Zur Diskussion um eine europäische Bankenaufsicht habe ich für das heutige Handelsblatt folgenden Beitrag verfasst:

Nach dem Brüsseler Gipfel im Juni verkündete der spanische Ministerpräsident Rajoy, in Not geratene Banken würden bald direkt von Europas Steuerzahlern finanziert. Die Bundeskanzlerin war düpiert. Noch am Vortag hatte ihre Koalition eine direkte Rekapitalisierung durch den ESM ausgeschlossen. Um dieses Ziel zu erreichen, soll ein neuer Gipfel nun eine europaweite Bankenaufsicht hervorbringen. Merkel will, dass die EZB dauerhaft diese Aufgabe übernimmt. Die EZB versorgt den Bankensektor mit Liquidität – unbegrenzt. Als Aufsicht müsste sie Institute schließen, die den Anforderungen nicht entsprechen.

Der Interessenkonflikt ist programmiert, die EZB wäre nicht mehr unabhängig, sondern Teil des Spiels. Das Reputationsrisiko der EZB steigt, denn keine Finanzaufsicht ist unfehlbar. Die EZB wird angreifbar. Sie übernähme hoheitliche Aufgaben, aus denen sich eine Rechenschaftspflicht gegenüber Parlamenten und Regierungen zwingend ergibt. Über kurz oder lang führt dies zu einer Einschränkung ihrer Unabhängigkeit.

Zudem würde die EZB-Lösung den Binnenmarkt spalten: Die Nicht-Euro-Länder werden kein zweifelhaftes Modell unterstützen; es drohen unterschiedliche Normen und Aufsichtsstandards. Aus diesen Gründen darf die Bankenaufsicht in der EU höchstens vorübergehend für eine Aufbauphase von der EZB übernommen werden.

Bankenaufsicht allein ist ein stumpfes Schwert. Daneben ist eine aus Beiträgen der Banken finanzierte europäische Abwicklungseinrichtung nötig. Der ESM ist ein Rettungsschirm für Staaten. Er darf kein Bankenschirm werden, bei dem die Steuerzahler für die Fehler der Geldinstitute und der mangelhaften nationalen Aufsicht haften. Auch müssen Banken, bevor sie der Bankenunion beitreten, einen Stresstest absolvieren. Fällt eine Bank durch, muss eine Rekapitalisierung durch den Mitgliedstaat oder besser die Abwicklung der Bank erfolgen. Davor schreckt man sogar in Deutschland zurück. Auch in Spanien blieb die Ankündigung zur Abwicklung von Banken leer und die Gläubiger wurden ungenügend herangezogen – in der Hoffnung, dass der ESM bald übernimmt. Eine europäische Bankenaufsicht wäre dagegen von nationalen Interessen unabhängiger; Aufsichtsarbitrage bestenfalls nicht vorhanden. Außerdem wären mit einheitlichem Abwicklungsrecht die Staaten weniger erpressbar, Großbanken das Überleben zu sichern.

Von der Europäisierung der Bankrisiken profitieren vor allem Mitgliedstaaten mit großem Finanzsektor, Einige verweigern sich einer Finanztransaktionssteuer. Gleiche Regeln sollten aber nicht nur für die Regulierung des Finanzsektors, sondern auch für dessen Besteuerung gelten. Sonst drohen Wettbewerbsverzerrungen. Wer die Europäisierung der Risiken des Finanzsektors will, muss auch die Besteuerung harmonisieren.

Die Bankenunion darf kein Vehikel für die Sozialisierung der Bankverluste werden. Das Ziel einer langfristigen Lösung müssen Vertragsänderungen sowie die Gründung einer europäischen Bankenaufsichtsbehörde und einer Abwicklungsanstalt sein. Merkels Entscheidung, der EZB dauerhaft eine zentrale Rolle bei der Krisenlösung zu übertragen, ist ein Fehler. Sie ist die Totengräberin der Unabhängigkeit der Zentralbank.

(c) Handelsblatt

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.