Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir im September mit den Haushaltsberatungen begonnen haben, hatten wir drei Ziele: erstens, die nachhaltige Finanzpolitik fortzusetzen und die Herausforderungen, die vor uns liegen, möglichst ohne neue Schulden zu bewältigen; zweitens, die humanitären Katastrophen, die dazu geführt haben, dass sich viele Flüchtlinge zu uns auf den Weg gemacht haben, zu bewältigen, ihnen Obdach zu geben und vor allen Dingen sie – langfristig – nicht nur unterzubringen, sondern auch zu integrieren; drittens, der Investitionsschwäche des Staates, die von Frau Hajduk angesprochen wurde, zu begegnen. Ich stelle fest: Mit dem Vorschlag, den wir Ihnen hier präsentieren können, werden wir all diesen drei Punkten gerecht.

Ich will mich bei den Kolleginnen und Kollegen des Haushaltsausschusses ganz herzlich bedanken. Es war schwere und harte Arbeit, aber sie ist gelungen. Ich sage der Koalition, aber auch der Opposition: Es ist in so schwierigen Zeiten, wo man sich auch in einer Koalition das eine oder andere Mal streitet in manchen Parteifamilien etwas intensiver , gut gewesen, dass ihr solide wart und einen Haushalt vorgelegt habt, dem man unbedingt zustimmen kann.
Wir haben Kollege Rehberg ist darauf eingegangen noch einen vierten Punkt eingearbeitet, und das war vor den Anschlägen in Paris. Uns war klar, dass 1 Million Flüchtlinge in diesem Land eine besondere Stresssituation für die Bevölkerung und damit auch für die Frage der gesellschaftlichen Sicherheit darstellen. Wir haben aus diesem Grund Mittel sowohl für Maßnahmen der Repression als auch für solche der Prävention verstärkt, sowohl bei den Nachrichtendiensten als auch bei den Programmen, die auf Demokratie und Toleranz zielen. Ich glaube, dass das kluge Entscheidungen in einer nicht einfachen Situation waren.
Wir haben die Investitionen noch einmal deutlich verstärkt. Das können wir nur, weil wir in einer sehr guten wirtschaftlichen Lage sind. Ich habe mir heute die Zahlen des Statistischen Bundesamtes noch einmal angesehen. Woher kommt das Wachstum eigentlich? Es ist zum ganz großen Teil binnenmarktgetrieben. Die Binnennachfrage steigt: der private Konsum um 0,6 Prozent, der staatliche Konsum 1,3 Prozent. Die Ursachen hierfür liegen in höheren Tarifabschlüssen und in der Einführung des Mindestlohns, den wir Sozialdemokraten durchgesetzt haben. Ich warne alle davor, die Frage des Mindestlohns mit der Frage der Flüchtlinge zu verknüpfen;
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

das wäre ein Spaltpilz für die Gesellschaft. Das Wachstum hat ferner damit zu tun, dass wir die Steuern dort, wo es zu zusätzlichen Belastungen durch die kalte Progression kam, gesenkt haben und dass wir die steuerlichen Freibeträge erhöht haben. Wir haben insbesondere auch die Freibeträge für die Alleinerziehenden, die seit 2004 nicht mehr angepasst worden waren, auf über 1 800 Euro deutlich erhöht. Auch hier finden sich die Leitlinien der Sozialdemokraten wieder.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir werden in diesem Jahr eine Rentenerhöhung von 4 bis 5 Prozent haben; auch sie ist dank der guten wirtschaftlichen Lage möglich. Das sind im Schnitt monatlich 60 Euro mehr, die bei den Rentnerinnen und Rentnern ankommen.
Natürlich werden wir in den nächsten Jahren vor finanziellen Belastungen stehen. Es gibt Kollegen, die zu mir kommen und sagen: Die fetten Jahre sind vorbei. Das mag sein. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass wir das Geld, die finanziellen Ressourcen zur Verfügung stellen, die notwendig sind, um die Flüchtlinge zu integrieren und zu befähigen, nicht Leistungsempfänger, sondern Leistungsträger zu werden, zur Verfügung stellen. Dann haben wir eine Rendite, die nicht nur humanitär, sondern auch gesellschaftspolitisch sinnvoll ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Da gibt es natürlich immer die Frage: Wo kommt das Geld eigentlich her? Kollege Troost hat die Frage der gerechten Verteilung angesprochen. Das ist natürlich für Sozialdemokraten immer zentral: Wer zahlt hier eigentlich wie viel? Es gibt da auch Unterschiede in der Koalition; das ist ganz klar. Aber wir haben zwei wahnsinnig große Schritte gemacht, die ich mir nicht hätte träumen lassen.
Der erste Schritt ist der automatische Informationsaustausch. Da will ich mich bei Bundesfinanzminister Schäuble ausdrücklich bedanken. Der automatische Informationsaustausch führt dazu, dass Privatvermögen nicht mehr versteckt werden kann. Über 90 Länder auf der Welt haben das Abkommen unterzeichnet. Es gab in Deutschland prominente Fälle, in denen die Betreffenden ihr Geld in der Schweiz geparkt haben und auf die Zinsen keine Steuern zahlen wollten. Wenn man so viel Geld hat, dass man Zinsen erhält, und dann nicht mal hier die Steuern zahlt, ist das asozial. Dem haben wir jetzt einen Riegel vorgeschoben; dieses Geld muss versteuert werden.
Jetzt sind wir bei der Frage des Steuersatzes. Ich sage Ihnen für die Sozialdemokraten ganz klar: Die Abgeltungsteuer bringt – anders, als Frau Lötzsch es gesagt hat – nicht bei den Dividenden einen Vorteil, aber bei den Zinserträgen, weil ein Steuersatz von nur 25 Prozent vorgesehen ist, während die Einkommensteuer im Zweifel höher sein kann. Das müssen wir so schnell wie möglich beseitigen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das geht jetzt schon!)
Wir wollen, dass die Einkommen aus Zinsen und Kapitalerträgen genauso besteuert werden wie die Einkommen aus Arbeit.
(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir machen mit! Das würde reichen!)
– Frau Kollegin Andreae, wir sind da ja sofort dabei.

