Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Fall Zypern zeigt, dass wir es bei der als Euro-Krise beschriebenen Situation im Euro-Raum nicht mit einer Krise der Währung zu tun haben, Herr Schäffler, sondern mit einem überbordenden und unkontrollierten Bankensystem, das die Gefahr birgt, Staaten und Staatsfinanzen und damit im schlimmsten Fall unser Währungssystem zu Fall zu bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Programm, das wir heute für Zypern verabschieden, ist Ausdruck eines Paradigmenwechsels, den wir Sozialdemokraten gefordert haben und deswegen jetzt auch unterstützen. Der Paradigmenwechsel bedeutet, dass die Privatgläubiger, die Risiken eingegangen sind, indem sie einem Offshorefinanzplatz, wo man wenig Steuern zahlt und sein Geldvermögen geheim halten kann, Geld anvertraut haben, und diejenigen, die Aktionäre dieser beiden Banken waren, aber auch Einleger – ich will Ihnen sagen: Aus meinem Wahlkreis war das keiner, so reich sind die Leute bei mir in Erfurt nicht; aber es muss wohl welche geben, die dort Einlagen hatten ? jetzt die Hauptzeche für die Lasten zahlen, die durch diese Krise entstanden sind, das ist richtig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Schäuble, diesen Paradigmenwechsel hätten Sie, auf Deutsch gesagt, fast noch versaut. Das war der Fehler, den Sie mit Ihren Kollegen gemacht haben. Sie und die Bundeskanzlerin haben uns hier empfohlen, einer Beteiligung der Kleinsparer an der Sanierung der Banken zuzustimmen. Das war ein großer ökonomischer und politischer Fehler, der zu einer tiefen Verunsicherung geführt hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, es wird gerade in den südeuropäischen Ländern schwer sein, wieder Vertrauen aufzubauen. Nichtsdestotrotz ist das jetzt vorliegende Paket, insbesondere, was die Gläubigerbeteiligung betrifft, richtig.

Herr Meister, Sie haben wieder die Mär vorgetragen, die Sozialdemokraten wären für eine Vergemeinschaftung der Schulden. Sorry, das ist nicht der Fall. Dass Sie das so gesagt haben, kann nur daran liegen, dass Sie jetzt einen Punchingball brauchen wegen der Abspaltung eines Teils Ihres rechten Flügels, der Alternative für Deutschland. Wenn Sie dem Kollegen Schäffler zugehört haben, haben Sie mitbekommen, dass er auch über die EZB gesprochen hat. Ich teile nicht jede seiner Einschätzungen dazu, vor allen Dingen nicht seine Schlussfolgerung, aber dass wir über die Europäische Zentralbank schon längst in einer Haftungsgemeinschaft sind, ist doch Fakt. Das ist Fakt, Herr Meister.

(Petra Merkel (Berlin) (SPD): Na klar! Natürlich! Sicher! Klar! Das weiß er ja auch!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Lieber Kollege Schneider, darf der Kollege Fricke eine Zwischenfrage stellen?

– Bitte schön.

Otto Fricke (FDP):

Herr Kollege Schneider, ich glaube, es wurde weder vom Kollegen Meister noch von mir bestritten, dass es eine anteilige Haftung in Europa gibt.

(Zurufe von der SPD: Ah!)

Das ist Teil der europäischen Verantwortung. Weil Sie auf diesem Gebiet ein ausgewiesener Experte sind, wissen Sie genauso gut wie ich, dass das nie ein Streitpunkt war.

Weil Sie gesagt haben, die SPD sei nicht für eine Vergemeinschaftung von Schulden und der Kollege Steinmeier eben heftig widersprochen hat und ich eine solche Sache gerne geklärt habe, damit sie vom Tisch ist, will ich die Gelegenheit nutzen, Sie Folgendes zu fragen: Sagen Sie hiermit, dass die SPD gegen eine Vergemeinschaftung von Schulden im Sinne einer gesamthänderischen Haftung ist? Sind Sie in der Lage – darauf bezog sich der Widerspruch –,

(Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD): Nein! Das ist schon wieder falsch!)

hier zu sagen: „Die SPD wird einer Vergemeinschaftung von Bankenrettungsfonds nicht zustimmen“?

Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):

Es ist gut, dass Sie das ansprechen, Herr Kollege Fricke. Das gibt mir Gelegenheit, meine Redezeit zu verlängern.

(Otto Fricke (FDP): Das soll es ja auch!)

Erstens. Die deutsche Verfassung, das Grundgesetz ist eindeutig. Wir können keine gesamtschuldnerische Haftung für die Schulden anderer Staaten der Euro-Zone übernehmen – Punkt. Das ist im Grundgesetz normiert, und das teilen wir als Sozialdemokraten. Wir sind der Auffassung, dass wir die Währungsunion auch um eine echte Fiskalpolitik erweitern müssen. Das bedeutet vor allen Dingen eine stärkere Vereinheitlichung im Bereich der Steuerpolitik, zum Beispiel, dass es nicht länger Dumpingsteuersätze quer durch Europa gibt. Vor allen Dingen bedeutet das aber, dass wir Kontrolle über die Haushalte anderer Mitgliedstaaten bekommen, nicht wir als Bundestag, sondern etwa eine europäische Behörde. Aber das ist Zukunftsmusik. Das ist im Übrigen das, was auch der Bundesfinanzminister zu einer Verstärkung und Erweiterung der Währungsunion zu einer Fiskalunion sagte. Es ist ein Fehler gewesen, den Euro als Währung ohne eine gemeinsame Steuer-, Finanz- und Haushaltspolitik in die Welt zu setzen. Darunter leiden wir heute. Diesen Fehler müssen wir langfristig korrigieren.

Jetzt komme ich zum zweiten Teil der Frage, zur Frage der Vergemeinschaftung der Banken. Das ist ein ganz wichtiger und zentraler Punkt. Sie sind dafür, dass es auf europäischer Ebene eine gemeinsame Bankenaufsicht gibt. Das ist richtig. Dazu gehört aber auch – dem hat die Bundeskanzlerin auf zwei Gipfeln zugestimmt; ich denke, dafür hat sie Ihre Unterstützung –,

(Otto Fricke (FDP): Aber mich interessiert Ihre Meinung!)

dass der Teufelskreis bzw. die Verbindung zwischen Staatsfinanzen und Bankenbilanzen durchbrochen wird. Was bedeutet das? Wenn wie in Zypern das Bankensystem in einem Staat kollabiert, zieht es die Staatsfinanzen, weil die Staatsschuldenlast anwächst, weil wie in Irland oder Spanien geschehen, die Schulden vom Staat übernommen werden müssen. Letztendlich ist dann auch das Land in Finanzierungsschwierigkeiten und hat keinen Zugang mehr zum Kapitalmarkt. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden. Das ist zwingend notwendig. Das ist im Übrigen einer der Schlüssel, um die Euro-Krise zu überwinden und die Wachstumsaussichten der südlichen Peripherie wieder zu stärken.

(Otto Fricke (FDP): Die Antwort fehlt immer noch!)

Denn deren Banken sind unterkapitalisiert; sie haben zu viele Verluste in den Bilanzen und können deswegen keine Kredite mehr vergeben.

Was ist die Antwort darauf? Die Antwort ist nicht ein nationaler Abwicklungsfonds.

(Otto Fricke (FDP): Aha!)

Diese Antwort wäre falsch; das ist ganz klar. Wir Sozialdemokraten und übrigens die komplette Wissenschaft und auch die Europäische Kommission sehen das so. Wir sind dafür, dass die Aktionäre der europäischen Banken – nicht die Einleger – gemeinsam etwas von ihren Gewinnen in einen europäischen Fonds einzahlen, so wie es in Deutschland gemacht wird, nur mit höheren Summen. Der Bankenhaftungsfonds hier in Deutschland hat ein Volumen von 2 Milliarden Euro. Das ist lächerlich.

(Otto Fricke (FDP): Aber nicht der Staat?)

