Für die heutige DIE ZEIT habe ich folgenden Gastbeitrag verfasst:

Die Zypernhilfe war ein entscheidendes Novum in der europäischen Krisenpolitik: Erstmals wurden die Gläubiger einer Bank bei deren Abwicklung einbezogen – statt wie bisher wegen gefürchteter Marktreaktionen überwiegend die Steuerzahler zu belasten. Damit hat der neue sozialdemokratische Vorsitzende der Eurogruppe Dijsselbloem Maßstäbe für die Zukunft gesetzt. Denn das Grundproblem der Refinanzierungskrise ist der Infektionskanal zwischen maroden Banken und Staatsfinanzen. Er muss trocken gelegt werden.

Wer Risiken für einen höheren Profit eingeht, der muss auch für Verluste gerade stehen. Banken müssen scheitern können. Sie dürfen nicht wegen ihrer Größe ganze Staaten als Geisel nehmen. Dieses Ziel erfordert zwei Maßnahmen: eine einheitliche, starke europäische Bankenaufsicht und eine unabhängige Abwicklungsinstitution mit dem Recht, insolvente Banken zu schließen – samt eines vom Finanzsektor bezahlten Fonds. Künftig müssen Banken für Banken haften, nicht die Steuerzahler.

Doch  Bundeskanzlerin Merkel hat eine andere Richtung eingeschlagen. Sie ließ den Einstieg in eine Bankenunion zu, aber sorgte zugleich für den direkten Zugang von Banken zu den Rettungsgeldern im ESM, die eigentlich in Not geratenen Staaten vorbehalten sind. Die einzige Bedingung war, dass der EZB die Rolle als gemeinsame Bankenaufsicht übertragen wird.

Damit hat Merkel den ESM von einem Rettungsfonds für Staaten in einen Rettungsfonds für Banken umgewandelt, obwohl der Bundestag genau das bei der Ratifizierung des ESM-Vertrages gesetzlich ausgeschlossen hat. Trotzdem sollen die Verhandlungen darüber in Brüssel  bis zum Sommer abgeschlossen sein. Die anderen Länder pochen auf das Wort der Kanzlerin. Doch die scheut die dafür notwendige Gesetzesänderung in Deutschland vor der Wahl. Die SPD hat diesen Weg von Anfang an abgelehnt, weil damit der Teufelskreis zwischen Banken und Staaten verstärkt wird.

Gerade erst haben die EU-Finanzminister eine mit heißer Nadel gestrickte Verordnung abgesegnet, mit der die Aufsicht der EZB übertragen werden soll.

Der Bundestag muss dieser Verordnung bis Mitte Juni noch zustimmen, weil damit nationale Hoheitsrechte in einem ungekannten Ausmaß auf die EZB übertragen werden. Geschieht das, avanciert die EZB zur mächtigsten EU-Institution – ohne demokratisch legitimiert und kontrolliert zu sein. Weil die Bundeskanzlerin nicht über eine eigene belastbare Mehrheit im Bundestag verfügt, ist der EZB bereits jetzt die Rolle des Retters der letzten Instanz zugewachsen. In ihrer neuen Rolle wäre sie aber mit internen Interessenkonflikten konfrontiert, die ihr eine objektive Beurteilung der Lage der Banken deutlich erschwerten. Schließlich setzt die EZB mit ihrer Zinspolitik nicht nur den Rahmen für die Märkte, sondern steuert mit der enormen Vergabe von Liquidität den Geldfluss an die Banken. Wie aber soll die EZB eine Bank objektiv regulieren, wenn sie gleichzeitig deren Geschäftspartner und Gläubiger ist? Eine Fehlentscheidung bei der Aufsicht würde die EZB als Institution erheblich beschädigen. Auch hier müssen Lehren aus Zypern gezogen werden: Die dortige Zentralbank war als Aufsichtsbehörde dafür mit verantwortlich, dass der Finanzsektor eine absurde Größe erreichen konnte und die Banken enorme Risiken eingingen. Zugleich versorgte die Zentralbank die Banken trotz absehbarer Schwierigkeiten weiter mit Geld. Das darf sich nicht wiederholen.

Wir sollten die Bankenaufsicht der EZB deshalb nur befristet übertragen. Ziel muss eine neue, unabhängige Institution sein, ergänzt um eine von ihr unabhängige europäische Abwicklungsbehörde, die das Recht hat, Banken zu schließen und vom Markt zu nehmen. Doch die Errichtung eines europäischen Abwicklungsregimes wird derzeit blockiert, auch von Deutschland.

Gerade die Länder mit großen Finanzsektoren haben ein Interesse an der neuen Aufsicht, weil sie ihre Risiken dann auf die europäischen Steuerzahler verlagern können. Eine Aufsicht ohne das Damoklesschwert der Abwicklung ist eine Überlebensgarantie für Großbanken und stärkt deren Erpressungspotential – eine kostenlose Vollkaskoversicherung mit Doppelairbag. Daher muss die Zustimmung zur Aufsicht verbunden werden mit der gleichzeitigen Einführung eines Bankenabwicklungsrechts und einem Abwicklungsfonds, der durch den Finanzsektor finanziert wird. Dafür kann anfangs auch ein Teil des Aufkommens aus der Finanztransaktionssteuer genutzt werden. Die Bereitschaft eines Landes, diese Steuer einzuführen, muss die Voraussetzung sein, dem Aufsichtsmechanismus beitreten zu dürfen. So wäre auch sichergestellt, dass Staaten mit einem großen Finanzsektor mehr in den Fonds einzahlen als andere. Aber gerade diese Länder, u. a. Luxemburg, Malta, Großbritannien, Irland, blockieren eine solche Beteiligung der Finanzindustrie.

Ein Flickenteppich aus nationalen Abwicklungsregimen – wie von Finanzminister Schäuble vorgeschlagen – ist dagegen keine taugliche Lösung. Viele Banken agieren grenzüberschreitend und müssen auch so behandelt werden. Dazu gehört auch die notwendige Transparenz ihrer Bilanzen. Aber weil die Bundeskanzlerin die Tür für die Rekapitalisierung der Banken aus dem ESM geöffnet hat, warten die anderen Länder auf diese Möglichkeit, anstatt die Bankbilanzen zu bereinigen und Banken vom Markt zu nehmen.

Die Bankenunion ist ein gewaltiger Integrationsschritt in Europa und ein Meilenstein auf dem Weg in eine Fiskalunion. Sie muss gut vorbereitet sein. Sonst kann es für den Steuerzahler richtig teuer werden.

(c) Die Zeit

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