Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es gibt mittlerweile eine intensive Debatte in der europäischen Öffentlichkeit. Das zeigen die vielfältige Berichterstattung in den Zeitungen und das Interesse der Bevölkerung an diesem Thema und die vielen Debatten, die wir im Deutschen Bundestag zu Griechenland und anderen Ländern führen. Es ist ein Vorteil, dass es keine Spaltung gibt, sondern ein gegenseitiges Interesse. Wir müssen aber dazu kommen, dass eine solche Spaltung, die durchaus möglich ist, nicht durch Politiker betrieben wird, die ihre jeweilige nationale Öffentlichkeit bespielen und dort Applaus suchen. Das war in Griechenland lange Zeit der Fall, wo die Politiker die Politik, die sie machen mussten, sehr stark auf die anderen Länder, insbesondere auf Deutschland, bezogen haben. Mein Eindruck ist aber auch, dass der eine oder andere im Bundestag die Debatte eher sucht, um die nationale Öffentlichkeit zu bespielen und Vorurteile zu bedienen. Diesen Weg dürfen wir nicht gehen.

(Beifall bei der SPD)

Zu Griechenland haben wir heute zwei Extrempositionen zu dem Erfolg der letzten fünf Jahre erlebt. Auf der einen Seite steht der Bundesfinanzminister, der sagte: Alles war gut, aber dann kam der Regierungswechsel, und damit ist es schlecht geworden. Auf der anderen Seite haben wir die Linkspartei, die sich nicht zwischen Linkspopulismus – wie Herr Gysi heute, als er vom Europa der Banken gesprochen hat – und Rechtspopulismus – wir haften für Kredite, die wir gar nicht gewähren wollten – entscheiden kann. Sie vertritt eine Art Zwischenposition und sagt dann auch noch: Es war alles schlecht.

Ich glaube, beide Positionen sind nicht richtig. Der Bundesfinanzminister hat vorhin den IWF zitiert, der gesagt habe: Es ist alles gut. Ich lese dessen Stellungnahmen anders. Schon im März 2012 hat der IWF eine Analyse zur Schuldentragfähigkeit und zu den wirtschaftspolitischen Maßnahmen und deren Auswirkungen erstellt. Sie haben eine selbstkritische Analyse gemacht, und ich wünschte mir, das würde auch in Deutschland stärker zur Kenntnis genommen. Denn sie haben die fiskalischen Multiplikatoren deutlich unterschätzt. Was heißt das? Sie haben unterschätzt, wie stark sich Steuererhöhungen und auch Ausgabenkürzungen auf die Wirtschaftsleistung Griechenlands auswirken. Deswegen ist die Wirtschaftsleistung in Griechenland stärker eingebrochen als prognostiziert. Ich finde, es steht uns gut an, zu sagen: Das war ein Fehler.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das war ein klarer Fehler. Wir haben zu schnell und zu hart auf Einsparungen und finanzielle Anstrengungen zum Abbau des Defizits gesetzt. Das Defizit lag in Griechenland bei 15 Prozent. Wir haben viel zu wenig auf das geachtet, was Thomas Oppermann heute hervorgehoben hat, nämlich das Institutionenversagen und Staatsversagen in Griechenland. Ich will aber keine rückwärtsgewandte Diskussion führen, sondern nach vorne blicken. Wir Sozialdemokraten stehen nicht für eine Drohung gegenüber Griechenland mit einem Grexit und einem Ausscheiden aus der Währungsunion, wenn sie nicht spuren, zur Verfügung. Das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Wir profitieren am meisten von allen europäischen Ländern durch die Europäische Union und den Euro. Das ist erstens der Fall, weil der Euro-Kurs niedriger ist, als er es unter Bedingungen wie in der D-Mark-Zeit wäre. Das heißt, unsere Exporte sind billiger, als sie es normalerweise wären. Das gibt Raum für Lohnerhöhungen, die die Gewerkschaften jetzt auch durchsetzen.

Der zweite Punkt ist: Den Haushaltsausgleich im Bundeshaushalt, über den wir uns freuen, auch weil wir dadurch Möglichkeiten haben, zusätzlich zu investieren, haben wir vor allem dadurch erzielt, dass wir extrem niedrige Zinsen auf alle unsere Staatsschulden zahlen müssen. Das sind über 10 Milliarden bzw. 12 Milliarden Euro pro Jahr, die wir einsparen. Ich finde, es steht uns als reichstem und wirtschaftlich stärkstem Land in Europa gut an, an dieser Stelle mit einem Land wie Griechenland gemeinsam die Probleme zu lösen. Wer dort war, hat gesehen, wie sehr die Wirtschaft am Boden liegt.

Ja, die griechische Vorgängerregierung und auch die amtierende Regierung haben in den letzten Jahren wenig dazu beigetragen, dass es besser wird. Aber nun haben wir die Chance, mit einer Regierung, die das Grundübel anpacken will, den korrupten, nicht effizienten Staat zu bekämpfen. Ich finde, wir müssen diese Chance ergreifen und den Griechen so gut wie möglich helfen. So interpretiere ich den Antrag, den der Bundesfinanzminister für heute gestellt hat.

Ich erwarte, dass in diesem Sinne verhandelt wird. Ich will klar sagen: Mich haben die Diskussionen – zuletzt gestern im Deutschlandfunk –, ob der Grexit nicht doch die bessere Variante für Griechenland wäre, mehr als irritiert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn ein Grexit wäre für Europa und insbesondere für Deutschland nicht die bessere Variante, sondern die teuerste Variante. Schließlich würden in einem solchen Fall die Kredite, die wir gegeben haben, sofort fällig. Es wäre für Griechenland nicht die beste Variante, weil dort dann die Banken geschlossen würden und Chaos herrschen würde, genauso wie es die Bundeskanzlerin eben erklärt hat. Aus diesem Grund bitte ich Sie, Herr Bundesfinanzminister: Seien Sie bei den Verhandlungen der Finanzminister Öl und nicht Sand im Getriebe!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)