Hier die Rede im Videoformat.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf zur Umsetzung verschiedener EU-Richtlinien schützt insbesondere Kleinanleger. Das neue Gesetz soll Marktmissbrauch durch große Handelsplattformen, aber auch durch Manipulationsmöglichkeiten im Insiderhandel verhindern. Das ist richtig und wichtig.

Aber das ist ein kleines Puzzleteil, das zu einem größeren Bild gehört, nämlich zur Frage, ob das Finanzsystem insoweit sicher ist, als es volkswirtschaftliche Krisen wie 2008/2009 verhindert – verbunden mit Staatsverschuldung, hoher Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Depression.

Herr Kollege Meister hat in seiner Einführungsrede auf ein paar Punkte hingewiesen. Ich will sie unterstreichen. Wir haben eine EU-Abwicklungsrichtlinie für Banken umgesetzt, die vorsieht, dass das dort vorhandene und auch das nachgelagerte Eigenkapital haften müssen.

Das ist in Europa aber nicht überall tatsächlich umgesetzt worden. Ich komme mit den Kollegen gerade von einer Konferenz in Brüssel zur Situation in den Nationalstaaten. Auch dort spielte die Frage einer gemeinsamen Einlagensicherung eine Rolle. Wir haben sehr klargemacht, dass wir das als eine Endstufe einer Bankenunion sehen, aber nicht als den nächsten Schritt. Wir wollen keine Vergemeinschaftung von Risiken, ohne dass der Haftungs- oder Sicherheitsrahmen steht. Dieser Sicherheitsrahmen muss stehen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Anja Karliczek (CDU/CSU))

Da gibt es noch einiges zu tun. Ich habe auch die Stimmen aus der EZB wie aus Italien gehört – dort hat das Bankensystem so ähnlich geschwankt wie der Aktienkurs der Deutschen Bank in den letzten Wochen -, von einer möglichen Haftung der Gläubiger abzusehen. Ich will Ihnen ganz klar sagen: Wir Sozialdemokraten tragen so eine Veränderung nicht mit. Wir haben sehr deutlich in den letzten Jahren hier dafür gekämpft, dass Haftung und Risiko zusammengehören. Das heißt: Banken, Bankvorstände und Aktionäre müssen wissen, dass, wenn das Geschäftsmodell riskant ist, für Verluste auch der Aktionär und der Gläubiger einzustehen haben – und nicht die Steuerzahler.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Verunsicherung, die Nervosität, die hohe Marktvolatilität, die sich am Auf und Ab des DAX in den letzten Wochen insbesondere bei den Bankaktien gezeigt hat, sprechen dafür, dass wir in einer extrem kritischen Situation sind. Man kann nicht in der ersten Krisensituation die Dinge, die man in Sonntagsreden gefordert und in Gesetze gegossen hat, sofort abschaffen und sagen: Die setzen wir jetzt einmal aus. Das wäre nicht nur schlechter Stil, sondern auch Verrat an den Interessen des Gemeinwohls.

Deswegen meine ich, dass sowohl die europäische Bankenaufsicht als auch die Europäische Zentralbank gut beraten sind, das Instrumentarium dafür zu benutzen. Ich finde, dass die Aktionäre gut beraten sind, auf die Geschäftspolitik der einzelnen Banken insoweit Einfluss zu nehmen, als sie nicht riskant sein sollte.

Wir haben bei der Deutschen Bank die Strafe für jahrzehntelange expansive, risikoreiche und unlautere Geschäftspolitik erlebt. Dafür kommt jetzt die Rechnung. Ich kann mich noch genau an die Gespräche mit Herrn Fitschen und Herrn Jain erinnern, die zwischenzeitlich Vorstände der Deutschen Bank waren – der eine ist immer noch einer der Vorstandsvorsitzenden -, in denen es hieß: Wir wollen immer noch die einzige europäische Investmentbank bleiben, während sich alle anderen europäischen Banken von dieser Idee verabschiedet haben. – Das war ein Fehler, und dafür zahlen sie heute dadurch, dass das Marktvertrauen verloren geht.

Klar ist aber auch: Es kann auch anders gehen. Nehmen Sie die Commerzbank. Wir haben als Anteilseigner der Commerzbank sehr klar darauf gedrängt und auch durchgesetzt, dass sie sich aus dem globalen Spekulationskapitalismus zurückzieht und ganz normales Brot-und-Butter-Mittelstandsgeschäft macht. Das ist zwar nicht sonderlich sexy, aber zumindest so ertragreich, dass es der Wirtschaft in Deutschland nutzt und die Bank wieder in stabiles Fahrwasser bringt.

