelne Banken zusammenbrechen. Das haben wir gemeinsam ? im Übrigen zusammen mit Ihnen ? beschlossen.

Jetzt geht es darum, wieder langsam davon herunterzukommen. Ich finde es besonders dreist, dass Sie sich hier als Hort der Stabilität darstellen.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Was an Gesetzentwürfen haben Sie bis jetzt im Bundestag vorgelegt? Es waren vier oder fünf. Einer betraf den Bundeshaushalt 2010. Da haben Sie eine Rekordneuverschuldung beschlossen. Die hätte 10 Milliarden Euro niedriger sein können,

(Bettina Hagedorn (SPD): Richtig!)

wenn Sie nicht Ihr Wachstumsbeschleunigungsgesetz, Ihr Klientelgeschenkegesetz, beschlossen hätten. Das ist Fakt, und deswegen brauchen Sie sich gegenüber anderen Ländern nicht als Sittenwächter, was die Haushaltspolitik betrifft, aufzuspielen. Sie sind das Gegenteil.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will auf ein weiteres Thema zu sprechen kommen. Kollege Trittin hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe, vorgeschlagen, die Mittel in Höhe von 148 Milliarden Euro zu sperren. Wenn Herr Schäuble in der heutigen Ausgabe der FAZ richtig wiedergegeben ist, dann hat auch er sich auf europäischer Ebene dafür eingesetzt, dass der Bundestag bei jeder Entscheidung ein Vetorecht bekommt. Ich greife diesen Vorschlag sehr gern auf. Ich halte die jetzige Veranschlagung nämlich für nicht etatreif, weil die Grundlage und die Bestimmtheit dieser Gewährleistung nicht geklärt sind.

Es ist unverantwortlich, dieses Geld jetzt blanko zu verteilen. Das geht meines Erachtens nicht. Deswegen schlage ich Ihnen vor: Lassen Sie uns diese Mittel heute im Haushaltsausschuss sperren. Sobald das Vehikel steht, sobald die Verträge da sind und sobald die ersten Anfragen vorliegen, sind wir bereit, die Mittel binnen 24 Stunden freizugeben; auch bei dem Vorgehen, das Sie vorschlagen, wären wir nicht schneller. Dann hätte der Bundestag ein Mitbestimmungsrecht. Das hielte ich für richtig.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auf meinen letzten Punkt zu sprechen kommen: auf die Verunsicherung der Märkte hinsichtlich des Euros. Retten wir hiermit eigentlich den Euro? Ich bin da sehr skeptisch. Wie wir wissen, ist der Wert des Euro in den letzten Wochen und Tagen gesunken. Ich glaube, dass das Paket zwar eine Beruhigungswirkung hat, dass es aber einen fatalen Fehler beinhaltet: den realen Angriff auf die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank. Ich finde es bemerkenswert, dass die deutschen Vertreter dort, sowohl Herr Weber als auch Herr Stark, überstimmt worden sind. Ich finde es auch bemerkenswert, dass das Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, kein Wort wert war. Ich denke, Sie als deutsche Bundeskanzlerin hätten am Freitag und am Sonntag letzter Woche auftreten und die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank vor dem Zugriff durch Präsidenten anderer großer Länder schützen müssen. Das ist offenbar nicht gelungen. Das ist bedauerlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn es um Fragen der Stabilität geht, auf die Sie sich ja gern berufen, ist das geradezu grotesk. Ich fordere Sie auf: Sorgen Sie dafür, dass kein europäischer Nationalstaat Einfluss auf die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank ausübt! Denn dann wäre der Inflation Tür und Tor geöffnet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Johannes Kahrs (SPD): Gute Rede! ? Volker Kauder (CDU/CSU): Der richtige Satz kam ganz zum Schluss! Immerhin!)

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Kurzintervention von Carsten Schneider zu Otto Fricke:

Sehr geehrter Herr Kollege Fricke, Sie haben mich in Ihrer Rede der Unwahrheit bezichtigt. Es geht sicherlich um die Frage, wie hoch die Belastung Deutschlands durch Kredite für Griechenland insgesamt ist und ob dieses Volumen ausreicht. Dazu halte ich fest: Alle Antworten, die wir in den vergangenen Wochen vom Bundesfinanzministerium bezüglich der Verabredungen zu Griechenland bekommen haben, waren substanzlos. Unsere Fragen wurden wie folgt beantwortet: Griechenland hat keinen Antrag gestellt. Es gibt nichts zu verhandeln. So haben Sie die deutsche Öffentlichkeit seit drei Monaten an der Nase herumgeführt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Groschek (SPD): Hört! Hört! – Weiterer Zuruf von der SPD: Und das Parlament!)