Die Frage ist: Wieso ist es eigentlich dazu gekommen? Der erste Grund war eine Initiative der oftmals von vielen Leuten geschmähten Vereinigten Staaten von Amerika. Sie haben mit dem FATCA-Abkommen sehr hart dafür gesorgt, dass die Banken ihre Bücher offenlegen; auch andere Länder haben dann zugestimmt.
Der zweite Grund war eine politische Entscheidung in Deutschland.
(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)
Mit dem deutsch-schweizerischen Steuerabkommen hätten wir den Ablasshandel für ewig festgeschrieben, und es hätte niemals einen automatischen Informationsaustausch gegeben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich will auch sagen: Da war Norbert Walter-Borjans als Finanzminister von NRW derjenige, der am meisten getrieben hat. Ich bin froh, dass er sich an dieser Stelle durchgesetzt hat und wir dieses Abkommen verhindert haben. Damit haben wir jetzt bei allen Einkommen die gleiche Grundlage der Besteuerung und keine Verstecke mehr.
Der zweite Meilenstein, den wir erreichen werden, betrifft BEPS. Wir hatten diese Schlupflöcher bei den privaten Vermögen, und wir haben sie immer noch bei internationalen Konzernen, die ihre Steuerlast mehr oder weniger in die Länder schieben, in denen die geringsten Steuersätze gelten. Es ist erstens asozial gegenüber der Gesellschaft – ich sage das ganz klar -, wenn Unternehmen die legale Möglichkeit nutzen, Absprachen mit Staaten zu treffen, um ihre Steuerlast auf 1 oder 2 Prozent zu reduzieren.
(Beifall bei der SPD)

Es führt zweitens zu einer Wettbewerbsverzerrung. Nehmen wir nur Amazon. Es ist nicht nur ein Buchhändler, aber wir nehmen mal das Beispiel Bücher. Mein Buchhändler in Erfurt oder in Weimar zahlt vor Ort nicht nur Miete für die Räume in Innenstadtlage – das ist nicht billig -, sondern auch den vollen Satz der Körperschaftsteuer. Er zahlt den vollen Satz, weil er keine Absprachen mit dem Finanzminister oder den Beamten in Luxemburg darüber treffen kann, wie viel Steuern er zu zahlen hat. Amazon kann das, Amazon konnte das.
Ich bin dem Europäischen Parlament sehr dankbar, dass es das Thema der legalen Steuergestaltung innerhalb der Europäischen Union ganz oben auf die Agenda gesetzt hat, es transparent gemacht hat. Wir brauchen jetzt die politischen Mehrheiten im Europäischen Parlament, aber auch im Bundestag, um es internationalen Konzernen so schwer wie möglich zu machen, ihre Steuerlast in Niedrigsteuerländer zu verschieben. Dieses Steuerdumping werden wir Sozialdemokraten immer bekämpfen. Ich hoffe, wir haben den Bundestag da auch an unserer Seite.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Bartholomäus Kalb (CDU/CSU))