(Beifall bei der SPD)

Nichtsdestotrotz, Kollege Meister, muss ich zwei Punkte ansprechen, bei denen wir als Sozialdemokraten im Bundestag noch mehr Handlungen der Bundesregierung und vor allem des Bundesfinanzministers erwarten – insbesondere vor dem Hintergrund der Krise 2009. Das Erste betrifft die Finanztransaktionsteuer, und das Zweite betrifft das Trennbankensystem.

Wir haben sehr klar in den Koalitionsverhandlungen gesagt und auch festgelegt: Wir wollen ein ganz scharfes Trennbankensystem, sodass diejenigen, die spekulieren wollen, das gern machen können – aber nur mit ihrem Eigenkapital und nicht mit den Einlagen, also nicht mit dem Spargroschen der Bürger. – Dieses Trennbankensystem ist in Europa gerade in Verhandlung. Die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament sind für eine sehr scharfe Regelung; bei den Christdemokraten bin ich mir nicht so ganz sicher. Ich erwarte, dass die Bundesregierung den Koalitionsvertrag umsetzt, der sagt: Ganz scharfe Regelungen, so, wie die Expertenkommission unter Herrn Liikanen, dem Präsidenten der Zentralbank Finnlands, das vorgeschlagen hat.

(Beifall bei der SPD)

Nur dann haben wir die Risiken insoweit separiert, dass ich über ein europäisches Einlagensystem diskutieren und positiv entscheiden kann. Dafür brauche ich aber eine wirkliche Abkehr und die Sicherheit, dass das volatile, extrem anfällige Spekulationsgeschäft der Investmentbanken letztendlich eben nicht durch den Spargroschen geschützt ist.

Der zweite Punkt ist die Finanztransaktionsteuer. Wir Sozialdemokraten haben uns 2012 hier im Bundestag in gemeinsamen Verhandlungen mit Union und FDP – auch die Grünen waren dabei – durchgesetzt. Wir haben den europäischen Rettungsfonds mitbeschlossen. Eine der Bedingungen für unsere Zustimmung war, dass diejenigen, die spekulieren, vor allen Dingen im Hochfrequenzhandel, den wir hier heute auch regeln, einen Teil der Lasten der Finanzkrise schultern, das heißt, dass die Kosten der Krise auch mit den Einnahmen aus einer Finanztransaktionsteuer bezahlt werden. Diese Einnahmen sind aber nicht geflossen; denn wir haben bisher keine entsprechende Steuereinnahme. Im Gegenteil: Diese Kosten haben letztendlich die Schuldenlast des Bundes erhöht, und wir haben keine Gegenfinanzierung.

Es gibt eine Initiative von noch zehn Ländern. Nach dem, was ich gehört habe – Herr Moscovici, der zuständige Kommissar, hat uns das auf meine Frage in Brüssel sehr konkret gesagt -, geht es in die Schlussphase der Entscheidung. Im März wird die Entscheidung fallen, ob es eine europäische Finanztransaktionsteuer gibt oder nicht. Er hat sehr klar gesagt, dass sich auch Deutschland bewegen und konstruktiv verhandeln muss. Der Bundesfinanzminister hat das hier im Bundestag immer gesagt. Er hat dafür auch ein Mandat des Bundestages: breite Bemessungsgrundlage, niedrige Sätze, keine Ausnahmen.

(Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Zu Recht!)

Worum ich bitte, und was ich erwarte – das ist auch im Sinne dessen, was der Bundestag 2012 auf den Weg gebracht hat, also im Interesse der Kontinuität -, ist, dass Sie konstruktiv agieren und eine europäische Finanztransaktionsteuer als Ergebnis wollen. Es bringt nichts, über die Kosten der Flüchtlingskrise zu diskutieren und eine höhere Benzinsteuer vorzuschlagen, während die Finanztransaktionsteuer entscheidungsreif auf dem Tisch liegt. Deswegen sage ich: Nehmen Sie Ihren Mut zusammen und sorgen Sie Seite an Seite mit Frankreich dafür, dass im März entschieden wird, dass nach sieben Jahren Finanzkrise endlich auch diejenigen zur Kasse gebeten werden, die diese Krise verursacht haben.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Philipp Graf Lerchenfeld (CDU/CSU))