– Und das Parlament!

Am Mittwoch bekommen wir im Haushaltsausschuss erstmals den Kreditvertrag kursorisch zu Gesicht. Am Montag davor habe ich Staatssekretär Kampeter in der Ausschusssitzung gefragt: Ist es richtig, dass es einen Zinsausgleich gibt? Darauf er: Dem BMF, dem Bundesministerium der Finanzen, ist das nicht bekannt. – Am Mittwoch ist klar: Es gibt ihn, und es gibt nicht nur den Zinsausgleichmechanismus, sondern sogar auch die Möglichkeit, dass ein Land, das höhere Zinsen zahlt, als Griechenland selbst in Rechnung gestellt bekommt, nicht mehr am Kredit beteiligt ist. Das hat zwei mögliche Konsequenzen, auf die ich schon hingewiesen habe: Entweder das IWF-Paket unter Beteiligung der EU-Staaten reicht im Volumen nicht aus   das bedeutet aber eine deutliche Marktverunsicherung; wir wollen aber genau das Gegenteil erreichen  , oder Deutschland muss einen größeren Gewährleistungsrahmen bereitstellen.

(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

Das hat jetzt noch keine gesetzliche Grundlage, aber Sie müssen wissen, dass Sie, wenn Sie einmal Ja sagen, dann auch im nächsten Schritt dabei sind. Ich finde, darüber müssen der Bundestag und die deutsche Öffentlichkeit informiert sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man eine so wegweisende Entscheidung trifft, dann kann man nicht so tun, als koste das alles nichts, als gäbe es kein Risiko, oder als wäre das Risiko damit begrenzt. Das ist nicht der Fall, und darauf habe ich hingewiesen.

(Beifall bei der SPD)

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Meine lieben Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hatte die Hoffnung, dass der Tag der Steuerschätzung für Sie auch ein Tag der Erkenntnis wäre.

(Dr. Daniel Volk (FDP): Das habe ich gerade vorgetragen!)

Seit sechs Monaten regieren Sie dieses Land: Sechs Monate Phantasialand. Sechs Monate lang haben Sie auf diesen Termin verwiesen; mit der Steuerschätzung würden alle Probleme gelöst. Was können wir heute feststellen? Das Märchenbuch „Koalitionsvertrag dieser schwarz-gelben Regierung“ bestimmt weiter. Sie sind nicht in der Lage, den Ernst der Situation nicht nur in Griechenland und Europa, sondern auch in Deutschland zu erkennen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Steuerschätzung hat ergeben, dass Sie eine Steuerlücke von zusätzlich 30 Milliarden Euro haben.

(Norbert Schindler (CDU/CSU): Auf Jahre!)

Sie müssen bis 2014  40 Milliarden Euro aufgrund der Schuldenbremse einsparen. Zudem hat Ihre traute Ministerriege im Koalitionsvertrag Mehrausgaben in Höhe von weiteren 30 Milliarden Euro beschlossen. Dafür haben Sie alle die Hand gehoben. Ich kann es Ihnen vorrechnen. Vorgesehen sind zusätzliche Ausgaben für den Bereich Gesundheit sowie 14 Milliarden Euro für die Forschung und 2 Milliarden Euro pro Jahr für die Erfüllung der ODA-Quote. Insgesamt kommen wir auf eine Lücke von 100 Milliarden Euro, die Sie gegenfinanzieren müssen.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Was ist dazu von Ihrer Seite zu hören? Sie wollen Subventionen abbauen. Sagen Sie bitte ganz konkret, welche Subventionen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie regieren seit sechs Monaten. In dieser Zeit haben Sie nicht viele Gesetze gemacht.

(Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zum Glück!)

Ich glaube, noch keine Regierung hat sechs Monate verstreichen lassen und gerade mal drei oder vier Gesetze gemacht.