– Nicht der Staat. – Die Banken selbst sollen Abgaben auf ihre Gewinne zahlen – diese Abgaben sollen höher sein als das, was in Deutschland gezahlt wird –, um aus diesem Fonds die Verluste im europäischen Bankensektor im Ernstfall decken zu können. Nur so kann es gelingen, diese Abwärtsspirale, von der Banken und Staaten betroffen sind, zu durchbrechen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist die entscheidende und auch rechtlich machbare Maßnahme, die es schnellstmöglich, Herr Minister Schäuble, umzusetzen gilt. Sie haben auf das hingewiesen, was in Dublin erörtert wurde. Dass Sie sagen, die Einführung einer europäischen Bankenaufsicht sei im Rahmen der europäischen Verträge noch möglich, das gehe gerade noch so, aber eine Bankenabwicklung sei nicht möglich, sei ein Fehler. Wenn Sie sagen, dass Sie eine europäische Bankenaufsicht einführen wollen und dass die Europäische Zentralbank die Aufsichtsfunktion wahrnehmen soll, die aber, so wie Kollege Schäffler eben gesagt hat – in dem Punkt hat er recht –, Hauptgläubiger und Kreditgeber vieler Banken ist, frage ich mich: Wie soll sie unabhängig Geldpolitik machen können? Wie soll sie agieren und eine Bank schließen können, wenn sie weiß, dass sie Hauptlasttragende ist?

Deswegen ist es eine Mär, Kollege Meister, wenn gesagt wird, wir hätten bisher keine – zumindest teilweise – Vergemeinschaftung der Schulden. Wir haben sie über das System der Europäischen Zentralbank: Es sind Liquiditätshilfen in einem Umfang von 1,4 Billionen Euro an die Banken vergeben worden – unter Zugrundelegung sehr niedriger Sicherheitsstandards und im Übrigen ohne Information des Deutschen Bundestages. Das findet quasi in einem vordemokratischen Raum statt.

Um das wieder in die Hand des Parlaments zurückzuholen, aber auch um es möglich zu machen, große Banken, die die Staaten erpressen, abzuwickeln, brauchen wir einen unabhängigen Aufseher und vor allen Dingen ein Abwicklungsregime. Wir haben weder das eine noch das andere. Ich kenne keine Vorschläge, keine Ideen aus dem Bundesfinanzministerium, die aufzeigen, wie das gehen soll. Sie sind an dem Punkt weit zurückgeblieben. Das führt nicht dazu, dass die Macht wieder in der Hand des Staates liegt, sondern dazu, dass der Markt und die großen Banken uns erpressen können. Das ist leider die Situation. Wir Sozialdemokraten wollen das ändern.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Meister, Sie haben das Steuerabkommen mit der Schweiz und das Thema Steueroasen angesprochen. Wissen Sie, wir Sozialdemokraten sind dafür, dass diejenigen, die viel Geld in einem Land verdient haben, es auch in diesem Land versteuern. Wir wollen – dafür kämpfen wir schon seit Jahren, Peer Steinbrück vorneweg –

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Oh ja! Gerade der!)

der Anonymität der Kontenbesitzer den Garaus machen, zumindest in der Europäischen Union.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie und Ihr Finanzminister haben uns ein Steuerabkommen mit der Schweiz vorgelegt. Dadurch wäre erstens die Anonymität auf Dauer gesichert worden. Zweitens hätten die Steuervollzugsbeamten so gut wie gar nicht mehr kontrollieren dürfen. Sie hätten das Instrument, das jetzt auch Sie nutzen, nämlich CDs, nicht mehr nutzen können. Dieses Instrument, das ja wirkt, hätten Sie ihnen aus der Hand geschlagen. Drittens wären gerade die Banken, die bisher den Steuerbetrug in der Schweiz begangen oder befördert haben, diejenigen gewesen, die unsere Steuern eingezogen hätten. Dazu haben wir ganz klar Nein gesagt. Die Zeit gibt uns recht. Es war richtig, dass wir an dieser Stelle hart geblieben sind.

(Beifall bei der SPD)

Dass sich Luxemburg und, wie ich hoffe, auch Österreich jetzt bewegen, ist, glaube ich – ohne zu viel zu sagen und ohne sich selbst mit zu vielen Lorbeeren zu schmücken –, ein bedeutender Punkt. Wichtig war, dass gute Journalisten – nicht der Bundesfinanzminister – diese Offshoreregionen öffentlich gemacht haben. Wichtig war auch unser energischer Widerstand gegen die Wahrung der Anonymität von Kontenbesitzern in anderen europäischen Ländern. Es muss Schluss sein mit Dumping. Wer die Solidarität erhalten will, muss selbst Solidarität leisten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

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