Zum SPD-Steuer- und Finanzierungskonzept habe ich heute für „Neues Deutschland“ folgenden Beitrag verfasst:

Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer: Die Wirtschaftsweisen diagnostizieren die wachsende Ungleichheit der Haushaltseinkommen in Deutschland. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung stellt eine steigende Sparquote und einen kräftigen Anstieg der Selbstständigen- und Vermögenseinkommen fest. Gleichzeitig sind die Löhne seit 2003 kaum gestiegen, nicht einmal die Inflation wurde ausgeglichen. Mit anderen Worten: Unsere Gesellschaft driftet auseinander. Wenn zehn Prozent der Bevölkerung mehr als zwei Drittel des Vermögens anhäufen, während zwei Drittel der Bevölkerung über weniger als zehn Prozent des Vermögens verfügen, schwindet das wechselseitige Verständnis für „die da oben“ und „die da unten“. Gerade dieses Verständnis benötigen wir aber für die kommenden Aufgaben.

Auf unseren Staatshaushalt werden in den nächsten Jahren neue, zusätzliche Belastungen zukommen. Dazu gehören Mehrausgaben aufgrund der europäischen Schuldenkrise, verstärkte Sparanstrengungen für Bund und Länder durch die Schuldenbremse sowie die demografische Entwicklung mit ihren massiven Auswirkungen auf die Sozialversicherungen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen und Zukunftsausgaben wie Bildung, Energie und bessere Infrastruktur zu finanzieren, brauchen wir eine robuste Einnahmebasis und gerechte Steuern mit Maß.

Topverdiener verbuchen immer wieder überproportionale Gehaltszuwächse, die in keinem Verhältnis zu ihrer Leistung stehen. Gerade den oberen fünf Prozent können wir deshalb eine höhere Steuerbelastung zumuten: Die SPD will den Spitzensteuersatz ab einem Jahreseinkommen von 100 000 Euro auf 49 Prozent erhöhen und ab 64 000 Euro Jahreseinkommen den bisherigen Spitzensteuersatz von 42 Prozent proportional auf 49 Prozent steigen lassen. Hinzu kommt noch der Soli von 5,5 Prozent. Im Gegensatz zu Katja Kipping planen wir also eine deutlich früher einsetzende Belastung. Schon wer mehr als 5300 Euro monatlich zu versteuerndes Einkommen hat, zahlt höhere Steuern. Dies führt zu Mehreinnahmen von sechs Milliarden Euro – so viel wie der gesamte Etat des Wirtschaftsministeriums.

Aber nicht nur Einkommen, sondern auch Vermögen muss stärker besteuert werden. Dadurch könnten Mehreinnahmen von mehr als zehn Milliarden Euro generiert werden. Eine erhöhte Steuer auf Zinsgewinne – etwa eine Abgeltungssteuer von 32 Prozent – belastet diejenigen, die die Finanzkrise mit verursacht haben. Auch die Finanztransaktionssteuer beteiligt die Richtigen an den Kosten. Der gegenüber der Realwirtschaft deutlich gewachsene Finanzmarkt wird somit erstmals in die Besteuerungsgrundlage mit einbezogen. Außerdem sollte vererbtes Vermögen stärker in die Finanzierung unseres Gemeinwesens einbezogen werden.

Wir wollen aber nicht nur bei den Besserverdienenden und Vermögenden ansetzen, sondern gleichzeitig auch geringe und mittlere Einkommen stärken. Ein Fünftel aller Beschäftigten arbeitet im Niedriglohnsektor, allein in Ostdeutschland sind mehr als zwei Millionen Menschen betroffen. Über 70 Prozent der Niedriglohnbezieher haben eine abgeschlossene Berufsausbildung und knapp 70 Prozent von ihnen sind Frauen. Wir können hier nicht einfach weggucken wie die schwarz-gelbe Koalition. Stattdessen fordern wir einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro. Dieser wird dazu führen, dass bei den Niedriglohnempfängern deutlich mehr in der Haushaltskasse landet und die Abhängigkeit von Transferleistungen verringert wird. Ferner müssen wir im Auge behalten, dass gerade die geringen und mittleren Einkommen viel stärker durch Sozialabgaben belastet werden als die höheren Einkommen. Hier Entlastungen zu erreichen, ist eine langfristige Aufgabe.

Eine einfache Lösung gibt es nicht. Die Forderung nach einer kompletten Besteuerung von Einkommen ab 40 000 Euro im Monat ist überzogen. Sie ist unrealistisch, verfassungswidrig und populistisch. Wenn wir aber daran arbeiten, dass die Geringverdiener mehr Lohn erhalten, die Besserverdiener mehr Steuern zahlen und Vermögen angemessen belastet werden, dann bleibt die gesellschaftliche Balance intakt.

(c) Neues Deutschland

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