(Dr. Volker Wissing (FDP): Aber gute!)

– Herr Wissing, das eine Gesetz, das Sie Wachstumsbeschleunigungsgesetz genannt haben, ist Volksverdummung. Es hat eine Steigerung des Wachstums von 0,07 Prozent bewirkt.

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Seit wann ist das in Kraft?)

Das sagt Ihr Sachverständigenrat. Es hat aber die Subventionszahlungen des Bundes   das können Sie im Subventionsbericht nachlesen um 1 Milliarde Euro erhöht, nämlich für die Hoteliers. Statt Subventionen abzubauen, haben Sie 1 Milliarde Euro zusätzliche Subventionen beschlossen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nicht nur die Menschen, sondern auch die Finanzmärkte wollen wissen, wo Sie konsolidieren. Wo sparen Sie denn? Sie reden immer von Steuermehreinnahmen. Warum machen Sie es denn nicht, wenn das alles so einfach ist? Bringen Sie doch Ihre Gesetzentwürfe ein! Stattdessen diskutieren Sie und nerven Sie uns schon seit Wochen und Monaten immer mit derselben Leier. Dabei liegt real nichts auf dem Tisch.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Wissing, als die Wirtschaft im Jahr 2009 um 5 Prozent eingebrochen ist, haben wir noch mitregiert und einen Haushalt vorgelegt, der eine Neuverschuldung von knapp 40 Milliarden Euro vorgesehen hat.

(Dr. Volker Wissing (FDP): Sagen Sie mal, warum Sie in Ihrem Parteiprogramm die Steuern senken wollen! Sagen Sie doch mal, warum Sie den Menschen Steuersenkungen versprochen haben!)

2010 dagegen haben wir wieder ein leichtes Wachstum von 1,2 bis 1,4 Prozent zu verzeichnen. Die Neuverschuldung beträgt 80 Milliarden Euro. Mit den Stimmen der SPD waren es 40 Milliarden Euro bei einem Minus von 5 Prozent beim Wirtschaftswachstum. Mit Ihren Stimmen sind es 80 Milliarden Euro Schulden bei 1 Prozent Wachstum. Herzlichen Glückwunsch! Wo bleibt dabei die Generationengerechtigkeit? Wo bleibt die Nachhaltigkeit? Sie sind Schuldenweltmeister, nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Widerspruch des Abg. Dr. Daniel Volk (FDP) – Norbert Barthle (CDU/CSU): Steinbrück wollte 87 Milliarden Euro!)

80 Milliarden Euro Schulden, 25 Prozent des Haushalts sind kreditfinanziert, und Sie wollen zusätzliche Steuersenkungen auf Pump finanzieren. Steuersenkungen auf Pump sind Steuererhöhungen in der Zukunft, nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   Dr. Volker Wissing (FDP): Das sagt die Partei, die den Stabilitäts- und Wachstumspakt aufgeweicht hat! Sie machen sich doch lächerlich!)

Es wird Zeit, dass es am Sonntag eine politische Veränderung gibt, dass wir Klarheit bekommen und dass die Regierung endlich einen Gegenpol im Bundesrat bekommt. Ich bin da sehr zuversichtlich nach Ihrer Performance. Sie haben alles darauf ausgerichtet, über diese eine Landtagswahl zu kommen. Sie haben einen Koalitionsvertrag geschlossen, der ein Märchenbuch ist, ohne Finanzverhandlungen zu führen. Sie fragen nicht danach, was ist. Bei Ihnen hat man das Gefühl, dass Sie in der Fundamentalopposition sind, ohne die reale Situation anzuerkennen. Die Menschen in diesem Land werden Ihnen das nicht mehr abnehmen, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Kollegin Tillmann, die Frage des Finanzplanungsrates ist unstrittig. Dem ursprünglichen Gesetzentwurf hätten wir auch zugestimmt. Nicht unstrittig ist allerdings eine maßgebliche Veränderung des Gesetzes, die Sie am gestrigen Tag im Haushaltsausschuss vorgenommen haben. Sie haben nämlich dieses Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates genutzt,

(Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Missbraucht!)

um eine maßgebliche Änderung am Konjunkturprogramm vorzunehmen. Sie haben es missbraucht. Das haben Sie entgegen allen Empfehlungen getan, die sowohl der Präsident des Bundesrechnungshofes als auch der Bauindustrieverband, Sie selbst und die Bundesregierung, vertreten durch das Bundesfinanzministerium, gegeben haben.
Worum geht es? Im Konjunkturprogramm war festgelegt: 10 Milliarden Euro an Investitionen gehen an die Gemeinden. Sie müssen diese Mittel aber kofinanzieren, sodass wir auf 13 Milliarden Euro kommen. Da geht es nun um einen Effekt der Zusätzlichkeit. Das war Bedingung. Diese Bedingung haben wir im Haushaltsausschuss des Bundestages vor ungefähr einem Jahr eingefügt. Heute geschieht Folgendes: Genau diese Bedingung, die wir mit vier Fraktionen   die Linke hat nicht zugestimmt   eingefügt haben, streichen Sie nach dem Willen und auf Druck des Bundesrates wieder. Warum?

(Heinz-Peter Haustein (FDP): Wir sind lernfähig!)

Zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz, wie Sie Ihr Klientelbegünstigungsgesetz genannt haben, gab es formelle Zusagen der Bundeskanzlerin, dass Sie dies für die Länder ändern werden, damit sie diesem unsinnigen Gesetz zustimmen, das zu mehr Steuerunsicherheit und Steuerausfällen geführt hat. Meine Damen und Herren, das war eine Erpressung, der Sie nachgegeben haben. Das ist eine Kastration des Bundestages, und es ist finanzwirtschaftlich ein Desaster.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Otto Fricke (FDP): Kindergelderhöhung!)

Ich kann Ihnen das nicht ersparen. Frau Kollegin Tillmann, ich habe gerade eine Pressemitteilung vom 24. Februar 2010 herausgeholt, die vom Tenor her richtig ist. Unter der Überschrift „Zusätzlichkeitskriterium ist verantwortungsvoll!“ schreiben Sie   ich zitiere, weil das alles stimmt, was Sie schreiben: Die neue Initiative der Länder im Bundesrat, Investitionen in Kommunen auch dann aus dem Konjunkturprogramm zu fördern, wenn sie nicht zusätzlich sind, hat die Bundesregierung in ihrer heutigen Kabinettssitzung zu Recht zurückgewiesen.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Nur zusätzliche Investitionen erfüllen den Sinn und Zweck des Konjunkturprogramms, neue Aufträge zu generieren und dadurch die krisenbedingte Nachfragelücke zumindest teilweise zu schließen.
Auch das ist richtig.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

„Die Streichung des Zusätzlichkeitskriteriums würde zu einer Ungleichbehandlung führen. Kommunen, die ihre Maßnahmen bereits durchfinanziert haben, wären gegenüber Kommunen, die sich mehr Zeit gelassen haben, benachteiligt“, so Tillmann.

Es tut mir leid, Sie haben damit vollkommen recht; nur machen Sie mit diesem Gesetz, zu dem Sie jetzt eben kein Wort gesagt haben, genau das Gegenteil. Ich finde, dafür sind Sie der deutschen Öffentlichkeit eine Erklärung schuldig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann mir vorstellen, dass Ihnen das peinlich ist. Das kann ich sogar nachvollziehen. Ich würde das nicht machen wollen. Ich hätte das auch nicht gemacht. Ich hätte so etwas auch nicht zugesagt. Ich hätte auch das erste Gesetz, mit dem das in Verbindung steht, nicht gemacht. Aber es zieht sich wie ein roter Faden durch die Finanzpolitik dieser Regierung, dass Sie kein Konzept haben, dass wirtschaftliche Effekte, die zu einer Stärkung von wirtschaftlicher Tätigkeit führen, im Hintergrund stehen. Im Gegenteil: Sie betreiben Klientelbegünstigung. Das, was an guten Maßnahmen noch da war   wir laufen jetzt sogar Gefahr, dass diese Hilfen, die wir gegeben haben, verfassungswidrig sind  , konterkarieren Sie. Ich finde, es ist eine bittere Stunde für den Bundestag, eine bittere Stunde für den Haushaltsausschuss. Ich kann nur hoffen, dass das in dieser Tendenz mit Ihnen nicht so weitergeht. Aber meine Hoffnung wird wahrscheinlich trügen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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